Reisereport Silicon Valley: Plug and Play – So arbeiten Entwickler in den USA

Seite 2: Manchmal brauchen wir einander: Kreativität und Strategie Aug in Aug. SambaNova Systems, Alation und BMC

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Auch SambaNova Systems kam der Digitalisierungsschub zugute, der bei den von uns besuchten Anbietern die Geschäfte offensichtlich begünstigt hat. Zu Beginn der Pandemie befand sich das 2017 gegründete KI-Unternehmen, das eine rekonfigurierbare Datenflussarchitektur für Machine-Learning-Workflows entwickelt hat, gerade am Anfang der Produkteinführung und somit in einer entscheidenden Wachstumsphase.

"Es geht etwas verloren, wenn man nicht mehr im selben Raum ist."
Marshall Choy, Senior Vice President SambaNova

SambaNova legt nach wie vor Wert auf einen festen Geschäftssitz – samt gepflegter Gartenanlage.

SambaNovas Senior Vice President Marshall Choy erzählte, dass man zunächst etwas nervös gewesen sei. Genrell habe aber auch er beobachtet, dass die Produktivität und Umsetzungsfähigkeit der Unternehmen in der Pandemie gestiegen sei. Allerdings sei Enthusiasmus dennoch fehl am Platz: Zwar müssen die Leute nicht mehr zur Arbeit fahren, sitzen dafür aber stundenlang in Zoom-Meetings fest.

Für Aufgaben, die mit der Umsetzung zu tun haben (Execution), habe die Situation Vorteile gebracht. Aufgaben, die Menschen individuell umsetzen können, gingen remote leichter voran. Sein Unternehmen habe sich im März 2020 zum Glück in einer Phase befunden, in der die Ideenfindung und die strategische Planung schon abgeschlossen waren. "It really accelerated putting fit and finish around the product", resümiert Choy.

Auf der anderen Seite gebe es Bereiche, die durch die Pandemie ins Hintertreffen geraten seien: Alles Kreative, das Brainstorming und Finden von Konsens im Team habe gelitten. Es gehe etwas verloren, wenn man nicht mehr im selben Raum sei, einander direkt in die Augen schauen könne und gemeinsam am Whiteboard etwas erarbeite, so Choy.

Man habe sich darauf konzentriert, die Kunden beim Selbstinstallieren der Hardware aus der Ferne zu begleiten. Ursprünglich hatte man geplant, dass Mitarbeiter vor Ort das Deployment der komplexen Technik des neuen Systems betreuen. Dabei lerne man auch wichtige Dinge über Prozesse, die nicht wie erwartet funktionieren, und über unvorhergesehene Vorgänge – vor Ort könne man darauf einfacher direkt reagieren und Lösungen finden.

SambaNova Systems habe sich stattdessen auf die Weiterentwicklung des Softwarestacks konzentriert, um die fehlende örtliche Präsenz zu kompensieren. Nach der Überarbeitung des User-Interface seien die Kunden nun in der Lage, das System binnen 45 Minuten selbst zum Laufen zu bringen. Für SambaNova, so zieht Marshall Choy Bilanz, sei alles gut gegangen.

Er glaube nicht, dass jemals wieder alle Angestellten in Vollzeit ins Büro zurückkehren werden – die Pandemie habe neue Fakten geschaffen, von denen sich einige in seinen Augen verstetigen werden. Anders als in Deutschland habe es im Silicon Valley eine Reihe von Extremen gegeben, so Choy. Einige Unternehmen kündigten zunächst an, dass ihre Belegschaft nie wieder ins Büro zurückmüsse. Andere riefen derweil alle Mitarbeiter wieder zurück.

Die meisten Organisationen richten sich allerdings zurzeit mit flexiblen Arbeitsbedingungen in hybriden Umgebungen ein: manchmal Homeoffice, manchmal Büro. Wann welcher Modus sinnvoll sei, hänge von der Art der Aufgaben ab: Ideenfindung, Brainstorming und strategische Gespräche profitieren von der Zusammenkunft an einem Ort. Sobald Entscheidungen gefallen seien, könne man die Leute wieder von der Leine lassen für die individuelle Umsetzung, die dann entweder in Kleingruppen im Büro oder von zu Hause stattfindet.

Beim 2012 gegründeten B2B-Datenkatalog-Anbieter Alation Inc. fand das Treffen hybrid am Firmensitz in Redwood City statt. Neben dem CEO und einer Mitarbeiterin waren uns im Konferenzraum mehrere Personen per Video zugeschaltet. Bei Alation finden Treffen erst seit Kurzem wieder in Präsenz statt, punktuell kommen dann rund 300 Leute für spezielle Anlässe zusammen – wie unlängst in Las Vegas. Die 50 Beschäftigten in San Francisco sind nur teilweise ins Büro zurückgekehrt. Für die Außenstellen in Deutschland und London hingegen gilt, dass die dortigen Mitarbeiter sich nun wieder treffen, wenn es einen Anlass gibt.

Insgesamt zeichnete sich hier ein Unterschied ab: Für die Firmenhauptsitze gilt oft eine andere Richtlinie als für die internationalen Standorte. So verfügt der Mainframe-Spezialist BMC, dessen Firmensitz sich seit der Gründung im Shell-Umfeld 1980 in Houston, Texas, befindet, in Santa Barbara über eine modern gestaltete Büroetage. Dort finden sich Designermöbel, Großraumbüros, schallgeschützte Räume für Kleingruppen, große Konferenzräume, eine Lounge mit Sitzgruppen und eine Küche.

Die Zweigstelle von BMC in Santa Barbara. Das Unternehmen legt Wert auf eine moderne Büroausstattung.

Laut Hannah Cho von BMC verfügte man außerhalb der USA noch nie über feste Büros, weshalb die Pandemie an den bestehenden Strukturen nicht viel änderte. In den Jahren 2020 und 2021 habe man in den Umbau des US-Büros investiert, ein Teil der Belegschaft sei bereits wieder in seine Arbeitskojen zurückgekehrt.

Ob die Mitarbeiter bei BMC ein hybrides Modell oder Remote-Arbeit frei wählen können, ließ sich nicht herausfinden. Der Fokus auf das chic möblierte Präsenzbüro sprang ins Auge: Das Unternehmen fördert das Arbeiten in abgeschirmten Besprechungsräumen, und die Pressekonferenz war offenbar ein willkommener Anlass für die Geschäftsführung, das frisch enthüllte Designerbüro live zu testen. Dafür waren manche Personen extra aus Texas angereist.