Mit zwei 900-kW-Motoren: Erstes elektrisches Containerschiff stammt aus China

Chinas Anspruch auf die Dominanz elektrischer Mobilität ist nicht auf Autos beschränkt. Cosco Shipping bringt das erste elektrische Containerschiff zu Wasser.

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(Bild: Cosco Shipping)

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Von
  • Martin Kölling
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China versucht nicht nur den Markt für Elektroautos zu dominieren, sondern auch für Elektroschiffe. Ende Juli lief das erste größere rein batteriebetriebene Containerschiff der Welt in einer Werft von Cosco Shipping Heavy Industry vom Stapel. Im Gegensatz zu den kleineren Elektrobooten, die es schon gibt, handelt es sich immerhin um ein 119,8 Meter langes und 23,6 Meter breites Containerschiff mit einer Tragfähigkeit von 10.000 Tonnen.

Mit einer Kapazität von 700 Zwanzig-Fuß-Containern ist es weit kleiner als die ozeangängigen Containerriesen. Aber das Schiff ist auch nur für den Verkehr auf Flüssen und in Küstengewässern gedacht. Als Antrieb dienen zwei 900 kW-Motoren, die ihren Strom aus 36 in Containern gelagerten Batterien ziehen.

Mit dem Akku-Container wollen die Hersteller ein großes Problem bei der Dekarbonisierung der Schifffahrt lösen. Gerade bei Frachtschiffen tun sich die Reeder schwer, die oft mit Schweröl betriebenen Schiffsdiesel durch CO₂-neutrale Antriebe zu ersetzen. Denn da Wasser einem Schiff weitaus mehr Widerstand bietet als Wind und Straße einem Elektroauto, galten elektrische Antriebe lange für Anwendungen jenseits von Fähren als zu aufwendig und teuer.

Stattdessen wurden bisher andere Methoden bevorzugt, allen voran Flüssiggas und Ammoniak, aber auch Wasserstoff und Methan. Durch die leicht austauschbaren Akkus will Cosco das Problem umgehen.

Das erste Schiff soll auf dem Yangzijiang, übersetzt: dem Langen Fluss, verkehren, der auf einer Strecke von 2700 Kilometern (von insgesamt 6380 Kilometern Länge) befahrbar ist. Der Schiffsbauer verspricht, dass damit pro Tag 32 Tonnen an Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid eingespart werden können. Ein weiteres Schiff soll auf jeden Fall folgen, wenn es nach Cosco geht, sogar noch viel mehr.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Der Konzern hat Anfang des Jahres die chinesische Allianz für die Innovation elektrischer Schiffe gegründet. Mehr als 80 Vertreter wichtiger Behörden, Organisationen und Unternehmen nahmen an der Gründung der Allianz Teil, die hofft, die Standards für elektrische Schiffe zu setzen.

Die Frage bleibt, ob Elektroschiffe tatsächlich eine wirtschaftliche Alternative zu anderen Antrieben werden. Das Fachmagazin Nature Energy gab dem Konzept allerdings 2022 in einer Studie gute Chancen. Ihrer Analyse zufolge beruhten frühere Studien auf veralteten Annahmen zu Batteriekosten, Energiedichtewerten und verfügbarem Platz an Bord. "Wir zeigen, dass bei Batteriepreisen von 100 Dollar pro kWh die Elektrifizierung von intraregionalen Handelsrouten von weniger als 1500 Kilometern wirtschaftlich ist, mit minimalen Auswirkungen auf die Schiffskapazität", schreiben die Autoren.

Bezieht man die ökologischen Folgekosten von Schiffsdiesel in die Rechnung, erhöht sich der Wert demnach um 5000 Kilometer. Wenn sich die Batteriepreise halbieren, verdoppelt sich die wirtschaftlich wettbewerbsfähige Reichweite nahezu, so die Autoren. Sie glauben sogar, dass sich so innerhalb eines Jahrzehnts 40 Prozent des weltweiten Schiffsverkehrs elektrifizieren ließen.

Ob die Rechnung allerdings aufgehen wird, hängt vom Batteriepreis ab und – so warnt der Experte für Geopolitik Peter Zeihan – von der Verfügbarkeit der notwendigen Rohstoffe. Er hält es für unwahrscheinlich, dass die globale Gemeinschaft die Produktion von Kupfer, Lithium und anderen Materialien schnell genug anheben kann, um die wachsende Nachfrage nach Akkus, Elektromotoren und all den Dingen, die wir für eine Elektrifizierung weiter Teile des gesellschaftlichen Lebens und Infrastruktur benötigen, zu befriedigen. Er erwartet daher schwere Lieferengpässe, die für sich Elektrifizierungspläne verzögern könnten. Von steigenden Kosten ganz zu schweigen.

Seine Prognose ist vielleicht extrem, aber er ist nicht gänzlich allein. Experten der US-Bank Goldman Sachs hoben beispielsweise voriges Jahr ihre Preisprognose für Elektroautoakkus im Jahr 2025 von ursprünglich 100 Dollar pro kWh auf 105 Dollar pro kWh an – wegen einer "Greenflation", also steigenden Preisen von Produkten für die grüne Industrie. Behalten allerdings die Optimisten recht, könnte die Elektrifizierung der Schifffahrt deutlich schneller voranschreiten als bisher gedacht.

(jle)