Daten und Taten: Das war 2019 - der nicht so besinnliche Jahresrückblick

Seite 3: Von Infrastrukturen - gefährdet oder geschludert

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Seit Jahren wurde davon geredet, doch erst im Mai 2019 fand sie statt: Eine kriegerische Hybrid-Attacke auf die IT-Infrastruktur eines Gegners. Zunächst wehrte Israel einen Cyber-Angriff aus dem Gaza-Streifen ab und zerstörte dann mit einem Bombenangriff die IT bzw. das Haus, von dem aus der Cyber-Angriff erfolgte. Nach diesem kombinierten Hack-Back soll die Hamas keine funktionsfähige IT mehr besitzen, erklärte jedenfalls ein Sprecher der israelischen Streitkräfte. Für eine größere Debatte im Heise-Forum über den Sinn und Zweck von Zertifikaten sorgte ein Patzer von Firefox, der freilich schnell behoben wurde.

Natürlich spielte auch in diesem Jahr das Wetter eine Rolle. Das zeigte sich im Juni bei der Meldung zum Ökostrom-Rekord, wie auch im September, als der Protest gegen den Klimawandel in Deutschland 1,2 Millionen Menschen mobilisierte, auch im Ärger über ein Eckpunkte-Papier der Regierung, die aus dem geplanten Klima-Paket schließlich ein Klimapäckchen machte. Im Forum ging es später heftig zur Sache, als in der Debatte um den Verkehrswandel der fossile Verbrenner zum Flüchtlingsthema der nächsten Jahre hochstilisiert wurde. Im Auto steckt eben dauerhaft Zündstoff, wie es die Spitzenmeldung vom Juli zeigte. Da ließ ein Gericht die Dashcam als Beweismittel zu, was wiederum zur Frage führte, ab wann diese Sicherheitskameras eigentlich Überwachungskameras sind.

SprinD ist doch ein schöner Name und steht für die neue Agentur für Sprunginnovation, die von der Bundesregierung ins Leben gerufen wurde und mit 200 Millionen neue Forschungsansätze unterstützen soll. Ob das Projekt ein Vollstart an die Decke ist, wird sich zeigen müssen. Der im Juli vorgestellte Chef Rafael de Laguna kommt aus der Open-Source-Szene und schwärmte gleich einmal von einer humanistischen Antwort auf das Silicon Valley. Die Agentur mit Sitz im innovativen Leipzig wird als erstes Projekt den Bau von Analogrechnern fördern, weil sie besonders stromeffizient ist. Vielleicht wird Deutschland ja auf diesem Gebiet ein Weltmarktführer wie weiland mit der "Kritischen Theorie" von Theodor Adorno und Horkheimer. Von Theodor W. Adorno, der 1969 starb erschien ein Vortrag über die Aspekte des neuen Rechtsradikalismus, den er 1967 gehalten hatte. Zum Vortrag gab es im August ein sonntägliches Missing Link, das die Debatten auch im Heise-Forum ordentlich befeuerte und einen Rekord bei den gesperrten Beiträgen aufstellte.

Abseits der bereits erwähnten Klima-Proteste verärgerte im September zwei Entscheidungen zum Leistungsschutzrecht die europäischen Verlagsmanager, die gerne auf Melkziegen starren. Erst entschied der europäische Gerichtshof, dass das deutsche Leistungsschutzrecht nicht europaweit anwendbar ist, dann begann Google damit, die geldbringenden Snippets aus dem Angebot zu streichen.

Der Oktober 2019 wird deshalb in Erinnerung bleiben, weil in der Debatte um den weiteren Weg Deutschlands in dieser Digitalisierung der Antrag auf verpflichtende offene Standards und offene Schnittstellen abgelehnt wurde. Selten wurde die systembedingte Kurzsichtigkeit der Politik so deutlich vorgeführt, zumal fast gleichzeitig ein Digitalgipfel die ach so datensouveräne Wollmilch-Cloud Gaia X über den grünen Klee lobte. Dieses Projekt wird über die nächsten Jahre hinweg putzige Nachrichten liefern. Das gilt auch für die 2018 installiere Datenethikkommission, die erste Ergebnisse vorstellte. Sie warnte vor den Gefahren der Profilbildung und sprach sich für ein Verbot der De-Anonymisierung aus.

Kann man das noch toppen? Aber klar doch: Es gibt schließlich diese IT-Wirtschaft, die sich mit gequirltem Blödsinn über einen Generalverdacht gegen Algorithmen zu Worte meldete. Kann so ein unschuldiges Go-To-Statement eigentlich schlimm sein?

Im November beschäftigte die fleißigen Heise-Leserinnen und Leser vor allem eine Geschichte aus dem Jahre 2018, nämlich der wieder aufgearbeitete Fall der Ermordung einer Fußgängerin durch ein autonomes Auto. Das ist jetzt hart formuliert, aber die schlichte Wahrheit im Angesicht der abstrusen Debatten über eine künstliche Intelligenz, die entscheidet, wer vom Auto da auf dem Zebrastreifen getötet wird. Jeder ist mal dran. Nun ist der Dezember noch nicht vorüber und damit sind die Highlights schwer erkennbar. Der bereits erwähnte Gesetzesentwurf zur Herausgabe von Passwörtern gehört sicherlich dazu. Vielleicht knallt auch auf dem anstehenden Congress des Chaos Computer Clubs das eine oder andere Jahresend-Bömbchen.

Beim aktuell diskutierten Passwortgesetz gibt es im frisch anbrechenden 2020 sicher eine Wiedervorlage, ebenso bei der über das ganze Jahr hinweg diskutierten Digitalsteuer für Digitalkonzerne. Nur Frankreich hatte in diesem Jahr die Chuzpe, das Thema anzufassen. Damit kann man sich eigentlich auf das nächste große IT-Thema freuen, den anstehenden Brexit. Was da alles an IT-Lösungen für den geschmeidigen Warenverkehr erdacht und programmiert werden muss, wird den Newsticker sicher weit über 2020 mit Stoff versorgen. Wir sind halt immer dabei, wenn Fakten zu Fiktionen werden, in Erinnerung an die Geschichte von Liberty Valence. (jk)