Musikindustrie vs. Napster: "Das Recht ist auf unserer Seite"

Die Musikindustrie wirft der MP3-Tauschbörse vor, die User zu illegalen Aktivitäten verleitet zu haben, um selbst ein Multi-Milliarden-Dollar-Geschäft aufbauen zu können.

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Von
  • Jürgen Kuri

"Tatsache ist – das Recht ist auf unserer Seite." So kommentierte Hilary Rosen, Chefin der RIAA, der Vereinigung der amerikanischen Plattenindustrie, die Antwort der Organisation auf die Verteidigungsschrift von Napster im Prozess um die Urheberrechtsverletzungen, die der MP3-Tauschbörse vorgeworfen werden. Die RIAA stützt sich voll auf die Position der Richterin Marilyn Hall Patel, die in einer einstweiligen Verfügung Ende Juli entschieden hatte, Napster müsse seine Server vom Netz nehmen, die der Verbreitung urheberrechtlich geschützer Werke dienen. Das Berufungsgericht hatte diese Verfügung erst einmal ausgesetzt, die Verhandlung über den Fall soll am 2. Oktober vor dem Berufungsgericht fortgesetzt werden.

"Wir klagen nicht gegen eine Technik", meinte Rosen. "Wir verklagen eine Firma, die unsere Arbeit, die ihr nicht gehört, stielt." Auch wenn vielen Beobachtern noch nicht so recht klar ist, welches Geschäftsmodell Napster überhaupt verfolgt – offizielle Äußerungen dazu gibt es von den Unternehmen nicht, obwohl Napster bereits mehrere Millionen an Investitionen von Venture-Capital-Gesellschaften bekommen hat – geht Rosen davon aus, dass Napster seine MP3-Tauschbörse letztendlich zu einem profitablen Geschäft machen will: "Sie kann nicht einfach ein Multi-Milliarden-Dollar-Geschäft auf dem Rücken anderer Leute und ihrer Arbeit aufbauen", kommtentierte sie die Ziele von Napster.

In dem Statement der RIAA, das die Organisation am späten Freitag Abend amerikanischer Ortszeit beim Gericht vorlegte und das am gestrigen Samstag veröffentlicht wurde, heißt es auch dementsprechend, seit seiner Gründung sei die Geschäftsstrategie von Napster gewesen, die Musik der Kläger zu benutzen, um die Musikindustrie zu unterminieren und zu übernehmen, beziehungsweise die Rolle der Musikindustrie bei der Vermarktung und Distribution von Musik zu übernehmen oder zumindest zu bedrohen. Die RIAA geht also davon aus, dass der zentrale Punkt der Auseinandersetzung zwischen Napster und Plattenlabels der Kampf um die Beherrschung neuer Distributionskanäle in den Zeiten des Internet und der daraus erzielbaren Gewinne sei. "Philosphische" Fragen zum Urheberrecht in der digitalen Welt interessieren die RIAA dabei nur am Rande und nur insofern, als sie die Position der Labels im Internet stärken. "Napster versuchte, eine enorme User-Basis aufzubauen und daraus Kapital zu schlagen, indem sie die Musik, die am populärsten ist, ohne Authorisierung oder Bezahlung verfügbar machten."

Die RIAA zitiert zum Beleg dieser Ansicht aus Dokumenten, mit denen ein Napster-Gründer die Ziele des Unternehmens beschreibe: "Die Nutzer werden verstehen, dass sie ihre Erfahrung im Internet verbessern können, indem sie Informationen über ihre Vorlieben weitergeben, ohne diese Informationen mit Namen, Adresse oder anderen Daten verbinden, die sie gefährden könnten (besonders, da sie illegal kopierte Musik austauschen)." Napster habe geplant, zumindest temporär mit der Musikinudstrie zu koexistieren und sie aber letztlich vollständig zu umgehen. Eine Verurteilung von Napster bedeute nun aber nicht, dass File-Sharing-Techniken im Internet verboten würde oder dass Napster seine Server endgültig vom Netz nehmen müsse, meint die RIAA. Die Verfügung von Richterin Patel verbiete keine Technik, sondern ein Geschäftsmodell, das ein existierendes System zum Dateiaustausch adaptiere, um das Gesetz in noch nie dagewesenem Ausmaß zu verletzen. Die Kläger hätten zudem verschiedene Modelle vorgestellt, wie Napster die Nutzung seiner Dienste auf Musik-Dateien beschränken könne, die für die Verteilung über solche File-Sharing-Mechanismen freigegeben seien oder dafür lizenziert wurden.

Rosen zeigt sich, wohl auch angesichts der Tatsache, dass sich inzwischen selbst die US-Regierung sowie offizielle Copyright- und Warenrechts-Behörden auf die Seite der RIAA geschlagen haben, zuversichtlich, dass der Prozess zugunsten der RIAA ausgeht: "Wir sind überzeugt, dass das Berufungsgericht den wohlüberlegten Feststellungen von Richterin Patel folgen wird." Inzwischen hat auch, ähnlich wie das US-Justizministerium zusammen mit dem Copyright Office und dem Patent and Trademark Office, die Business Software Alliance (BSA) einen Schriftsatz zur Unterstützung der gerichtlichen Entscheidungsfindung eingereicht, der den Ansichten der RIAA folgt. In der BSA sind unter anderem Microsoft, Adobe, Novell, Apple und Macromedia vertreten. Ebenfalls in einem Schreiben an das Gericht hatten sich zuvor schon verschiedene Organisationen der Elektronik- und Medienindustrie zwar nicht direkt für Napster ausgesprochen, aber zumindest erklärt, die Entscheidungen des obersten US-Bundesgerichts und die Bestimmungen des Audio Home Recording Act schlössen aus, Dienste wie Napster wegen Urheberrechtsverletzung zu verfolgen. Dieser Ansicht widersprachen die US-Behörden in ihrem Schreiben allerdings entschieden. (jk)