Gigabit-Symposium: Die Energiewende treibt die Migration zu Glasfaser

Kupferbasierte Vectoring-Anschlüsse verbrauchten viel mehr Strom als FTTH, hieß es beim Gigabit-Symposium. Das Breitband-Förderprogramm war massiv überzeichnet.

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(Bild: SHARKstock/Shutterstock.com)

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Um den Umstieg von kupferbasierten Breitbandnetzen auf Glasfaser voranzutreiben, muss die Politik nicht viel tun. Diese These stellte Hermann Rodler, Geschäftsführer Technik beim Münchner Provider M-net, am Donnerstag auf dem Gigabit-Symposium in Berlin auf. "Die Energiewende treibt die Migration", zeigte er sich sicher. "Das wird ganz schnell kommen."

Von der Forderung, Kupfernetze zwangsabzuschalten, hält Rodler daher nichts. M-net selbst habe heuer "zehn Prozent der Kunden auf Glas migriert". Eine Bandbreite von 100 MBit/s im Download über den VDSL-Turbo Vectoring habe einen 17-fach höheren Stromverbrauch als echte Glasfasernetze mit Fiber to the home (FTTH). Der Wechsel rechne sich daher allein über die Stromkosteneinsparung.

2020 ergab ein Gutachten von Kristof Obermann von der Technischen Hochschule Mittelhessen im Auftrag des Bundesverbands Breitbandkommunikation (Breko), dass FTTH "einen wichtigen Beitrag zu mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit" leiste. Bezogen auf die Bitrate verbrauchen kupferbasierte Netze bei einer angenommenen Auslastung von 50 bis 100 Prozent demnach "um das Drei- bis Siebzehnfache mehr Strom" als echte Glasfaser. Carsten Engelke, Technischer Direktor des Breitbandverbands Anga, zweifelte diese 2022 noch einmal prinzipiell bestätigten Zahlen gegenüber heise online aber als unausgegoren an.

Der etwa von beschränkten Tiefbaukapazitäten verursachte "Wild West" beim Ausrollen von Glasfaser wird Rodler zufolge ferner schlimmer, weil "die Solarkraftwerksbauer" die Telekommunikationsbranche mittlerweile bei den Preisofferten schon überböten. Erstere bräuchten neue lange Stromleitungen. Die Folge sei: "Die Tiefbauer gehen in die Erneuerbaren."

Eine Lanze brach der Technikexperte für das Open-Access-Modell, bei dem Betreiber Konkurrenten mit auf ihr Netz lassen. Dies sei durchaus ein Geschäft. In München kauften bei M-net drei von vier Mobilfunkern Dark Fiber, also eine unbelichtete "pure" Glasfaserstrecke ein. So komme Verkehr aufs Netz, auch wenn die Margen bei einer Eigenvermarktung größer seien. Im Zentrum der bayerischen Hauptstadt sei der Glasfaserausbau unter enormen Druck bis Ende 2021 weitgehend abgeschlossen worden. Dort würden aktuell Stromleitungen etwa für Ladestellen für Elektro-Autos gebaut, von 2026 an gehe es um Fernwärmeverbindungen, um die Gebäude an neue Geothermie-Kraftwerke anzuschließen.

Mit der Politik ins Gericht ging Rodler aufgrund der vielen Vorgaben insbesondere zum Verbraucherschutz, die mit der jüngsten großen Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) verknüpft sind. M-net habe für ein halbes Jahr die ganze Firma "nach links drehen" und alle anderen IT-Projekte stoppen müssen, um der "Staatsbürokratie" Genüge zu tun. Letztlich seien daraufhin bisher bei 500.000 Kunden 14 Anfragen auf Minderung herausgekommen.

Wilhelm Eschweiler, Vizepräsident der Bundesnetzagentur, bezeichnete die Reform dagegen als gelungen. Die Zahl der Verbraucherbeschwerden habe insgesamt zugenommen angesichts der neuen Rechte etwa auch auf "schnelles" Internet, was "Sinn der ganzen Übung" gewesen sei. 10 MBit/s im Download bei dem erweiterten Universaldienst "klingt überhaupt nicht sexy für eine Fortschrittskoalition", räumte Tabea Rößner, grüne Vorsitzende des Digitalausschusses des Bundestags ein. Es müsse zeitnah eine Studie geben, um zu klären, wie weit der Anspruch auf Mindestversorgung gehen könnte.

Vertreter der Branchenverbände Anga, Bitkom, Buglas, eco & VATM, die das Symposium ausrichteten, warben erneut dafür, dem eigenwirtschaftlichen Ausbau weiter Vorrang für dem staatlich geförderten einzuräumen. Momentan fließen in jedes achte Glasfaserprojekt Steuergelder. Den plötzlichen Stopp der Annahme von Anträgen für Förderungen erläuterte Gertrud Husch, Abteilungsleiterin im Bundesministerium für Digitales: Das Ressort sei "innerhalb einer Woche" im Oktober mit einem relativ großen Anteil von 500 Millionen Euro überzeichnet gewesen.

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Eigentlich hätten die Verantwortlichen damit gerechnet, dass das für 2022 vorgesehene Fördervolumen von insgesamt drei Milliarden Euro locker reiche, blickte Husch zurück. Doch dann seien die Kassen leer gewesen. "Wir können den Großteil der vorliegenden Anträge dieses Jahr noch abarbeiten", zeigte sie sich zuversichtlich. Im Januar werde das Ministerium dann eine neue Förderrichtlinie herausgeben. "Wir müssen priorisieren auf Basis einer Potenzialanalyse", kündigte sie dazu an. Diese soll aufzeigen, welche Gebiete für den eigenwirtschaftlichen Ausbau infrage kommen und wo der Einsatz von Steuergeldern zum Schließen weißer – sowie künftig auch grauer Flecken – sinnvoll sein könnte.