Erdgas: Nord Stream 1 liefert wieder Gas

Die Nord Stream AG hat bestätigt, dass nun wieder Erdgas durch die Pipeline nach Deutschland fließt. Wie viel, ist bisher offen.

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(Bild: INSAGO / Shutterstock.com)

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Durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 fließt wieder Erdgas nach Deutschland. Das bestätigte ein Sprecher der Nord Stream AG der dpa. Die Mengen seien jedoch geringer als vor der Außerbetriebnahme der Pipeline wegen einer Wartung am 11. Juli.

Das Handelblatt berichtet, auf den Tag hochgerechnet ergäben sich bis zu 50 Millionen Kubikmeter Erdgas, die nach Deutschland kommen. Die Zeitung beruft sich dabei auf das Marktforschungsunternehmen ICIS. Damit wäre Nord Stream 1 zu 30 Prozent ausgelastet.

Vorläufigen Zahlen der Betreibergesellschaft zufolge waren für Donnerstag (21.07.2022) in etwa so große Gaslieferungen über die Ostsee-Pipeline angekündigt wie vor deren routinemäßiger Wartung – nämlich etwas weniger als 30 Millionen Kilowattstunden pro Stunde, also rund 700 Gigawattstunden pro Tag. Das geht aus vorläufigen Vorabinformationen hervor, die in der Nacht zum Donnerstag auf der Website der Nord Stream AG veröffentlicht wurden (Stand 4 Uhr).

Am Mittwochnachmittag hatte es zunächst unterschiedliche Angaben über die gelieferten Gasmengen gegeben. Zunächst hatte Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur, auf Twitter 800 Gigawattstunden genannt und dabei auf Anmeldungen bei Transportnetzbetreibern verwiesen. Das wäre einer höheren Auslastung als vor der Wartung gleichgekommen. Damit wäre die Pipeline aber auch immer noch zu weniger als 50 Prozent ausgelastet worden.

Später am Abend twitterte Müller, Gazprom habe die für Donnerstag angekündigte Gas-Liefermenge über Nord Stream 1 reduziert. Den Ankündigungen zufolge würden nun etwa 530 Gigawattstunden geliefert, twitterte Müller am Mittwochabend. Ihm zufolge wäre das eine etwa 30-prozentige Auslastung. Weitere Änderungen seien möglich. Vor der planmäßig am Donnerstag endenden Wartung der Pipeline war diese zu etwa 40 Prozent ausgelastet.

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Wir haben diese Passage sowohl am Mittwochabend als auch am Donnerstagmorgen umfassend geändert und ergänzt und an die aktuelle Entwicklung angepasst. Hierfür haben wir auch Material der Nachrichtenagentur DPA genommen.

Gascade ist verantwortlich für den Weitertransport russischen Gases im deutschen Fernnetz. Hierfür werden zwei Übergabepunkte in Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern betrieben, für die nach Angaben des Unternehmens sogenannte Nominierungen eingegangen sind. Diese Voranmeldungen sind nötig für die Wiederaufnahme des Betriebs. Allerdings kann es kurz vorher noch zu Änderungen kommen. Die Anmeldungen passen allerdings zu Aussagen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, der in Aussicht stellte, dass Gazprom seinen Verpflichtungen weiterhin nachkommen werde. Allerdings könnten Lieferungen reduziert werden. Die EU-Kommission rechnet indessen mit einem dauerhaften Lieferstopp.

Die Pipeline Nordstream 1 war wegen Wartungsarbeiten eineinhalb Wochen außer Betrieb. Die Bundesregierung befürchtet, dass Russland als Reaktion auf die westlichen Sanktionen die Gasversorgung einstellen oder drastisch reduzieren könnte. Deutschland errichtet deshalb unter anderem LNG-Terminals, um tiefkaltes Flüssigerdgas aus anderen Erdteilen zu importieren.

Über die Pipeline Nord Stream 1, die über gut 1200 Kilometer von Russland durch die Ostsee nach Lubmin in der Nähe von Greifswald verläuft, wurden 2021 etwa 59,2 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach Deutschland geliefert. Das ergibt grob gerechnet 590 Milliarden kWh. Insgesamt wurden laut BDEW in Deutschland 1003 Milliarden kWh Erdgas verbraucht. Momentan liefert Russland nach West- und Zentraleuropa noch Erdgas über eine Gasleitung, die durch die Ukraine verläuft.

Die tatsächliche Liefermenge wird sich höchstwahrscheinlich auf die Gaspreise und damit auch auf den Geldbeutel von Privatkunden auswirken. Weitere Drosselungen oder gar ein Lieferstopp würden die Gasknappheit auch mit Blick auf die kalte Jahreszeit verschärfen und das Auffüllen der Gasspeicher erschweren. Es gab Befürchtungen, Moskau könne den Gashahn auch nach der Wartung komplett zulassen und so die Energiekrise weiter verschärfen. Nach dem Angriff auf die Ukraine hatte der Westen Sanktionen gegen Russland verhängt und das überfallene Nachbarland mit Waffenlieferungen unterstützt. Russland wiederum drehte europäischen Ländern den Gashahn ganz oder teilweise zu.

Laut einem vom Bundeswirtschaftsministerium am Mittwoch vorgelegten Bericht ist der Anteil der russischen Gaslieferungen, der früher im Mittel bei 55 Prozent lag, bis Ende Juni 2022 auf 26 Prozent gesunken. Das liege am Unternehmen Gazprom, das im Juni die Gasflüsse über die Pipeline Nord Stream 1 unter dem "Vorwand von technischen Fragen" auf 40 Prozent reduziert habe. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die von Moskau angeführten technischen Gründe als vorgeschoben kritisiert.

Gazprom hatte die Lieferungen über Nord Stream 1 deutlich gedrosselt und dies mit dem Fehlen der Turbine begründet. Diese war für Reparaturarbeiten nach Kanada geschickt und wegen Sanktionen lange zurückgehalten worden. Zuletzt entschied Kanada dann aber auf Bitten Berlins, die Turbine doch an Deutschland zu übergeben. Unter Verweis auf die noch immer nicht erfolgte Rückgabe der Turbine warnte Putin zuletzt vor weiteren Drosselungen Ende Juli und einer drastisch reduzierten Durchlasskapazität.

Der russische Erdgaskonzern Gazprom hatte am Mittwochnachmittag via Twitter mitgeteilt, dass die Unterlagen für die Rückführung einer generalüberholten Turbine für die Pipeline weiterhin nicht eingetroffen seien. Das Gerät kommt in der Verdichterstation Portowaja auf russischer Seite zum Einsatz. Es ist strittig, ob das Turbinentriebwerb wirklich eine entscheidende Funktion für den Weiterbetrieb hat oder – wie von westlicher Seite zu hören ist – lediglich als Ersatz dient.

Gazprom bleibe "unter diesen Umständen" nichts anderes übrig, als Siemens wiederholt darum zu bitten, die Dokumente vorzulegen. Das Triebwerk sei zusammen mit nachfolgenden Generalüberholungen von anderen Triebwerken wichtig für eine sichere Funktion der Pipeline, heißt es.

(mki)