NetzDG: Verwaltungsgericht kippt BKA-Meldepflicht für soziale Netzwerke

Google und Facebook müssen zentrale Teile des novellierten Netzwerkdurchsetzungsgesetzes aufgrund von Konflikten mit dem EU-Recht nicht anwenden.

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(Bild: Wachiwit/Shutterstock.com)

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Das Verwaltungsgericht (VG) Köln hat am Dienstag entschieden, dass Google und die Facebook-Mutter Meta zentrale Vorschriften aus dem 2020 und 2021 überarbeiteten Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) nicht umsetzen müssen. Hauptsächlich geht es dabei um die neue Meldepflicht von Betreibern großer sozialer Netzwerke für strafrechtlich relevante Inhalte an das Bundeskriminalamt (BKA), die eigentlich seit Anfang Februar greifen sollte.

Mit dem Gesetz "zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität" führte der Bundestag 2020 die von Google und Meta angegriffene Pflicht für Betreiber großer sozialer Netzwerke in Paragraf 3a NetzDG ein, strafrechtlich relevante Inhalte wie Hassbeiträge, Terrorismuspropaganda oder Bedrohungen und Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs nicht mehr nur zu löschen, sondern unaufgefordert mit IP-Adresse und Portnummer an das BKA zu melden.

Die in Irland niedergelassenen Anbieter der sozialen Netzwerke YouTube (Google), Facebook und Instagram (beide Meta) beantragten mit ihren Eilanträgen jeweils, dass sie mehreren neu geschaffenen Pflichten des NetzDG nicht unterliegen dürften. Zur Begründung machten sie Verstöße gegen EU-Recht sowie gegen nationales Verfassungsrecht geltend.

Dem ist das Verwaltungsgericht am Dienstag teilweise gefolgt. Die Richter monierten, der Gesetzgeber habe bei der Einführung von Paragraf 3a NetzDG gegen das Herkunftslandprinzip der EU-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr verstoßen. Nach diesem Grundsatz richten sich die rechtlichen Anforderungen an einen in einem Mitgliedsstaat der EU niedergelassenen Anbieter elektronischer Dienste nach dem Recht seines Sitzstaates.

Der Bund kann sich laut dem Beschluss nicht auf Ausnahmen von diesem Prinzip berufen, da der Gesetzgeber das dafür vorgesehene Konsultations- und Informationsverfahren nicht durchgeführt habe. Zudem hätten die Voraussetzungen eines Dringlichkeitsverfahrens nicht vorgelegen. Zuvor hatte auch die EU-Kommission Bedenken geäußert.

Kritiker hatten bereits während des Gesetzgebungsverfahrens drauf hingewiesen, dass eine umfassende "Verdachtsdatenbank" in Form eines polizeilichen Zentralregisters beim BKA entstehe und von einem rechtsstaatlichen Dammbruch gesprochen. Die Meldevorgabe für Diensteanbieter führe unweigerlich dazu, dass massenhaft Bürgerdaten an das BKA weitergeleitet werden, beklagte auch der IT-Verband Bitkom. Dabei könnten die Unternehmen die Strafbarkeit der Nutzer gar nicht abschließend bewerten. Es würden systematisch Daten auf Verdacht gesammelt. Zu diesen Datenschutzbedenken äußerten sich die Richter im Eilverfahren nicht.

Mit Paragraf 4a NetzDG wird zudem das Bundesamt für Justiz (BfJ) als Instanz bestimmt, die über die Einhaltung der Vorschriften wachen soll. Auch dagegen richtete sich die Klage Googles. Diese Vorgabe verstößt laut den Kölner Richtern gegen die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, die auf Videosharing-Plattformen anwendbar sei. Diese statuiere den Grundsatz der rechtlichen und funktionellen Unabhängigkeit der zur Überwachung der Pflichtenerfüllung der Diensteanbieter zuständigen Medienbehörden. Da das BfJ dem Bundesjustizministerium unterstehe und von diesem Weisungen entgegennehme, könne von der geforderten Staatsferne keine Rede sein.

Die Anträge richteten sich auch gegen das sogenannte Gegenvorstellungsverfahren. Diese hatte der Bundestag im Juni 2021 mit der jüngsten NetzDG-Reform verabschiedet. Es soll bei unterschiedlichen Auffassungen zwischen einem Nutzer und dem Anbieter eines sozialen Netzwerks, ob gemeldete Inhalte gelöscht werden müssen, zum Einsatz kommen. Die Betreiber sind damit verpflichtet, auf Antrag eines Mitglieds ihre Entscheidungen zum Entfernen oder Beibehalten von Beiträgen – auch aufgrund ihrer Geschäftsbedingungen – zu überprüfen und das Ergebnis gegenüber dem Betroffenen "in jedem Einzelfall zu begründen".

Hier fehle es aber am Rechtsschutzbedürfnis, entschieden die Richter. Insoweit müssten sich Google und Meta auf den Rechtsschutz gegen etwaige aufsichtsbehördliche Verfügungen verweisen lassen. Die Vorschrift sei von der Befugnis der EU-Mitgliedstaaten zur Festlegung von Verfahren für die Entfernung einer Information oder die Zugangssperrung gedeckt. Auch ein Verstoß gegen die in der Grundrechte-Charta der EU gewährleistete unternehmerische Freiheit oder nationales Verfassungsrecht sei nicht gegeben.

Die gerichtlichen Beschlüsse (Az. 6 L 1277/21 und 6 L 1354/21) wirken nur zwischen den jeweiligen Verfahrensbeteiligten. Diese können noch Beschwerde dagegen einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheiden würde. Entscheidungen in den Hauptsacheverfahren stehen zudem noch aus. Beim VG Köln sind zum NetzDG weitere Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz von Twitter und TikTok anhängig. Wann in diesen Verfahren Beschlüsse folgen, ist noch offen. In der Sache dürften sie kaum anders ausfallen.

(olb)