Bundesdatenschützer kritisiert Weitergabe von Meldedaten

Peter Schaar stört, dass Meldedaten auch weitergegeben werden, wenn kein berechtigtes Interesse vorliegt. Er fordert ein allgemeines Widerspruchsrecht gegen die Weitergabe von Daten aus dem Melderegister.

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Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, sieht die Weitergabe von Meldedaten durch die Kommunen "äußerst kritisch". In einem Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung zeigte er zwar Verständnis dafür, dass sich Unternehmen bei Meldeämtern nach der Anschrift eines Schuldners erkundigen. Die Meldedaten würden aber auch weitergegeben, wenn überhaupt kein berechtigtes Interesse vorliege. Auch beauftragten Unternehmen spezialisierte Firmen, die Adresse des Kunden bei der Meldebehörde zu erfragen. Diese Firmen nutzten die Daten aber nicht nur für den eigentlichen Zweck, sondern behielten sie oder verkauften sie weiter.

Schaar fordert daher ein allgemeines Widerspruchsrecht gegen die Weitergabe von Daten im Rahmen der Melderegisterauskunft. Zurzeit gebe es eine Auskunftssperre nur ausnahmsweise, zum Beispiel wenn jemand bedroht werde. Das sei aber "völlig unzureichend", meint der Datenschützer: "Eigentlich wäre es selbstverständlich, dass der Bürger auch hier selbst über die Datenweitergabe entscheiden kann."

Der Bundesdatenschützer knüpft damit an die Kritik des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz in Schleswig-Holstein an der Praxis von Meldeämtern an. Sie haben vor kurzem Adresshändler wie Regis24 oder Deltavista ins Visier genommen, die im Auftrag von Banken oder anderen Gläubigern wie etwa Mobilfunkunternehmen den Aufenthalt von säumigen Schuldnern ermitteln. Sie arbeiten dabei mit Daten, die sie auf dem Wege der einfachen Melderegisterauskunft (EMA) von den Meldebehörden erfragen. Die so gewonnenen Daten werden von den Adresshändlern weitergegeben, aber auch "zwischengespeichert".

Im August wurde bekannt, dass Callcenter im Auftrag von Firmen aus dem Glücksspielsektor Personen angerufen und in mehreren Fällen ohne Einzugserlaubnis und ohne Zustandekommen eines Vertragsabschlusses Beträge zwischen 50 und 70 Euro von deren Bankkonten abgebucht haben.. Später demonstrierte der Bundesverband der Verbraucherzentralen, wie leicht es seiner Ansicht nach ist, am Graumarkt an Kontendaten heranzukommen.

Schaar glaubt, dass das Problem des Datenhandels sehr viel größere Ausmaße hat, als sie bisher für viele vorstellbar gewesen seien: "Wir sollten uns nichts vormachen: Jeden Tag werden Daten missbraucht. Die moderne Informationstechnologie entwickelt sich rasant weiter. Damit steigt leider auch das Risiko, dass es zu Daten-Missbrauch kommt." Für den Datenschutzgipfel am kommenden Donnerstag, zu dem der Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble geladen hat, erhofft sich Schaar konkrete Ergebnisse. Die Gelegenheit sei günstig, dass der Bundestag wichtige Forderungen bereits bei der nun anstehenden Behandlung des vorliegenden Regierungsentwurfs des Bundesdatenschutzgesetzes berücksichtige.

Der Datenschützer fordert zudem eine Kennzeichnungspflicht über den Datenursprung, weil den Daten irgendwann nicht mehr anzusehen sei, woher sie stammen und ob sie legal verwendet wurden. Zudem gehöre beim Datenschutzrecht das gesamte Sanktionensystem auf den Prüfstand. Schwerwiegende Verstöße gegen den Datenschutz könnten im Strafgesetzbuch verankert werden. Auch müsse darüber nachgedacht werden, wie das Grundgesetz in der modernen Informationsgesellschaft weiterentwickelt werden soll. Schaar tritt dafür ein, den Datenschutz in den Katalog der Grundrechte aufzunehmen.

Zum Skandal um den illegalen Handel mit Kunden- und Kontendaten siehe auch:

(anw)