Budget um 99 Prozent gekürzt: Kritik am deutschen Digital-Sparpaket

Die IT-Branche, Wirtschaftsweise und Landespolitiker sind sich einig: Die Haushaltspläne des Innenressorts gefährden Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit.

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blaues Sparschwein

(Bild: Dietmar Rabich CC BY-SA 4.0)

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Der Plan des Innenministeriums, das Budget für Online-Amtswege um 99 Prozent zu kürzen, stößt vielfach auf Unverständnis. Der eco-Verband der Internetwirtschaft sieht den Digitalstandort gefährdet. "Mit Knausern und Kürzungen wird es Deutschland definitiv nicht gelingen, den Rückstand bei der Digitalisierung aufzuholen", meint der eco-Vorstandsvorsitzende Oliver Süme. Nötig sei ein "nachhaltiges Signal in Richtung 'Vorfahrt für Digitalisierung'", da diese "für Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft immense Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen" biete. Bund, Länder und Kommunen hätten Vorbildfunktion.

Notwendige Ausgaben müssten "zielgerichtet und rasch" erfolgen, empfiehlt Süme. Dies gelte besonders für das Onlinezugangsgesetz (OZG) zur Entwicklung digitaler Angebote, die Registermodernisierung und digitale Identitäten als Hebel für staatliche Handlungsfähigkeit und Innovation. In allen drei Bereichen will das BMI massiv den Rotstift ansetzen. "Wer ausgerechnet bei der Digitalisierung spart, spart an der völlig falschen Stelle", betont auch Ralf Wintergerst, Präsident des IT-Verbands Bitkom, gegenüber der FAZ. Auf dem Spiel stünden "Investitionen in Deutschlands Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit".

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Das "kurzsichtige Handeln" werde den Rückfall Deutschlands im Vergleich zu anderen Staaten verstärken, kritisiert der Databund, der mittelständische IT-Dienstleister und Softwarehersteller für den öffentlichen Sektor vertritt. Die bisherigen, mit erheblichen Finanzmitteln hinterlegten Digitalisierungsbemühungen des Bundes seien leider weder nachhaltig noch effizient gewesen: "Geld digitalisiert keine Verwaltungsprozesse – nur Fach- und Sachverstand bringen die Digitalisierung tatsächlich zum Ziel." Deshalb müsse der Bund sich angesichts fehlender Budgets auf seine Kernaufgaben besinnen, darunter die Schaffung optimaler gesetzlicher Rahmenbedingungen, "unter denen die Wirtschaft Lösungen entwickelt und die Kommunen diese wirtschaftlich einsetzen können". Die rechtliche Lösung des Authentifizierungsproblems auch ohne Online-Ausweis wäre ein großer Schritt.

Das Innenressort habe hier "wirklich die falsche Entscheidung getroffen", bedauerte die Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Monika Schnitzer, im ZDF: "Das haben wir anders empfohlen." Der Staat solle Digitalisierung nutzen, um Verfahren in der Verwaltung zu beschleunigen. Irene Bertschek, Leiterin des Forschungsbereichs Digitale Ökonomie am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) bemängelt, dass die Bundesregierung der digitalen öffentlichen Verwaltung noch immer nicht die nötige Bedeutung zumesse.

In die OZG-Umsetzung, bei der um mehr als 99 Prozent gekürzt werden soll, ist bereits viel Geld geflossen. 2021 und 2022 standen dafür jeweils mehr als eine Milliarde Euro aus dem Corona-Konjunkturpaket zur Verfügung. Getan hat sich trotzdem wenig. Die Mittel wurden schon 2024 deutlich zurückgefahren, auf 377 Millionen Euro. Für 2024 sind überhaupt nur mehr 3,3 Millionen vorgesehen.

Das geplante OZG 2.0 sieht vor, dass sich künftig die einzelnen Ressorts um die Finanzierung ihrer einschlägigen E-Government-Leistungen kümmern. Proteste gibt es auch gegen die Reduktion des BMI-Budgets für den Ausbau der digitalen Souveränität von 48 Millionen auf 25 Millionen Euro. Den Chef der Kieler Staatskanzlei, Dirk Schrödter (CDU), stört, dass der Bund – statt auf Open Source zu setzen – "Rahmenverträge mit großen Technologieanbietern in Milliardenhöhe" abschließt.

(ds)