Missing Link: Global Digital Compact – Vollkastastrophe oder verpasste Chance

Seite 3: Outreach ungenügend

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Wie es sein kann, dass selbst netzpolitisch aktive NGOs eher zufällig auf den GDP Prozess stoßen? Nach Ansicht von Esterhuysen ist das das Ergebnis einer zu unsystematischen Herangehensweise an die Konsultation. Es fehlt nach Ansicht der Südafrikanerin an einem echten Outreach außerhalb der relativ kleinen Internet Governance Community. In Subsahara Afrika sei der GDC kaum ein Thema – das ist übrigens selbst in netzpolitisch aktiven Regionen wie den USA ganz ähnlich, bestätigt Milton Mueller, Professor am Georgia Institute of Technology und Gründer des umtriebigen Internet Governance Project. Esterhuysen konstatiert, es fehle auch an einem Drive, bestehende Strukturen auch in der UN selbst zu nutzen.

Für sie als ehemalige MAG Vorsitzende ist der Verzicht auf die Nutzung des IGF, das seit bald 20 Jahren an genau den Themen arbeitet, die der GDC adressieren soll, der erste große Sündenfall. Zwar ist ein von Guterres eingesetztes IGF-High Level Panel gerade dabei, eine offizielle Stellungnahme des IGF vorzubereiten. Die ist aber laut dem High Level Panel-Vorsitzenden Vint Cerf, der Internetpionier und Google Evanglist ist, auch fertig. Ein Ersatz dafür, das IGF als echte Drehscheibe für die Konsultation zu nutzen, sei das nicht, findet Esterhuysen.

Genau diese Idee hatten die Schweizer Delegation vorgeschlagen, erklären Vertreter des Bundesamtes für Kommunikation (Bakom) gegenüber heise. Doch es fehlte an ausreichender Unterstützung, selbst von den üblicherweise befreundeten Partnern – den like minded countries – also etwa den Europäern. "Für echte Multi-Stakeholderverfahren bedarf es allerdings der Teilhabe über die ganze Dauer eines Prozesses bis hin zur Übernahme von Verantwortung für die sich anschließende Umsetzung", sagt Botschafter Thomas Schneider, Leiter International Relations beim Bakom.

Die Schwierigkeiten mit einer breiten Konsultation hat man auch in Deutschland. Zwar hat das Auswärtige Amt Gespräche des UN-Tech Envoy mit lokalen Stakeholdern in Kenia, Indien und Mexiko organisiert und finanziert. In Kenia hat man laut Grienberger, Vertreter aus rund 20 afrikanischen Ländern mit dem Tech Envoy zusammengeführt und zivilgesellschaftliche Vertreter habe man dabei natürlich eingeladen.

Auf die Frage, ob man ähnliche Veranstaltungen für die deutsche Community organisiert, verweist Grienberger aber auf die Arbeitsteilung der Ressorts. Bei allen Fragen zur Digitalpolitik wäre das Digital- und Verkehrsministerium zuständig. Die Webseite des BMDV liefert bei einem Suchlauf über die eigene Seite allerdings aktuell null Treffer.

Suche nach GDC auf Seite des Bundesministerium für Digitales und Verkehr.

Auch die Veranstaltung in Berlin mit Gill blieb unter dem Radar einer breiteren lokalen Community. Der CCC und wohl auch viele andere NGOs und Verbände wussten nichts von diesem Termin. Die Gastgeber, Digital Society Institute, United Nations Association of Germany (DGVN) und das IGF-D, entschieden sich außerdem gegen ein Streamen der Veranstaltung.

Eine Debatte über die digitale Zukunft rein analog? Auch sie und ihre Mitstreiterinnen beim Youth IGF hätten sich darüber etwas gewundert, sagt Morasch von der deutschen Youth IGF. Pläne der Jungen, im Rahmen des IGF-D doch noch eine Diskussionsrunde für die lokale Community aufzusetzen, scheiterten an Bedenken bei den "Alten", dass für die Entwicklung einer gemeinsamen Stellungnahme die Zeit zu knapp war. Ursprünglich war die Frist für schriftliche Eingaben beim Tech Envoy auf Ende März gesetzt.

CCC-Sprecherin Eickstädt kritisiert, dass die Ministerien nicht wuchern mit den Pfunden, die ihnen zur Verfügung stehen. "Ich bin massiv enttäuscht von der Bundesregierung", so ihr Kommentar, "dass sie sich der vielen Expertinnen, die die deutsche Zivilgesellschaft zu den Digitalthemen hat, einfach nicht bedient, gerade wo sie doch als einer der Ko-Moderatoren für den UN-Zukunftsgipfel 2024 verantwortlich sein wird."

Von der technischen Expertise beim CCC, der sich auch schon viele Jahre mit der technischen Infrastruktur und auch den Governance-Fragen beschäftigt, bis zu neueren Gruppen wie dem Superrlab, das Prinzipien einer feministischen Tech-Politik formuliert hat, lasse man Wissen brach liegen. Grienberger reagiert ein bisschen erstaunt auf solche Kritik. Das Kreuzen der Themen Cyber und feministsche Außenpolitik will sie auf dem Schirm haben. Man habe aktuell eine Veranstaltungsreihe mit dem Center for Femininist Foreign Policy (CFFP), wo man über solche Ansätze nachdenken könne.

Zur Frage der besseren Zusammenarbeit der staatlichen mit den nicht-staatlichen Stakeholdern gebe viele Gelegenheiten im GDC Prozess. "Es kommt nicht so darauf an, möglichst bei jeder Veranstaltung die Massen zu erreichen", meint sie. Gills Berliner Gastspiel beispielsweise sei durchaus eine solche Gelegenheit gewesen und das am Vorabend veranstaltete Jimmy-Schultz-Dinner habe auch noch Parlamentarier mit ins Boot geholt.

Eine fortgesetzte Rückkoppelung zwischen Regierungs- und anderen Gruppen auf dem Weg zum GDC befürwortet die Diplomatin im übrigen auch selbst. "Wir haben der Gruppen von Leuten, mit denen wir bei den Regionalkonsultationen in Kenia, Mexiko und Indien gesprochen haben, ermuntert, auch in der zweiten Runde des Prozesses wieder einzuhaken." Diese beginnt wohl, wenn das erste Entwurfspapier von den GDC-Moderatoren Ruanda und Schweden – oder vielleicht auch dem Tech Envoy – formuliert wurde und bevor die Regierungen sich dann zu Verhandlungen über den finalen Text zurückziehen. Wer den Text schreibt, ist übrigens auch nicht klar. Eine Anfrage bei Schwedens Botschafterin ergibt die freundliche Bitte, sich in Fragen des GDC direkt an die UN zu wenden. Aus dem Büro des Tech Envoys gibt es nur die Bitte, zu einem späteren Zeitpunkt nochmal anzufragen.