"Digitale DNA": EU-Erklärung zu digitalen Rechten mit Schönheitsfehlern

Ein merkwürdiger "Höhepunkt der digitalen DNA": Die EU deklariert offiziell digitale Rechte und Grundsätze, aber mit Widersprüchen.

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Wehende EU-Fahne

(Bild: Svetlana Turchenick/Shutterstock.com)

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Die europäische Erklärung zu den digitalen Rechten und Grundsätzen steht. EU-Parlament, -Kommission und -Ministerrat haben sie am Donnerstag unterzeichnet. Die Erklärung soll sicherstellen, dass die Gemeinschaft ihre Ziele für digitalen Wandel im Einklang mit ihren Werten wie Offenheit, Transparenz, Souveränität, Datenschutz und Selbstbestimmtheit erreicht.

Vor allem die Menschen sollen laut der Deklaration im Mittelpunkt der digitalen Transformation stehen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU), die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, und der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala als Vertreter der Ratspräsidentschaft haben gemeinsam ihre Unterschriften unter das Dokument gesetzt.

Die im Rahmen der "digitalen Dekade" von der Kommission im Januar vorgeschlagene Erklärung fordert beispielsweise erschwingliche und schnelle Netzanbindung überall und für alle, gut ausgestattete Klassenzimmer und digital kompetente Lehrkräfte. Vorgesehen ist auch eine Garantie für ein sicheres digitales Umfeld für Kinder und die Möglichkeit, außerhalb der Arbeitszeiten nicht erreichbar zu sein.

Leicht verständliche Informationen über die Umweltauswirkungen digitaler Produkte sollen verfügbar und Kontrolle darüber möglich sein, wie personenbezogene Daten verwendet und an wen sie weitergegeben werden. Bürger und Unternehmen sollen nahtlosen Zugang zu öffentlichen Diensten im Internet haben. Bei einem früheren E-Government-Aktionsplan hat die Kommission bei der Umsetzung geschlampt. In Deutschland liegt noch vieles im Argen.

Allerdings ist die Deklaration in einigen Punkten widersprüchlich. So enthält sie die Auflage, "ein neutrales und offenes Internet zu schützen und zu fördern, in dem Inhalte, Dienste und Anwendungen nicht ungerechtfertigt gesperrt oder beeinträchtigt werden". Andererseits verpflichtet sich die EU, "angemessene Rahmenbedingungen zu schaffen, damit alle Marktteilnehmer, die vom digitalen Wandel profitieren, auch ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden und zum Vorteil aller in der EU lebenden Menschen einen fairen und verhältnismäßigen Beitrag zu den Kosten öffentlicher Güter, Dienstleistungen und Infrastrukturen leisten".

Diese umstrittene Klausel findet sich auch im jüngst final gebilligten Programm für die "digitale Dekade" wider. Sie greift die immer wieder neu vorgetragene Forderung großer europäische Netzbetreiber wie Deutsche Telekom, Orange, Telefónica und Vodafone sowie des Branchenverbands ETNO auf, dass insbesondere US-Plattformen wie Amazon, Apple, Google, Meta, Microsoft und Netflix Geld für den Ausbau der Telekommunikationsinfrastruktur zahlen sollen. An einer EU-Verordnung zur Big-Tech-Beteiligung strickt die Kommission tatsächlich, obwohl das Parlament die Netzneutralität gefährdet sieht.

"Jede Person hat das Recht auf die Vertraulichkeit ihrer Kommunikation und der Informationen in ihren elektronischen Geräten", lautet eine weitere Passage, "Niemand darf unrechtmäßiger Online-Überwachung, unrechtmäßiger allgegenwärtiger Nachverfolgung oder unrechtmäßigen Abhörmaßnahmen unterworfen werden." Wie dies mit der geplanten Chatkontrolle zusammenpasst, ist unklar. Der Versuch des Parlaments, Rechte auf Verschlüsselung und Anonymität sowie eine Absage an die Vorratsdatenspeicherung zu verankern, ist am Widerstand von Regierungen beziehungsweise der Kommission gescheitert.

Der EU-Abgeordnete Patrick Breyer (Piratenpartei) spricht daher von "merkwürdigen Formelkompromissen". Die Erklärung sei im Zweifel wenig mehr als schöne Worte. Die Brüsseler Regierungsinstitution hob dagegen hervor: Die Arbeit der EU an ihrer "digitalen DNA" habe mit der Unterzeichnung "ihren Höhepunkt erreicht".

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