Kosten von Elektroautos: Die schräge Rechnung des ADAC​

Kaum eine Datenbank gibt so umfangreich Auskunft über die realen Kosten eines Autos wie die des ADAC. Der Club interpretiert sie aktuell eigenwillig.​

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1645 Kommentare lesen
Fiat 500e

Elektrische Kleinwagen rentieren sich gegenüber den Benzinern nie, meint der ADAC. Wir meinen: Es kommt darauf an, was man vergleicht.

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Lesezeit: 7 Min.
Inhaltsverzeichnis

Es gibt Diskussionen, die sich vermutlich nicht (mehr) friedlich austragen lassen: konservativ oder sozialdemokratisch, Apple oder Windows, BVB oder FC Bayern – Ihnen fallen bestimmt unzählige weitere Beispiele ein, in denen sich die Lager unversöhnlich gegenüberstehen. Bei den Themen, die wir auf diesem Kanal bearbeiten, zählt dazu zweifelsohne die Debatte rund um die Wende bei der Fahrenergie. Oftmals hochemotional wird ausgefochten, ob beispielsweise E-Fuels dem Verbrenner eine neue Chance geben sollten oder das, was in der Industrie weitgehend ausdiskutiert ist, nämlich der Umstieg auf batterieelektrische Antriebe, der richtige Weg sein sollte. Bei den Kosten hilft dabei schon ein nüchterner Blick in die umfangreiche Datenbank des ADAC, um zumindest beim Neuwagen die Frage nach den Gesamtkosten zumeist klar zu beantworten. Umso erstaunlicher, zu welchen Erkenntnissen der Club dabei kommt. Was ist passiert?

In einer aktuellen Pressemitteilung hat der ADAC seine eigenen Daten zu Autokosten ausgewertet und interpretiert. Dabei kommt der Club zu dem Schluss, dass sich batterieelektrische Kleinwagen im Prinzip nie lohnen würden. Die Anschaffung eines kleinen Elektroautos sei doppelt so teuer wie die eines Verbrenners. Als Beispiele führt der ADAC hier VW e-Up, Opel Corsa-e und Fiat 500e an. Erst im Segment darüber, also dem, was einst als Golf-Klasse galt, könnten sich die Verhältnisse verschieben. In der Mittelklasse dagegen würde sich ein E-Auto selbst bei einem Strompreis von 80 Cent/kWh rechnen. In der oberen Mittelklasse sei ein Diesel stets günstiger.

Das alles ist nicht etwa komplett sinnfrei, doch ein paar Dinge werden in dieser Betrachtung arg verkürzt. Der ADAC führt als Beleg seiner These, elektrische Kleinwagen seien doppelt so teuer wie die Verbrenner, den Opel Corsa an. In der Preisliste vom 5. Mai steht das Benziner-Basismodell mit 19.480 Euro, der Corsa-e kostet inzwischen mindestens 34.650 Euro. Doch der Vergleich hinkt gewaltig: Der Verbrenner ist ein 1,2-Liter-Sauger mit 55 kW, der mit dem gar nicht mal so leichten Corsa ordentlich zu tun hat. Besser vergleichbar mit dem Elektroauto wäre die Version mit 96-kW-Benziner, die es nur noch in der gehobenen "GS"-Ausstattung und mit Automatik gibt. Sie kostet mit 28.150 Euro allerdings fast 9000 Euro mehr als der Basis-Benziner und zieht auch höhere Unterhaltskosten nach sich. Vergleichbar ausgestattet hat das Elektroauto noch immer einen deutlich höheren Preis, der durch die Kaufunterstützung gemindert wird. Doch da reden wir nicht einmal ansatzweise über das Doppelte.

Selbst bei einem Dieselpreis von zwei Euro je Liter seien die Gesamtkosten eines E-Kleinwagens höher, schreibt der ADAC weiter. Die Relevanz dieser Aussage ist allerdings in doppelter Hinsicht recht übersichtlich: Einerseits ist der Preis für einen Liter Diesel im bundesweiten Schnitt derzeit weit von zwei Euro entfernt. Andererseits ist das Angebot an Kleinwagen mit Dieselmotor praktisch kaum mehr existent. Die Kosten für die Abgasnachbehandlung sind inzwischen derart hoch, dass sie sich durch die traditionell geringe Diesel-Nachfrage in diesem Segment nicht auf eine ausreichend große Zahl an Käufern umlegen lassen.

Beim Vergleich von VW Golf und ID.3 wird dann vom ADAC die Kaufunterstützung in die Kalkulation einbezogen, und schon ist das Elektroauto mit 150 kW dann unterm Strich günstiger als der Golf mit 110 kW-Benziner und DSG. Wer dem ID.3 in einem Golf bei den Fahrleistungen folgen wollte, müsste allerdings zum Benziner mit 140 kW greifen, der aktuell mindestens 38.990 Euro kostet. Da müsste man schon exzellent verhandeln, um auf den um die Innovationsprämie erleichterten Preis des ID.3 zu kommen.

Wer mit einem Golf ähnlich flott beschleunigen möchte, wie es der Basis-ID.3 schon ermöglicht, muss in der Modellhierarchie schon recht weit oben einsteigen.

(Bild: VW)

Die Folgekosten für ein Elektroauto liegen unter denen eines Verbrenners. Gut ablesen lässt sich das in Angeboten für pauschale Serviceverträge, die alle Wartungskosten übernehmen. Beispiel BMW: Das große Wartungspaket kostet für den elektrischen BMW iX1 für sechs Jahre ohne Kilometerbegrenzung 3058 Euro, für den X1 sDrive18i lautet das Angebot für fünf Jahre bis 100.000 km 3332 Euro. Pro Jahr sind das also rund 160 Euro Differenz zugunsten des E-Autos – nichts, was einen Besitzer in diesem Segment den Schlaf kosten wird, aber die Tendenz ist eindeutig. Mittelfristig entfallen im E-Auto die Kosten für Dinge wie diverse Filter, Zündkerzen und Öl, langfristig jene für Verschleißartikel wie Kupplung oder Auspuff. Über ein Autoleben kommt da ganz schön was zusammen. Im Elektroauto ist der Bremsenverschleiß etwas geringer, der der Reifen höher.

Der wichtigste Posten bei der Gesamtrechnung ist aber ein anderer, und er wird häufig in der Betrachtung vernachlässigt: der Wertverlust. Durch den raschen Fortschritt bei der Technik wird Elektroautos hier oftmals ein vergleichsweise niedriger Restwert zugestanden. Das mag in einigen Fällen so sein, doch pauschal wäre ich da zurückhaltend, vor allem im Vergleich zu Autos mit Verbrennungsmotor. Denn wie deren Restwert sich in den kommenden Jahren entwickelt, ist in einem sich rasant verändernden Umfeld alles andere als sicher zu prognostizieren. Ein durchaus denkbares Szenario ist, dass Verbrenner schneller an Attraktivität verlieren, als viele heute annehmen.

Was ein Auto unterm Strich kostet, hängt von zahlreichen persönlichen Faktoren ab. Es macht beispielsweise für die Fahrenergiekosten naheliegenderweise einen gewaltigen Unterschied, ob der Strom für einen Gestehungspreis von 10 Cent von der eigenen Photovoltaikanlage kommt oder von einer öffentlichen DC-Säule bezogen wird. Der Kostenvergleich bezieht sich zudem immer auf Neuwagen zum Listenpreis. Doch einerseits darf man hoffen, dass Rabatte irgendwann zurückkehren, zum anderen ist der private Neuwagenkäufer in der Minderheit. Über alle Marken hinweg sind rund zwei Drittel aller Neuzulassungen gewerblich. Hinzu kommt: In Deutschland werden pro Jahr rund 2,6 bis 3 Millionen Autos erstmals zugelassen – und rund 7 Millionen als Gebrauchtwagen. Dort entfällt der riesige Anteil des Wertverlusts im ersten Jahr nach der Erstzulassung. Dann verschieben sich die tatsächlichen, individuellen Gesamtkosten rasch.

Strom vs. Sprit: Wer fährt günstiger?

Bei den Gesamtkosten schneidet ein Elektroauto gegenüber einem tatsächlich vergleichbaren Verbrenner schon heute meist günstiger ab. Das zeigt auch unsere "Sprit vs. Strom"-Artikelreihe immer wieder. Der Forderung des ADAC, dass Mobilität bezahlbar bleiben müsse, tut das keinen Abbruch. Denn bevor man von den günstigeren Gesamtkosten profitieren kann, muss man einen erheblichen Startbetrag in die Kalkulation einbringen. Ganz so heftig, wie der ADAC es darstellt, ist er allerdings nicht mehr. Und auch bei den Kosten insgesamt verschiebt sich die Balance zunehmend zugunsten des Elektroautos.

(mfz)