Twitter-Insider: Warum die Plattform zusammenbrechen könnte

Seite 2: Bis das Personal schließlich aufgibt

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Der Zusammenbruch von Twitter zu einem unbrauchbaren Wrack wird zwar noch einige Zeit auf sich warten lassen, sagt der Ingenieur, aber die verräterischen Anzeichen für die einsetzende "Prozessfäule" sind bereits da. Es beginnt mit den kleinen Dingen: "Bugs in jedem Teil des Clients, den sie benutzen; jeder Dienst im Backend, den sie zu benutzen versuchen", sagt der Ingenieur. "Am Anfang sind es nur kleine Ärgernisse, aber wenn die Backend-Fehlerbehebungen verzögert erfolgen, häufen sich die Probleme, bis die Leute schließlich aufgeben."

Krueger sagt, dass Twitter nicht aus dem Leben scheiden wird, aber dass wir anfangen dürften, eine größere Anzahl von Tweets zu sehen, die nicht geladen werden – oder Accounts, die scheinbar aus einer Laune heraus entstehen und verschwinden. "Ich würde erwarten, dass alles, was Daten ins Backend schreibt, möglicherweise langsamer wird, Zeitüberschreitungen hat und viele weitere subtile Arten von Fehlern auftreten", sagt Krueger. "Aber sie sind oft viel heimtückischer. Außerdem ist es in der Regel sehr viel aufwändiger, sie aufzuspüren und zu beheben. Wenn man nicht genügend Techniker hat, wird das zu einem großen Problem."

Die komischen Retweet-Fehler und die schwankenden Followerzahlen sind Anzeichen dafür, dass dies bereits der Fall ist. Die Twitter-Ingenieure haben "Ausfallsicherungen" entwickelt, auf die die Plattform zurückgreifen kann, so dass die Funktionen nicht vollständig offline gehen, sondern stattdessen abgespeckte Versionen anlaufen – das ist es, was wir sehen, sagt Krueger.

Neben den kleineren Störungen glaubt unser Twitter-Ingenieur auch, dass es bald zu größeren Ausfällen kommen wird, was zum Teil auf Musks Sparmaßnahmen zurückzuführen ist, mit denen die Serverlast der Twitter-Cloud reduziert werden soll, um die Infrastrukturkosten um bis zu 3 Millionen Dollar pro Tag zu senken. Reuters berichtet, dass dieses Projekt, das aus Musks "War Room" stammt, als "Deep Cuts Plan" (Plan der tiefen Einschnitte) bezeichnet wird. Eine Quelle der Nachrichtenagentur Reuters bezeichnete die Pläne gar als "wahnhaft", während Alan Woodward, Professor für Cybersicherheit an der University of Surrey, meint: "Wenn sie das aktuelle System nicht massiv überdimensioniert haben, scheint das Risiko einer geringeren Kapazität und Verfügbarkeit die logische Schlussfolgerung zu sein."

Wenn es dann doch einmal zu einem Ausfall kommt, ist das institutionelle Wissen nicht mehr vorhanden, um auftretende Probleme schnell zu beheben. "Viele der Leute, die ich nach Freitag gesehen habe, sind seit neun, zehn, elf Jahren dabei, was für ein Technologieunternehmen einfach lächerlich ist", sagt der Twitter-Ingenieur. Als diese Personen die Büros von Twitter verließen, verschwanden mit ihnen auch jahrzehntelange Kenntnisse über die Funktionsweise der Systeme. (Diejenigen, die bei Twitter arbeiten, und diejenigen, die das Geschehen von der Seitenlinie aus beobachten, haben schon früher argumentiert, dass Twitters Wissensbasis zu sehr in den Köpfen einer Handvoll Programmierer konzentriert ist, von denen einige gefeuert wurden.)

Zu den Teams, die nach Aussage derjenigen, die bei Twitter geblieben sind, auf ihre nackten Knochen reduziert wurden, gehört leider auch das Team der technischen Redakteure. "Wir hatten wegen [dieses Teams] eine gute Dokumentation", sagt der Ingenieur. Jetzt nicht mehr. Wenn etwas schief geht, ist es schwieriger, herauszufinden, was passiert ist.

Auch extern wird es schwieriger sein, Antworten zu erhalten. Das Kommunikationsteam wurde von 80 bis 100 auf nur noch zwei Personen reduziert, so ein ehemaliges Mitglied des Kommunikationsteams, mit dem MIT Technology Review sprach. "Es gibt für sie zu viel zu tun, und sie sprechen nicht genug Sprachen, um mit der Presse so umzugehen, wie es nötig wäre", sagt der Ingenieur. Als MIT Technology Review Twitter für diese Geschichte kontaktierte, blieb die E-Mail unbeantwortet.

Man fühlt sich an das Sprichtwort erinnert "Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen", schaut man sich die jüngste Kritik von Musk an Mastodon, der Open-Source-Alternative zu Twitter, an. Der Twitter-CEO twitterte einen Beitrag, den er dann schnell wieder löschte, in dem er den Nutzern mitteilte: "Wenn ihr Twitter nicht mehr mögt, gibt es eine großartige Website [sic] namens Masterbatedone [sic]", zusammen mit einem physischen Bild seines Laptop-Bildschirms, der auf Paul Krugmans Mastodon-Profil geöffnet war und ihn zeigte, wie er mehrmals versuchte, auf der Plattform zu posten. Trotz Musks Versuch, die Unzuverlässigkeit von Mastodon hervorzuheben, ist dessen Erfolg bemerkenswert: Fast eine halbe Million Menschen haben sich bei der föderalen Plattform angemeldet, seit Musk Twitter übernommen hat.

Dies geschieht zur gleichen Zeit, in der die ersten Risse im Gebäude von Twitter sichtbar werden. Das ist erst der Anfang, erwartet Krueger. "Ich erwarte, dass innerhalb von sechs Monaten erhebliche Probleme mit der Technologie in der Öffentlichkeit auftreten werden", sagt er. "Und ich denke, das ist eine großzügige Schätzung.

(jle)