Missing Link: Den Kapitalismus reparieren – die große Illusion der Maker

Seite 3: "Das wissende Feld" um die Schwarmintelligenz

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Maos Anti-Intellektualismus, seine Ablehnung der Arbeitsteilung, das Misstrauen gegenüber (möglicherweise oder tatsächlich konterrevolutionären) Experten und Eliten und sein Gottvertrauen in die Weisheit des Volkes, führten zu einer der größten Katastrophen der modernen Geschichte Chinas. Der Führer des chinesischen Maker-Heeres befürwortete anpackendes learning-on- the-job, förderte Egalitarismus bei der Arbeit, und schätzte Akademische Bildung und Fachwissen gering.

Maos Ideen leben heute ein halbes Jahrhundert später in der Makerbewegung wieder auf: Wesentliche Zutaten von Maos Große-Sprung-Ideologie-Mix finden sich hier wieder (allerdings natürlich mit bei weitem harmloseren Konsequenzen). Eine Skepsis gegenüber Expertentum und Arbeitsteilung ist ihnen gemeinsam, demgegenüber wird die gleichberechtigte Kollaboration von Peers (Gleichen) proklamiert. Das bereits erwähnte Buch zur Maker-Bewegung beschreibt die postkapitalistische Praxis folgendermaßen: "Man bildet Gruppen und umkreist ein Problem. Damit verschiebt sich der Zugang zur Technik grundlegend. Technik als unüberwindliche Macht, der man allein gegenübersteht, … verändert sich in eine Vielzahl von explodierenden Anfängen gemeinsam mit anderen." Anti-Intellektualismus und Hinterhof-Romantik sind die Folge.

Beklagt wird die im Kapitalismus verlorengegangene Gestaltungshoheit über technische, aber auch soziale und kulturelle Programmierungen – man könnte das auch Arbeitsteilung nennen. Kleinteilige Produktion, gemeinsames Lernen bei der Arbeit, werde propagiert – die Schwarmintelligenz soll es richten. Der großen Industrie, den Akademikern und Experten wird gezeigt, wie alternatives Wirtschaften geht, und die Maker werden zu Revolutionären, die der dezentralen Produktionsrevolution zum Durchbruch verhelfen sollen. Dezentralität, Handwerk, freies Wissen und innovative Technik "von unten" sind weitere Zutaten des Ideologie-Mixes der Maker.

So klug und richtig der Hinweis auf die Exzesse des verschwenderischen Kapitalismus auch sind, so beschränkt ist doch die Praxis des Reparierens – Machtverhältnisse geraten aus dem Blick. Droht doch eine gewisse Entpolitisierung, wenn alle nur noch Geräte reparieren, statt gesellschaftliche Debatten zu führen. Problematisch ist keineswegs das Reparieren und Basteln an sich, das Engagement und auch die DIY-Selbstermächtigungs-Aspekte. Problematisch wird es, wenn diese Kritik am Bestehenden, am Konsumkapitalismus und seiner Verschwendung zur "postkapitalistischen Praxis" umgedeutet wird.

Hier endet die kleine Reihe zum linken Soluzionismus, also den Vorstellungen und Hoffnungen von Nicht-Experten, aber nicht nur, bestimmte Technologien besäßen eine intrinsische Kraft, die Welt zum Besseren zu verändern. Damit sind diese Menschen gar nicht so weit weg von den kalifornischen Kapitalisten, die sich auch in der Tradition der Gegenkultur der 1960er Jahre wähnen, verorten und mit ihren Innovationen rund um den Computer nicht nur viel Geld verdienen, sondern auch die Welt zu einem besseren Ort machen wollen.

Enttäuschung ist jedoch programmiert: Egal ob es um den 3D-Drucker, die Blockchain, GitHub oder die Maker-Bewegung geht – von allein ändert sich nix. Entweder sie werden zu Nischenprodukten, von genau den großen Konzernen gekauft, adaptiert, geschluckt, verspeist, verdaut und wieder ausgeschieden, gegen deren Macht und Methoden sie zunächst angetreten waren. Tatsächlich fügen sich diese Nischen vortrefflich ein in eben diesen Kapitalismus, sie werden zu bunten Tupfer in einem riesigen Markt der Möglichkeiten und nicht zuletzt auch zur Ressource für Konzerne, aus deren freien Wissen sie sich bedienen können. Sobald sie versuchen, tatsächlich in Konkurrenz auf den Markt zu treten, drohen Selbstausbeutung und Amateur-Illusionen.

Gesellschaftliche Veränderungen können nun mal nicht außerhalb des Gesellschaftlichen erzielt werden, und der Kapitalismus hat sich bisher immer als flexibel genug erwiesen, um mit jeder dieser Technologien und Nischenbewegungen nicht nur gut leben zu können, sondern auch noch Kapital daraus zu schlagen. (mho)