Bitcoin-Programmierer müssen vielleicht die Blockchain manipulieren

Seite 3: Experte: Code ist kein Naturgesetz

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Univ-Prof. Dr. Nikolaus Forgo, Vorstand des Instituts für Innovation- und Digitalisierung der Universität Wien

(Bild: Alma mater Rudolphina)

"Eine stilistisch beeindruckende Entscheidung", lobt Nikolaus Forgó, Professor für Technologie- und Immaterialgüterrecht an der Universität Wien, die Ausführungen des Berufungsgerichts für England und Wales. Die Entscheidung gäbe Anlass, sich einerseits mit dem bis ins Römische Recht zurückreichenden Rechtsinstitut der Treuhandschaft zu befassen.

Andererseits "hinterfragt das Gericht kritisch zwei laufend wiederholte Scheingewissheiten der Distributed-Ledger-Technology, zu der Blockchains zählen: Erstens die weltweite Verteilung, indem es darauf hinweist, dass die Software-Architektur von einigen Wenigen abhängt, und zweitens die von der technisch bedingten Unabänderlichkeit dieser Architektur", sagte der Jurist zu heise online, "Es wird deutlich, dass Code kein Naturgesetz ist, sondern umgeschrieben werden kann. Ob er auch umgeschrieben werden muss, bleibt vorläufig offen." Dieser Frage muss sich das untergeordnete Gericht nun doch widmen.

Das Berufungsgericht trifft noch weitere Feststellungen: Dem Vorbringen, Wright solle nicht die Programmierer, sondern die Hacker oder die Betreiber der Wallets verklagen, können die Richter nichts abgewinnen. Weil der Mann die Täter nicht kenne, habe er solche Rechtsbehelfe in der Realität nicht.

Was, wenn das Londoner Gericht auf eine Weise, ein Gericht in einem anderen Land aber anders entscheidet? Auch diesem Problem widmen sich die Richter: Die Befürchtung sei keine bloße Fantasie, gestehen sie zu. Aber diese Befürchtung sei kein Grund, den Fall überhaupt nicht zu entscheiden. Andernfalls könnten vergleichbare Fälle nie zu einem Urteil kommen: "Das passt nicht. Das Internet ist kein Platz, wo Recht nicht anwendbar ist." Zudem habe niemand bestritten, dass sich Wrights Bitcoins im Zuständigkeitsbereich des Gerichts befinden.

Bleibt die Frage, ob die vom Kläger angestrebten Codeänderungen überhaupt Aussicht auf Erfolg im Sinne eines Zugriffs auf Bitcoins mit Marktwert haben. Das muss gegebenenfalls im Beweisverfahren vor dem Erstgericht geklärt werden. Die Berufungsentscheidung öffnet dem Kläger die Chance, in das Beweisverfahren einzutreten.

(ds)