Missing Link: Gegen Null – Lars Gustafsson persönlich

Seite 2: Cyberspace und Traum

Inhaltsverzeichnis

23 Jahre lang war Gustafsson Professor für Germanistik und Philosophie an der Universität in Austin im US-Bundesstaat Texas. Hier schrieb er zahlreiche Romane und Gedichte, beschäftigte sich aber auch mit Technologien und ihrem Einfluss auf den Menschen. Als Beispiel sei sein 1994 geschriebener Aufsatz über den Cyberspace genannt, der 1996 unter dem Titel Der dritte Raum übersetzt wurde.

In ihm vergleicht Gustafsson den Cyberspace mit einem Traum: "Der Traum bot uns ein Vergleichsobjekt zur gewöhnlichen Welt. Jetzt haben wir noch eines: den Cyberspace, wie er im Zusammenwirken zwischen Computern in grossen Netzwerken, zum Beispiel im World Wide Web, entsteht. Er ist als Raum verbunden, aber weder in der Weise des Traums noch des physischen Raums. Und er ist geordnet, doch auch nicht in der Weise des Traums oder des physischen Raums. Seine Ordnung ist grösser als die des Traums. Er ist weniger launenhaft als der Traumraum, aber launenhafter als der physische Raum insofern, als wir auf viel mehr Wegen von einem Ort zum anderen kommen können als im physischen Raum. Das illustriert Gustafsson mit der Suche in einem Bibliothekskatalog, der auf einem Server in Uppsala gespeichert ist.

Geld ist Information: Lars Gustafsson erkannte 1996 die Machtlosigkeit der Staaten über Kapitalflüsse im Internet.

Seine höchste Ausprägung gewinnt der dritte Raum des Cyberspace mit dem internationalen Finanzsystem, in dem Staaten machtlos werden. "Im dritten Raum spielen sie schlicht keine besonders grosse Rolle mehr. Die Zinsen liessen sich vielleicht beeinflussen, falls sich jemand an die Don Quijotische Aufgabe machen würde, die Zentralbanken abzuschaffen. Doch der neue Souverän hat schon vor recht langer Zeit eine viel effektivere Methode gefunden: Finanzielle Instrumente wie die verschiedenen Typen des Handels mit Derivaten machen es möglich, sie statt dessen ganz zu umgehen. Tatsächlich hat es Derivatenhandel gegeben, solange es ein Bankwesen gibt. Der Unterschied zu früher ist, dass er jetzt im Cyberspace stattfindet. Und also ortlos ist. Wie eine Flutwelle geht die Welle der Information um den Erdball. Sie ist nirgends, und sie ist überall. Das Geld zeigt sein wirkliches Gesicht: Es ist nichts anderes als eine Form von Information. Und daraus, aus Information, besteht der dritte Raum." In diesem Sinne von Gustafsson inspiriert ist der Dritte Raum der Name eines Techno-Projektes. "Auf in den Cyberspace!": Gustafssons Analyse wurde mit einem Wanderer illustriert, der mit einer Kiepe ein Oszilloskop den Berg hinauf schleppt.