Breitband: Experten sehen EU schlecht aufgestellt für Führungsrolle bei 6G

Erhebliche Verzögerungen bei der Frequenzvergabe gelten als Hauptgrund, der die EU im Aufholrennen beim Mobilfunk behindert. Auch im Festnetz hapert es.

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(Bild: tum3123/Shutterstock.com)

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Sachverständige aus der Informations- und Kommunikationsbranche zeichnen ein düsteres Bild, was den Ausbau mobiler und stationärer Breitbandnetze in der EU angeht. So ist etwa keiner der vom Dachverband DigitalEurope befragten Experten sehr zuversichtlich, dass Europa unter den derzeitigen Bedingungen im künftigen 6G-Rennen die Führung übernehmen wird. Die Hälfte ist nur etwas zuversichtlich, ein Viertel ist skeptisch.

DigitalEurope befragte für die Sondierung 20 Experten aus Mitgliedsverbänden wie dem FTTH Council Europe und angeschlossenen Unternehmen wie Amazon, Cisco, Ericsson, Hewlett Packard Enterprise, Huawei und Meta. Obwohl die 6G-Forschung gerade erst begonnen hat, erwarten sie, dass die nächste Mobilfunkgeneration 6G bis zum Ende des Jahrzehnts Realität wird.

Die Brancheninsider drängen darauf, dass die EU bereits jetzt ambitionierte Ziele für die kommerzielle 6G-Einführung festlegt. Diese müsse durch eine weitverbreitete 5G-Akzeptanz und -Abdeckung untermauert werden. 50 Prozent der Teilnehmer schlagen weitere Maßnahmen vor, die Europa in Betracht ziehen sollte, um seine 6G-Aussichten zu verbessern. Dazu gehören die Förderung des europäischen Startup-Ökosystems, mehr Mittel für das Europäische Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI) und andere Normungsgremien, um die 6G-Standardisierung voranzutreiben, und die Stärkung der europäischen Produktionskapazitäten, insbesondere bei Halbleitern.

Die EU-Kommission plädiert in ihrer 2020 präsentierten Industriestrategie beim 5G-Ausbau und auf dem Weg zu 6G vor allen für eine "strategische europäische Partnerschaft" im Bereich Forschung, Entwicklung und Innovation. Die Mitgliedsstaaten sollen dabei ihre "Führung bei Netzwerktechnologien" wiedererlangen beziehungsweise verstärken. Europa muss demnach jetzt in mobile Netzwerke der nächsten Generation investieren, wenn es auf diesem Gebiet Spitzenreiter werden wolle.

Historisch habe Europa im Mobilfunk mit GSM und 3G (UMTS) geführt, erklärte Mikael Bäck aus der Geschäftsführung von Ericsson am Donnerstag bei der Präsentation der Ergebnisse. Mit 4G und 5G sei diese Position verloren gegangen. Dabei gehe es bei der aktuellen und künftigen Generation nicht mehr nur darum, Smartphones leistungsfähiger zu machen, sondern etwa um Konnektivität für vernetzte Autos und das Internet der Dinge. Grundsätzlich habe Europa bei 6G eine bessere Startposition als die Halbleiterindustrie, da hier "einige führende Unternehmen" ansässig seien.

Ericsson sei mit Nokia dabei, erste 6G-Nutzungsmodelle zu entwickeln. Es gehe etwa um "Netzwerke von Netzwerken" mit zahlreichen Sensoren, ließ Bäck durchblicken. Europa könne frühzeitig einsteigen. Er räumte aber ein: Es sei noch etwas früh für Szenarien für kommerzielle Anwendungen. Cristiano Radaelli vom italienischen IT-Verband Anitec-Assinform verwies hier und bei 5G auf ein "Kommunikationsproblem": Viele sähen die neuen Mobilfunktechnologien nur als normale Evolution mit mehr Bandbreite. Industrie und Politik müssten stärker deren "großen Vorteile" und die ermöglichten neuen Dienste betonen.

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Generell bezeichnen 69 Prozent der Befragten erhebliche Verzögerungen bei der Vergabe von Frequenzen als den Hauptfaktor, der die europäische Führungsrolle bei Mobilfunknetzen behindert. Obwohl die EU-Länder mit dem Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation bis Ende 2020 verpflichtet waren, Frequenzen in allen drei 5G-Pionierbändern – 700 MHz, 3,4-3,8 GHz und 26 GHz – zuzuweisen, hatten dies bis Januar nur sieben Mitgliedstaaten geschafft. In fünf Staaten hat sich in dieser Hinsicht noch gar nicht getan.