Drohende Auslieferung an USA: Assange muss auf Entscheidung warten

Über Julian Assanges Auslieferung an die USA hat das Gericht am Mittwoch keine Entscheidung getroffen. Der Wikileaks-Gründer muss weiter warten – im Gefängnis.

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Demonstration für Julian Assange (London, 5. Januar 2019)

(Bild: Londisland / shutterstock.com)

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Die Anhörung über die drohende Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange an die USA endete am Mittwoch ohne Entscheidung. Die Kammer des Londoner Gerichts will die am Dienstag und Mittwoch vorgetragenen Argumente beider Seiten eingehend prüfen, hieß es am Mittwochabend. Mit einer Entscheidung ist nicht vor März zu rechnen.

Die Kammer des High Court hat darüber zu entscheiden, ob der 52-jährige Australier noch einmal vor einem britischen Gericht gegen die beschlossene Auslieferung an die USA in Berufung gehen kann. Assange kämpft seit Jahren gegen seine drohende Auslieferung. Seit fast fünf Jahren wird er ohne ein Urteil im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh festgehalten.

Das US-Justizministerium will Assange wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen. Auf der von ihm mitgegründeten Plattform Wikileaks waren unter anderem Videos und Dokumente über amerikanische Kriegsverbrechen im Irak sowie später auch geheime CIA-Dokumente veröffentlicht worden. Die US-Justiz hat Anklage gegen Assange erhoben und betreibt seine Auslieferung.

Die Amerikaner werfen Assange den Verrat von Geheimnissen vor. Dabei wollen sie nicht gelten lassen, dass Assange unter dem Schutz des Presserechts steht: Weil er andere – wie etwa die Whistleblowerin Chelsea Manning – aktiv zum Verrat angestiftet haben soll, sei er Täter und kein Journalist. Mit der Veröffentlichung geheimer Dokumente habe Assange das Leben von US-Bürgern gefährdet.

Assanges Anwälte weisen die Vorwürfe zurück und werfen den USA die politische Verfolgung ihres Klienten vor. Sie fürchten, dass er in den USA kein faires Verfahren bekommt. Assanges Unterstützer verweisen zudem auf den schlechten Gesundheitszustand des 52-Jährigen. Assange sei nicht in der Verfassung gewesen, selbst an der Verhandlung teilzunehmen.

Assange droht in den USA eine lange Haftstrafe. Während sich die mögliche Maximalstrafe für alle Anklagepunkte auf insgesamt 175 Jahre summiert, dürfte eine tatsächliche Verurteilung niedriger ausfallen. Auch Manning, die den eigentlichen Geheimnisverrat mit der Weitergabe geheimer Dokumente an Wikileaks beging, stand unter einer Strafandrohung von insgesamt 136 Jahren. 2013 wurde Manning zu 35 Jahren Gefängnis verurteilt, 2017 aber von US-Präsident Barack Obama begnadigt. Insgesamt verbrachte sie sieben Jahre im Gefängnis.

Man teile das Rechtsverständnis der USA nicht, was die Pressefreiheit in dem konkreten Fall angehe, betonte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages, Konstantin von Notz (Grüne). Das habe auch Außenministerin Annalena Baerbock den Partnern in Großbritannien und den USA deutlich gemacht.

Öffentlich wollte sich die grüne Außenministerin, die sich im Wahlkampf 2021 noch für eine Freilassung Assange ausgesprochen hatte, bisher aber nicht klar positionieren. Auch die Bundesregierung hat sich stets hinter diplomatischen Klauseln versteckt. Immerhin weist eine Sprecherin des Außenamtes inzwischen auf "Diskrepanzen zwischen unserem Rechtsverständnis und dem Rechtsverständnis der Vereinigten Staaten von Amerika" hin.

Weltweit setzen sich Menschenrechtsorganisationen und Journalistenverbände für eine Freilassung Assanges ein. Vor dem Londoner Gerichtsgebäude Royal Courts of Justice forderten Demonstranten am Dienstag und Mittwoch erneut, Assange müsse freigelassen werden. Sie hielten Banner und Plakate mit Aufschriften wie "Free Assange" und "Journalismus ist kein Verbrechen" hoch. Auch in Berlin kam es zu Protesten vor der US-Botschaft.

Wann das Gericht eine Entscheidung verkündet, ist offen, aber vor März ist damit nicht zu rechnen. Sollte Assanges Antrag auf erneute Berufung abgelehnt werden, bliebe ihm noch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. In diesem Fall will sein Team laut seiner Frau Stella Assange umgehend einen Antrag auf einstweilige Verfügung stellen, um eine sofortige Auslieferung zu verhindern. Die britische Regierung könnte eine solche Anordnung aber ignorieren.

Unterdessen machen sich in Australien das Parlament und die Regierung dafür stark, dass Assange in sein Geburtsland zurückkehren kann. Das australische Parlament forderte in der vergangenen Woche die USA und Großbritannien auf, die Sache zu den Akten zu legen, damit Assange nach Hause zurückkehren kann. Dem schloss sich auch Premierminister Anthony Albanese an.

(vbr)