Missing Link: Die Zukunft von Rund- und Mobilfunk steht auf dem Spiel

Die Zukunft des UHF-Bands wird Ende 2023 auf der WRC in Dubai entschieden. Die Bundesregierung will die "Kulturfrequenzen" auch für Sicherheitsbehörden öffnen.

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(Bild: Suwin/Shutterstock.com)

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Spektrum ist ein knappes Gut – und seine Verteilung damit heftig umkämpft. Dies zeigt sich aktuell vor allem am UHF-Band im Bereich 470-694 MHz, das aktuell vor allem für die terrestrische digitale Übertragung linearer Fernsehprogramme (DVB-T2) sowie für den Betrieb lokaler Funkstrecken im Rahmen der professionellen Veranstaltungstechnik zugeteilt ist. Über die Zukunft dieser "Kulturfrequenzen" über 2030 hinaus wird im Kern die Weltfunkkonferenz 2023 (WRC-23) der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) entscheiden, die vom 20. November bis zum 15. Dezember in Dubai stattfindet. Dabei geht es nicht nur um das digitale Antennenfernsehen, sondern etwa auch die terrestrische Radioübertragung (UKW beziehungsweise DAB+).

Die Finger nach dem begehrten Ultra-High-Frequency-Band strecken neben den Bestandsnutzern des terrestrischen Rundfunks und Anbieter drahtloser Produktionsmittel (PMSE) für Organisatoren und Dienstleister im Bereich Veranstaltungstechnik vor allem auch Interessen aus, die das Spektrum für mobiles Breitband nutzen wollen. Dazu gehören Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), die Bundeswehr sowie Mobilfunkbetreiber, die die ansteigende Datennutzung der Smartphone- und Tablet-Generation bewältigen müssen.

Niedrige Frequenzen unterhalb von 1 Gigahertz eignen sich besonders gut, um größere Flächen wie ländliche Regionen und das Innere von Gebäuden zu versorgen. Sie haben die Eigenschaft, besonders stabil und weitreichend Signale übertragen zu können. Für Mobilfunker sei dies besonders interessant, da sie so "relativ große Gebiete abdecken" könnten mit einer vergleichsweise niedrigen Anzahl von Basisstationen, weiß Slawomir Stanczak, Professor für Netzwerkinformationstheorie an der TU Berlin. "Gute Argumente" sieht er "auf allen Seiten". Die Politik müsse daher abwägen. Für ihn deutet aber viel darauf hin, dass wir uns von der Position verabschieden sollten, "dass Spektrum ausschließlich exklusiv für Einzelne zur Verfügung steht". Es seien die Verbraucher, "die das wollen". Zudem müssten zunehmend auch Maschinen und Autos vernetzt werden.

Gertrud Husch, Abteilungsleiterin im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), überraschte nun Mitte Juni auf einer Veranstaltung von Telefónica in Berlin mit der Ansage, dass sich die Bundesregierung für eine gemeinschaftliche Inanspruchnahme des UHF-Bands durch verschiedene Bedarfsanmelder ausspreche. Dabei heißt es im Koalitionsvertrag der Ampel: "Wir wollen das UHF-Band dauerhaft für Kultur und Rundfunk sichern." Für Husch ist das offenbar kein Widerspruch: Bei der angestrebten "ko-primären Nutzung" gelte es zu beachten, dass der Rundfunk "seine berechtigten Bedarfe erfüllt" bekomme.

Daneben sieht Husch aber "zusätzlichen Spielraum" für das Militär und die Sicherheitsbehörden. Wie viel für wen hier zur Verfügung gestellt werden könne, werde sich während der WRC und den Jahren danach zeigen, wenn die Bundesnetzagentur die Beschlüsse der Konferenz national umsetzt. Darüber hinaus Anteile aus dem UHF-Spektrum für den öffentlichen Mobilfunk festzulegen, sei einer der schwersten Herausforderungen. Auch diese Option solle aber zumindest aufrechterhalten werden. Es sei nämlich wichtig, dass die Mobilfunkunternehmen ebenfalls "rechtzeitig Planungssicherheit haben". Auch sie müssten ausreichend Frequenzen für Anwendungen wie Künstliche Intelligenz (KI) und 6G mit deutlich höhere Datenübertragungsraten bis zu 100 GBit/s zur Verfügung haben, was "mindestens eine Verzehnfachung gegenüber 5G" darstellen würde.

Die Entscheidung der Bundesregierung, die laut Husch "sicherlich nicht einfach war", größtmögliche Flexibilität biete und noch mit den europäischen Partnern abgesprochen werden müsse, ist ein Etappensieg für die Mobilfunker. "Deutschland sollte sich auf der Weltfunkkonferenz für eine ko-primäre Mobilfunkzuweisung aussprechen, damit eine effiziente Frequenznutzung und eine leistungsstarke Mobilfunkversorgung auch zukünftig sichergestellt sind", schrieb Nadine Wendrowski, Regulierungsexpertin bei Telefónica, etwa im Mai in einem Blogbeitrag. "Wichtig ist daher, dass sich die Bundesnetzagentur und das BMDV proaktiv für die Öffnung für Mobilfunk in diesen Frequenzbereichen einsetzen – denn eine Unterstützung der Mobilfunkzuweisung ist eine Unterstützung des digitalen Fortschritts Deutschlands."

Andreas Gegenfurtner, Präsident Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS), begrüßt den Kurs in Richtung ko-primär. Beim UHF-Band gehe es um einen Kuchen von insgesamt 224 MHz, was eine "große Dimension" habe. Der Deutschen Telekom stünden für ganz Deutschland nur 205 MHz zur Verfügung. Es sei also sinnvoll, den Blaulichtbehörden ein Stück abzugeben, denn sie "stehen für die Rettung von Menschenleben". Für die Hilfe "wollen wir die bestmögliche Leistung haben" mit Spektrum "nur unter 1 GHz". Kommunikation sei schließlich längst "eine unserer Lebensadern geworden".

"Missing Link"

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Andreas Gegenfurtner

(Bild: Stefan Krempl)

Als Einsatzbeispiele nennt Gegenfurtner schwere Verkehrsunfälle oder Schlaganfälle, bei denen die Retter Vitaldaten so schnell wie möglich an die Klinik übertragen können sollten. Bei großen Lagen wie Waldbrände wollten sie "Drohnen draußen haben". Mit dem heute für die BOS verfügbaren schmalbandigen Netz ließen sich solche Anwenden nicht fahren. Diese verfüge momentan über rund 5000 Standorte, mit denen sich bei weiter reichenden und leistungsstärkeren Frequenzen "ohne große Investitionen unglaublich viel erreichen".

"Der Frequenzhunger folgt dem Datenhunger", wirbt Valentina Daiber, Vorstand Recht und Unternehmensangelegenheiten bei Telefónica Deutschland, für die Position der Netzbetreiber. Das Datenvolumen steige um circa 50 Prozent pro Jahr und habe sich bis 2027 pro Nutzer vervierfacht. In zehn Jahren sei so ein "immenser Bedarf an zusätzlichem Spektrum von bis zu 1000 MHz" zu erwarten. Für sie steht damit fest: Wenn die Politik "neue Spuren auf der Datenautobahn bauen möchte, brauchen wir neue Frequenzen". Bisher sei auch jeder Generationswechsel im Mobilfunk mit zusätzlichem Spektrum verknüpft worden.