Opposition begrüßt EU-Verfahren gegen Telekommunikationsgesetz

Grüne, FDP und Herausforderer der Telekom wundern sich über die Verbohrtheit der Bundesregierung im Streit um Zugang zum VDSL-Netz. Die Telekom bekräftigte, sie wolle auch Konkurrenten das Netz "zu Marktpreisen" nutzen lassen.

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Vertreter der Grünen und der FDP im Bundestag sowie Herausforderer der Deutschen Telekom haben die vielfach angekündigte und nun erfolgte Einleitung eines Vertragsveletzungsverfahren gegen Deutschland wegen des Telekommunikationsgesetzes (TKG) begrüßt. Sie fordern ein unverzügliches Zurückrudern nach dem Erhalt des Mahnschreibens aus Brüssel. "Die große Koalition hat das neue TKG entgegen einhelliger Expertenmeinungen und selbst gegen die Bedenken des Wirtschaftsausschusses im Bundesrat durch das Parlament geboxt", wundert sich Hans-Joachim Otto, Vorsitzender der FDP-Kommission für Internet und Medien, über die Verbohrtheit von Schwarz-Rot. "Damit ist sie nun gegen die Wand gerannt und bekommt die Quittung der EU."

Die am Samstag in Kraft getretene Gesetzesnovelle schützt dem Liberalen zufolge "lediglich den Ex-Monopolisten im Telekommunikations-Infrastrukturmarkt vor Konkurrenz". Damit beginne die EU-Ratspräsidentschaft der Bundesregierung denkbar schlecht. Die Reputation Deutschlands und das Vertrauen in die "ordnungspolitische Vernunft" des größten EU-Mitglieds seien schwer beschädigt. Berlin müsse die Ermahnung aus Brüssel daher ernst nehmen und "auf einen ordnungspolitisch vernünftigen Kurs zurückzusteuern". Andernfalls drohten der hiesigen TK-Branche erhebliche Monopolisierungstendenzen und ein starker Rückgang von Wettbewerb und Innovation.

Für die medienpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Grietje Bettin, macht das Verfahren deutlich, "dass die Bundesregierung ihre Gesetze nicht einfach nach den Wünschen einzelner Unternehmen am europäischen Recht vorbei formulieren kann." Fehlender Wettbewerb im Breitband würde zu einer versteckten Form der Planwirtschaft führen. Verteuerte Preise für die Kundinnen und Kunden wären programmiert. Das verlangsame den Ausbau des Breitbandnetzes. Die vollmundigen Ankündigungen der Bundesregierung, Deutschland bei der Nutzung schneller Internetzugänge voranzubringen, würden durch das eigene Gesetz konterkariert. "Peinlich" sei es für die Regierung, den absehbaren Verstoß gegen das EU-Wettbewerbsrecht nicht vorab korrigiert zu haben.

"Völlig unverständlich" ist es auch für Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Verbandes für Telekommunikations- und Mehrwertdienste (VATM), weshalb Bundesregierung und Gesetzgeber ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof bewusst in Kauf nähmen. Mit dem Gesetz werde die Entscheidungsfreiheit des Regulierers in rechtlich unzulässiger Weise eingeschränkt und der Telekom staatlicher Investitionsschutz gewährt. Es sei aber klar gewesen, dass Brüssel deutsche Alleingänge zur Förderung vermeintlicher "nationaler Champions" und damit einhergehende Sonderregelungen nicht dulden würde. Die Folge ist für Grützner nun, "dass bis zur letztinstanzlichen Klärung des Rechtsstreits jahrelang eine massive Rechts- und Planungsunsicherheit im Markt vorherrschen wird".

Im neuen Paragraph 9a des "Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Vorschriften" werden "neue Märkte" für unbestimmte Zeit von der Vorabregulierung freigestellt. Die EU-Kommission sieht damit die Einführung von "Regulierungsferien" für die Telekom verknüpft. Die Brüsseler Behörde hat sich für ein Eilverfahren entschieden, sodass Deutschland nur eine Frist von 15 Tagen zur Beantwortung des förmlichen Mahnschreibens bleibt. Im federführenden Bundeswirtschaftsministerium hält man das TKG dagegen nach wie vor für EU-rechtskonform. Die Telekom wiederum erklärte, sie wolle ihr VDSL-Netz auch Wettbewerber zur Nutzung anbieten. "Das haben wir immer gesagt"», sagte ein Telekom-Sprecher gegenüber dpa. Dies werde aber zu Marktbedingungen erfolgen. Durch das Telekommunikationsgesetz hätten alle Marktteilnehmer die erforderliche Rechtssicherheit gerade für Großinvestitionen. Zur aktuellen Entwicklung auf der politischer Ebene wollte sich die Deutsche Telekom nicht äußern. Dies eine Angelegenheit zwischen Brüssel und Berlin, hieß es.

Bei einer Anhörung zur TKG-Änderung im Bundestag hatten Sachverständige im Oktober keine einheitliche Linie zu den Regulierungsferien gefunden. Während der Berliner Rechtsprofessor Christian Kirchner die Freistellung von der Zugangsregulierung bei "neuen Märkten" unter wirtschaftlichen und sogar auch europarechtlichen Gesichtspunkten für geboten hielt, lehnten der Münchner Wirtschaftsprofessor Arnold Picot und Karl-Heinz Neumann, Direktor des Wissenschaftlichen Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK), diesen Plan entschieden als innovationsfeindlich ab.

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(Stefan Krempl) / (jk)