Bitcoin-Programmierer müssen vielleicht die Blockchain manipulieren

Seite 2: Erstgericht stellt Verfahren als aussichtlos ein, aber...

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14 der 16 Beklagten wehren sich gegen Wrights Klage: Sie streiten ab, Wright zu irgendetwas verpflichtet zu sein; sie seien bloß freiwillige Open-Source-Programmierer und damit Teil einer undefinierbaren Gruppe. Die begehrten Änderungen liefen nicht nur der Idee unveränderlicher Blockchains zuwider, sondern könnten auch unwirksam sein. Schließlich liege es an den Bitcoin-Schürfern ("Miner"), zu entscheiden, ob sie das Software-Update einspielen oder die Version ohne Update weiterlaufen lassen. Entscheiden sich ausreichend viele Miner unterschiedlich, komme es zu weiteren Forks. Einige Beklagte bringen außerdem drohenden Imageschaden ins Spiel, sollten sie der Forderung nachkommen.

Wie groß das Risiko weiterer Forks ist, hat das in erster Instanz befasste Gericht nicht erhoben. Denn unabhängig davon gäbe es hier nichts zu urteilen: Wright habe keine realistische Aussicht darauf, im Beweisverfahren zu zeigen, dass die Programmierer rechtlich verpflichtet seien, die Blockchains "richtigzustellen" (Urteil [2022] EWHC 667 (Ch) vom 25 März 2022). Überhaupt könnten freiwillige Programmierer nicht gezwungen werden, sich auch in Zukunft als solche zu betätigen.

Bestimmte Verpflichtungen hätten die Programmierer schon, beispielsweise dürften sie sich durch Softwareupdates nicht selbst zulasten anderer Bitcoin-Nutzer bereichern. Das sei aber noch keine Treuhandschaft. Die Verpflichtungen bestünden gegenüber allen Bitcoin-Nutzern, nicht darin, einem Einzelnen zu helfen. Wrights Argument, die Verpflichtung gelte nur gegenüber rechtmäßigen Eigentümern und nicht gegenüber Dieben, überzeugte die Erstrichterin nicht. Sie stellte das Verfahren als juristisch aussichtslos ein.

Dagegen hat Wright berufen – mit Erfolg. Das Berufungsgericht setzt sich in 90 Absätzen mit der Materie auseinander, und widmet sich schließlich der Frage, ob argumentierbar sei, dass nach englischem Recht eine Treuhandbeziehung zwischen Wright und den Programmierern entstanden ist, und dass diese Treuhandschaft die Treuhänder zu aktiver Hilfe verpflichtet.

Die juristischen Fragen seien neu, unterstreicht das Berufungsgericht, und es liege in der Natur des in England herrschenden Common Law, dass es durch Gerichtsentscheidungen fortgebildet wird. Damit Wright gewinnt, müsste er das Gericht schon zu signifikanter Weiterentwicklung des Common Law bringen, aber das sei hier nicht aussichtslos, weshalb Wright diese Chance erhalten müsse. Also dürfe das Erstgericht das Verfahren nicht wegen Aussichtslosigkeit einstellen.

Absatz 86 aus der Entscheidung des England and Wales Court of Appeal im Verfahren Tulip Trading v. Wladimir Jasper van der Laan et al

(Bild: Screenshot)

In ihrer Entscheidung skizzieren die Berufungsrichter die notwendigen argumentativen Schritte, die Wright überzeugend untermauern müsse, beziehungsweise die die Beklagten zu widerlegen hätten: Die Programmierer einer bestimmten Blockchain-Software seien eine ausreichend bestimmbare Gruppe, um als Treuhänder infrage zu kommen. Sie hätten eine Rolle angenommen, in der sie Entscheidungen für und im Namen anderer fällen, und diese Entscheidungen wirkten sich auf das Eigentum der Betroffenen aus. (Beispielsweise müssen die Inhaber der Github-Passwörter entscheiden, ob etwas ein Bug ist oder nicht, und wie er gegebenenfalls zu korrigieren ist.)

Damit hätten Bitcoin-Nutzer ihr Eigentum diesen Programmierern anvertraut, was diese zu Treuhändern mache. Als Treuhänder seien sie verpflichtet, im Interesse der Nutzer der Bitcoin-Software zu handeln. Und diese Verpflichtung könnte umfassen, neuen Code einzupflegen, um die Bitcoin eines Einzelnen in Sicherheit zu bringen. Wrights Anwälte werden es nicht leicht haben, das Erstgericht in allen diesen Punkten zu überzeugen, aber versuchen dürfen sie es jetzt.