BKA-Chef fordert Ende der Debatte über Online-Durchsuchungen

Jörg Ziercke will die Technik für Online-Razzien nicht weiter in der Öffentlichkeit breitgetreten wissen und kündigt eine baldige einsatzfähige Software an. In Bayern wird ihre Verwendung auch gegen Kinderpornographie gefordert.

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Der Chef des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, hat nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts über heimliche Online-Debatte ein rasches Ende der Debatte über die heftig umstrittene Ermittlungsmaßnahme gefordert. Vor allem sei in der Öffentlichkeit nicht weiter über die mögliche Technik des so genannten Bundestrojaners zu spekulieren, erklärte der Oberpolizist gegenüber Spiegel Online. Zugleich zeigte er sich zuversichtlich, dass das BKA zum Zeitpunkt des Inkrafttretens einer gesetzlichen Regelung über eine einsatzfähige Software verfügen werde. Dabei schloss er neben einer Eigenentwicklung auch den Rückgriff auf "kommerzielle Produkte" nicht aus. Entsprechende Angebote für einen "Kommissar Trojaner" gibt es seit längerem etwa aus der Schweiz, im Bereich der Überwachung von Internet-Telefonaten auch aus Deutschland.

Als denkbares Szenario für die Ausspähung informationstechnischer Systeme, die das Verfassungsgericht mit hohen Hürden versehen hat, nannte Ziercke etwa "Absprachen zwischen Verdächtigen über Anschlagsplanungen". Man werde sich daran halten, dass eine konkrete Gefahr für herausragende Rechtsgüter wie Leib, Leben oder Freiheit vorliegen müsse. "Klar ist, dass der Zugriff auf den Rechner die Ultima Ratio bleiben wird." Er rechne mit 10, maximal 15 Maßnahmen pro Jahr. Im Sommer nannte er noch die Zahl 20. Zugleich räumte der BKA-Chef ein, dass mit Blick auf die Erfordernis der Prüfung der zukünftig anfallenden Computerdaten durch Ermittlungsrichter zur Gewährleistung des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung die Justiz "vor eine neue Herausforderung gestellt" werde. "In diesem Zusammenhang könnten sich Kapazitätsprobleme ergeben", teilte er die Sorgen des Richterbunds. Anders sehen die Sache Unionspolitiker. So beharrte die bayerische Justizministerin Beate Merk trotz der engen Maßgaben aus Karlsruhe auf ihrer alten Forderung, mit Online-Razzien etwa auch gegen Päderasten vorzugehen. "Kinderpornografie ist eines der gemeinsten und widerwärtigsten Verbrechen, die es gibt", sagte die CSU-Politikerin der Tageszeitung Die Welt. "Und nachdem diese Straftat gerade mit dem Internet meist notwendig verbunden ist, muss es möglich sein, hier auch die Online-Durchsuchung anwenden zu können." Sie werde "in kürzester Zeit" eine entsprechende Initiative in den Bundesrat einbringen. Generell dürfe die Lizenz zum staatlichen Trojanereinsatz nicht nur dem BKA zur präventiven Abwehr schwerer Gefahren ausgehändigt werden. Vielmehr sei dringend ein weiter gefasstes Gesetz für die Strafverfolgungsseite und eine entsprechende Änderung der Strafprozessordnung nötig.

Der Wunschzettel der Union ist aber noch länger. So müsse etwa auch das Verfassungsschutzgesetz geändert werden, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Hans-Peter Uhl, der Passauer Neuen Presse. Der CSU-Politiker will damit den Einsatz der Fahndungsmethode nun auch offiziell dem Bundesamt für Verfassungsschutz ermöglichen, das mit Hilfe des Bundesnachrichtendienstens (BND) bereits mit dem Ausforschen von Festplatten experimentierte. Der rechtspolitische Sprecher von CDU/CSU, Jürgen Gehb, unterstützte den Appell: "Alle, die mit der Gefahrenabwehr befasst sind, brauchen die gesetzliche Ermächtigung für Online-Durchsuchungen." Darüber hinaus sollte der Bundestrojaner aber auch bei der Strafverfolgung eingesetzt werden dürfen.

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sieht derweil die Arbeitnehmerposition in Fragen des Datenschutzes am Arbeitsplatz durch den Richtspruch aus Karlsruhe gestärkt. Ihr Datenschutzbeauftragter, Norbert Warga, sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, dass nun die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten in Betrieben und Verwaltungen besser geschützt seien. Zugleich drängte er die Bundesregierung, den Arbeitnehmerdatenschutz endlich gesetzlich zu verankern. "Pro-forma-Passwörter" wie die Vornamen der Nutzer, die den Zugriff für Vorgesetzte oder Kollegen auch auf private Daten ermöglichen, müssten spätestens nach diesem Urteil verboten werden. Auch Datenerhebungen bei Dritten dürften nur noch mit Zustimmung der Betroffenen erlaubt sein.

Siehe zur aktuellen Entscheidung über die heimliche Online-Durchsuchung von PCs:

Zu den Auseinandersetzungen um die Terrorismus-Bekämpfung, die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl)/ (axv)