Missing Link: Die Zukunft von Rund- und Mobilfunk steht auf dem Spiel

Seite 3: Zero Rating vs. Infrastrukturabgabe

Inhaltsverzeichnis

Die Mobilfunker müssten bei einer solchen Lösung aber mitspielen und ihre Verträge so ausgestalten, dass Nutzer die Öffentlich-Rechtlichen jederzeit über ihr bisheriges Datenvolumen streamen könnten, betont Schätzl. ARD, ZDF und das Deutschlandradio sollten "so kostengünstig wie möglich zur Verfügung" stehen. Der Sozialdemokrat stößt so die Debatte über Zero Rating neu an. Der Europäische Gerichtshofs hat dazu entschieden, dass einschlägige "Nulltarif"-Angebote wie "Stream On" der Deutschen Telekom und "Vodafone Pass" mit dem im EU-Recht verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung des Datenverkehrs unvereinbar sind. Das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (Gerek) lässt für solche Tarifoptionen daher kaum mehr Spielraum.

Die einstigen Nulltarif-Optionen der zwei großen Netzbetreiber wären eine Lösung für die neue Herausforderung der Versorgung der Öffentlichkeit mit Inhalten etwa des Ersten und des Zweiten gewesen, glaubt Schätzl. Bei Daiber leuchten angesichts dieses Vorschlags aber rote Lampen aufgrund der Netzneutralität und der hohen Investitionskosten der Betreiber für den Netzausbau auf. "Wer ganz ohne Kosten Daten durch unsere Netze spült, hat kein Interesse, Datensparsamkeit walten zu lassen und effizient zu denken", gibt die Telefónica-Vorständin auch zu bedenken. Sie begrüßt daher den umstrittenen Kurs der EU-Kommission hin zu einer Infrastrukturabgabe, über die sich große Plattformbetreiber an den Kosten für den Netzausbau beteiligen sollen.

Sein Vorschlag verletze das Kernprinzip des offenen Internets nicht, hält Schätzl dagegen. Die Betreiber wüssten genau, wie viel Datenvolumen nötig sei für die Öffentlich-Rechtlichen. Private Rundfunksender sollten aber nicht eingeschlossen werden, da es für diese jetzt auch kein Grats-Abo auf DVB-T2 gebe.

Ein weiterer wichtiger Diskussionspunkt auf der WRC-23 wird das obere 6-GHz-Band (6425–7125 MHz) sein. Vertreter des Mobilfunks fordern, auch dieses für die Branche zu öffnen. Eine solche Möglichkeit "würde nicht nur ein Mehr an Spektrum" zur Bewältigung des steigenden Datenverkehrs bedeuten, unterstreicht die Telefónica-Juristin Wendrowski. Dazu komme der Vorteil, dass diese Frequenzen "die perfekten Kapazitäts- und Ausbreitungseigenschaften" hätten, "um effizient und bedarfsgerecht dort bereitgestellt zu werden, wo perspektivisch" Engpässe aufträten.

Bei 6 GHz seien die Bandbreiten relativ hoch, die Abdeckung aber nur "locker", erläutert der Netzwerkexperte Stanczak. Jenseits stationärer Räumlichkeiten träten so etwa in fahrenden Fortbewegungsmitteln rasch Lücken auf. Generell sei es entscheidend, Frequenzen "so effizient wie möglich" einzusetzen. Dafür brauche es neue Technologien, die aus Deutschland und Europa kommen sollten. Letztlich gebe es aber physische Grenzen. So gehe die Spektraleffizienz etwa auf Kosten von Energieeinsparungen, was zu widersprüchlichen Zielsetzungen führe.

Die Branche müsse die Energieeffizienz "ganz anders angehen", mahnt Volker Ziegler, Chefarchitekt bei Nokia. KI etwa könne bis ins Spektrum-Management helfen. Angesichts zunehmend symmetrischer Bandbreitennutzung wäre es "extrem wertvoll", gerade in den "Midbands" wie 6 GHz für den Mobilfunk "etwas freizuschalten". Andererseits habe eine "exklusive Zuweisung" von Spektrum für Bereiche wie die öffentliche Sicherheit oder die Medizin ebenfalls Vorteile, da diese so bandbreitenhungrige Dienste ohne große Hürden aufsetzen könnten.

Bei 6 GHz sei die Lage "nicht einfacher", berichtet Husch vom BMDV. Auch hier mache sich die Regierung für eine offene Herangehensweise sowie eine ko-primäre Nutzung stark. Im Idealfall sollten hier der öffentliche Mobilfunk und WLAN "möglichst kooperativ" nebeneinander existieren. Insgesamt äußerte die Ministerialbeamtin die Hoffnung, dass die "Bedarfsträger nicht aufeinander herumhacken", sondern "Verständnis füreinander entwickeln". Man wird ja noch träumen dürfen.

Die EU wollte ihren gemeinsamen Standpunkt, den die Mitgliedstaaten dann bei den Verhandlungen auf der WRC-23 vertreten sollen, eigentlich schon im 1. Quartal 2023 festlegen. Die Kommission führte dazu voriges Jahr eine Konsultation durch, in deren Rahmen sie 63 Stellungnahmen erhielt.

Selbst US-Konzerne wie Meta brachten sich dabei ein: Der Facebook-Mutterkonzern warnt dabei davor, das 6-GHz-Band für den Mobilfunk umzuwidmen: Dies könnte die Gigabit- und die Nachhaltigkeitsziele der EU gefährden. Der Einbezug von funkgestützten Netzwerken wie WLAN in dieses Spektrum würde dagegen den Endnutzern die besten Konnektivitätsvorteile bieten, den digitalen und grünen Wandel in der EU unterstützen und Innovationen. Die Auswertung der Eingaben und die Abstimmung mit den Regierungsvertretern der EU-Länder dauert offenbar noch an: bis dato hat die Kommission keinen Vorschlag für den Beschluss der angestrebten gemeinsamen Linie gemacht.

(bme)