Sony, Samyang, Streik und Sommerloch – die Fotonews der Woche 28/2023

Die Alpha 6700 ist schick, kompakt und teuer, Samyang und andere arbeiten an L-Mounts – von einem Sommerloch ist in der Fotobranche wenig zu spüren.

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Das Logo der L-Mount-Alliance, es zeigt das Bajonett in einer Schleife.

So unendlich, wie es das Logo der L-Mount-Alliance andeutet, wird der Streik in Hollywood hoffentlich nicht dauern.

(Bild: Leica)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Nico Ernst
Inhaltsverzeichnis

Räumen wir mal mit einem Missverständnis auf: Dem vom angeblich vorhandenen Sommerloch, das Journalisten dann mit wilden Geschichten über das Krokodil im Baggersee und ähnlichem Quatsch füllen. Das gibt es in der Realität schon lange nicht mehr. Ursprünglich wurde der Begriff geprägt, weil diese Nicht-Themen nötig waren, um in der Sommerpause des Bundestages die Spalten der Zeitungen zu füllen. Eben: Der Zeitungen, die feste Umfänge haben, und den Nachrichtensendungen im Fernsehen, die eine unveränderliche Länge haben.

Seit Medien vorwiegend digital sind, und sich eine Eilmeldung in Sekunden durch die sozialen Netzwerke verbreiten lässt, muss man nicht mehr krampfhaft nach Themen suchen. Es gibt immer etwas Relevantes zu berichten. Und auch die Produktzyklen in der Fotobranche orientieren sich schon lange nicht mehr an der Urlaubssaison und großen Messen allein. Auf den Markt kommen Produkte, wenn sie fertig sind und der Zeitpunkt hinsichtlich Konkurrenz und eigenem Angebot günstig erscheint.

Und bei der Alpha 6700 von Sony war es höchste Zeit für einen Nachfolger der 6600, die seit fast vier Jahren auf dem Markt ist. Sony hat hier deutlich mehr als nur Modellpflege betrieben – die 6700 könnte, was ausführliche Tests erst noch zeigen müssen, schlicht die beste spiegellose APS-C-Kamera werden. Das liegt vorrangig an dem von der A7R V übernommenen KI-Autofokus und den stark erweiterten Videofunktionen. In unserer Vorstellung der Kamera finden sich alle technischen Details, also lohnt sich hier ein Blick auf die Schwerpunkte.

Die liegen zum einen ganz klar beim Filmen: Das Display lässt sich nun auch an die Seite klappen, was bei beengten Platzverhältnissen ein großer Vorteil sein kann. Beispielsweise kann ein Interview geführt werden, während man neben, und nicht hinter der Kamera steht. Das ist der typische Blickwinkel für klassische Dokumentationen und TV-Beiträge. Direkt in die Kamera zu sprechen wurde erst mit YouTube und anderen Plattformen mit ihren neuen Formaten und Effekten (Stichwort: Jump-Cuts) populär. Ernsthaftes Filmemachen in einer sehr kompakten Kamera ermöglichen bei der Sony unter anderem das S-Cinetone-Farbformat sowie die Möglichkeit, eigene LUTs, also Farbtabellen, in die Kamera zu laden.

Zum anderen denkt Sony trotz des großen Displays auch an die Fotografen, welche die Kamera lieber vor dem Auge haben. Dazu gibt es, wie bei DSLRs weitestgehend Standard, auch ein Einstellrad an der Vorderseite und einen großen Puffer für Serienaufnahmen. Beides ist für Action- und Sportfotografie äußerst nützlich. Auch die „kleinen“ Kameras lassen sich inzwischen sehr professionell nutzen. Nur vom Formfaktor sollte man sich da schon lange nicht mehr blenden lassen, im Inneren kann mehr stecken, als das Plastikkleid vermuten lässt.

Das gilt leider auch beim Preis: Die äußerlich ähnliche Z30 von Nikon kostet derzeit nicht einmal ein Drittel von dem, was Sony für die 6700 aufruft. Gemessen an den UVPs zur Markteinführung hat Sony den Preis von der 6600 um rund 300 Euro für den Body auf jetzt 1.700 Euro für die 6700 gesteigert – das ist für eine kompakte APS-C-Kamera schon eine Ansage. Selbst Nikon rief 2016 für seine voll auf professionellen Einsatz getrimmte Spiegelreflex D500 nur 2.300 Euro auf. Der in einer früheren Kolumne bereits beschriebene Trend zu immer höheren Preisen für Kameras und Zubehör hält also auch bei Sony an. Immerhin sind die Preise für die Kits recht fair: Nur 100 Euro mehr sind für das 16-50mm-Objektiv gefragt, und für das 18–135 beträgt der Aufpreis 400 Euro.

Frech ist dagegen der Preis des mit der 6700 vorgestellten neuen Objektivs FE 70–200 mm F4 Macro G OSS II. Es kostet mit 2.000 Euro genauso viel wie aktuell die erste Version des 70–200 f/2.8 von Sony, also eine deutlich lichtstärkere Optik. Die ist aber größer und schwerer und hat weniger gute Makroeigenschaften. Beim Blick auf den direkten Vorgänger, also das 70–200 mm f/4.0 (ab 859,99 €) ohne die „II“ im Namen wird es dann richtig absurd: Es kostet derzeit um 1.100 Euro, also knapp die Hälfte. Man muss den Abbildungsmaßstab von 1:2 des neuen Modells wirklich wollen oder andere Gründe haben, um dafür das Doppelte auszugeben.

Für andere Bajonette als Sonys E-Mount könnte es bald mehr Vielfalt geben, denn in dieser Woche sind Samyang und Astrodesign der L-Mount-Alliance beigetreten. Insbesondere von Samyang ist da einiges zu erwarten, hat das Unternehmen doch etliche recht günstige Objektive im Programm, denen in Versionen für Canon und Nikon oft der Autofokus fehlt, genauer gesagt die Lizenz, den auch zu nutzen. Bald könnten die Samyang-Objektive also auch auf Kameras von Leica, Sigma, Panasonic und DJI stecken.

Weniger bekannt ist Astrodesign, das, anders als der Name vermuten lässt, nicht vorwiegend Produkte für Astrofotografie baut, sondern Kameras und etliches Zubehör für Film- und TV-Produktion. Spinnt man das weiter, dann könnten bald mit Leica entwickelte Linsen vor Astrodesign-Kameras sitzen oder vergleichsweise günstige Panasonic-Optiken. Es ist erst wenige Jahre her, dass Blackmagic den Webvideo- und Streaming-Markt mit neuartigen und recht günstigen Geräten aufgemischt hat. Vielleicht schafft die L-Allianz ja Ähnliches. Blackmagic war übrigens als weiterer Beitrittskandidat gehandelt worden, aber bisher wurde daraus offenbar nichts.

Mehr Kooperation gibt es auch zwischen der Wikipedia und Flickr. Bereits seit zehn Jahren gibt es die Möglichkeit, unter Lizenzen wie Creative Commons auf Flickr gestellte Bilder auch in der Wikipedia zugänglich zu machen. Bisher ist das für 5,4 Millionen Bilder gelungen, nun soll der Prozess technisch und rechtlich für Uploader einfacher werden. Das Tool dafür heißt „Flicky2Commons“. Die Bilder fließen damit in die Verwaltung der Wikimedia Commons ein.

Die beiden Partner wollen bis Ende 2023 daraus eine von ihnen selbst sogenannte „Flickypedia“ bauen, die sie unter anderem vor „License Washing“ schützen soll: Wenn sich die rechtlichen Bedingungen einer Lizenz einmal ändern, könnte das für Urheber und die Plattformen nämlich Folgen haben. Bisher ist die Flickypedia noch in der Planungsphase, Vorschläge sind willkommen. Die Vorstellung des Vorhabens enthält auch die Links zur Diskussions- und Projektseite.

Die dauerhafte Sicherung von Rechten, nicht nur für Bilder an sich, sondern auch das Recht am eigenen Bild, treibt derzeit auch ganz Hollywood um – natürlich mit Generative AI als Auslöser. Nicht nur die Autoren von Filmen und Serien, sondern nun auch die Schauspieler fürchten, durch KI ersetzt zu werden. Die „Likeness“ eines Menschen, wie der rechtliche Begriff für Wesen, Aussehen und Auftreten in den USA heißt, ist nämlich ganz unabhängig von der eigentlichen schauspielerischen Leistung schutzfähig.

Und was mit Texten und Fotos im Internet durch Großkonzerne und Start-ups schon passiert ist, sie ungefragt als Trainingsdaten zu verwenden, befürchten die Filmschaffenden nun auch für sich: Einen Tag arbeiten und dafür bezahlt werden, und daraus werden dann auf ewig neue Inhalte erstellt. Nach 11.500 Autoren sind jetzt auch 160.000 Schauspieler und andere Medienmenschen, vom Journalisten bis zur DJane im Streik. So ziemlich alle Arbeiten müssen jetzt eingestellt werden, weil viele Arbeitsverträge, Drehgenehmigungen und anderes von Gewerkschaftsregeln abhängen.

In den USA sind die Arbeitnehmervertretungen insbesondere im Mediengeschäft äußerst mächtig. Am Ende der hier verlinkten Artikels des Branchenmediums Variety ist eine Liste der Arbeiten, die Gewerkschaftsmitglieder nun nicht mehr aufführen dürfen – sie ist lang. Selbst Social-Media-Arbeit zur Promotion für Projekte ist nicht mehr gestattet. Da haben sich die großen Studios durch bisher kaum geregelte KI-Nutzung viel Ärger eingehandelt. Präsidentin der inzwischen dem Streik beigetretenen Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA ist übrigens Fran Drescher, die in ihrer Rolle als „Die Nanny“ ja einige Erfahrung damit gesammelt hat, große Medienmänner so lange anzuschreien, bis sie ganz klein werden.

(tho)