T-Aktie: Der lange Schatten eines Börsengangs

Vor dem Frankfurter Landgericht beginnt an diesem Dienstag einer der größten Schadensersatzprozesse in der deutschen Geschichte. Mehr als 14.000 T-Aktionäre fühlen sich von der Telekom und insbesondere ihrem damaligen Chef Ron Sommer verschaukelt.

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Von
  • Peter Lessmann
  • dpa

Über den früheren Telekom-Chef Ron Sommer spricht inzwischen längst keiner mehr. Gras scheint gewachsen über den Mann, der den T-Aktionären einst eine bombensichere Geldanlage versprach und mit seiner Expansionsstrategie den Konzern in die Verschuldung trieb. Doch die Telekom steht heute wieder glänzend da: Schulden reduziert, Konzern umgebaut und Kosten eingespart. Und doch könnte Sommer in den nächsten Wochen wieder in die Schlagzeilen geraten.

Vor dem Frankfurter Landgericht beginnt an diesem Dienstag einer der größten Schadensersatzprozesse in der deutschen Geschichte. Mehr als 14.000 T-Aktionäre fühlen sich von der Telekom und insbesondere ihrem damaligen Chef verschaukelt. Sie wollen ihr Geld zurück, das sie beim so genannten dritten Börsengang im Juni 2000 in T-Aktien investiert hatten. Heute ist die Investition nur weniger als ein Viertel von damals wert.

Der Vorstand habe den Anlegern verschwiegen, dass die 11.000 Immobilien falsch bewertet waren und eine milliardenschwere Akquisition in den USA (VoiceStream) kurz vor dem Abschluss stand, argumentieren die Kläger. Nichts davon habe das Börsenprospekt erwähnt -- auch nicht, dass die UMTS-Auktion nur zwei Monate später weitere Löcher in die Bilanz der Deutschen Telekom schlagen könnte.

Was war geschehen? Das Jahr 2000 war für die gesamte Telekom-Branche ein Ausnahmejahr. Die Euphorie an den Börsen erreichte ihren Siedepunkt. Der Aktienmarkt hatte sich zum Tummelfeld auch für kleine Anleger entwickelt: Schnelles Geldverdienen, ohne Risiko, lautete die Devise -- vor allem mit Telekommunikations- und Internetpapieren. Doch das erwies sich als Trugschluss. Denn schon bald begann die Stimmung zu drehen, die Blase platzte.

Zuvor war es dem Bund als Telekom-Großaktionär noch gelungen, beim so genannten dritten Börsengang Kasse zu machen. Für 66,50 Euro beziehungsweise 63,50 Euro für Frühzeichner hatte die staatseigene KfW Bankengruppe bei ihr geparkte Anteile des Bundes platziert. Erlös: 15 Milliarden Euro für Finanzminister Hans Eichel und kein einziger Cent für die Telekom. Auch wenn die T-Aktie kurzfristig noch einmal leicht zulegte, an der Börse ging die Fahrt längst in die andere Richtung.

Neue Ankündigungen aus der Konzernzentrale beschleunigten den Kursverfall: Der Kauf von VoiceStream (heute: T-Mobile US) für 50 Milliarden US-Dollar und weitere Milliarden-Ausgaben für UMTS-Lizenzen. Schließlich drückte eine Wertberichtigung des Immobilienbestandes von rund 3 Milliarden Euro Anfang 2001 den Kurs der Aktie weiter in den Keller und brachte das Fass zum Überlaufen.

Der Frust der Aktionäre über verpasste Chancen richtete sich vor allem gegen Vorstandschef Sommer und den Großaktionär Bund. Indes beteuerte die Telekom immer wieder, dass ihre Bücher zu keinem Zeitpunkt falsche Zahlen beinhalteten. Gutachten wurden erstellt, Wirtschaftsprüfer, Immobilienexperten und Professoren legten sich für den Bonner Riesen ins Zeug. "Die Telekom wird es darauf ankommen lassen und den Prozess bis zum Ende durchziehen", glaubt Marc Tüngler von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) in Düsseldorf.

Dazu bleibt dem Konzern auch keine Alternative: Eine gütliche Einigung mit den Klägern -- der Streitwert soll bei rund 100 Millionen Euro liegen -- käme einem Schuldeingeständnis gleich. Außerdem würde ein Vergleich die übrigen Anteilseigner verprellen, und die halten immerhin mehr als 99 Prozent der T-Aktien.

Was die Börse über den Ausgang des Prozesses in Frankfurt denkt, ist an der Notierung der T-Aktie abzulesen. "Dieses Verfahren ist längst im Kurs eingepreist und ein Nebenkriegsschauplatz", sagt Tüngler und verweist auf einen ganz anderen Zusammenhang. Das eigentliche Damoklesschwert, das über dem Kurs der T-Aktie schwebt, sei vielmehr das Aktienpaket des Bundes. Und der will sich bekanntlich wegen der klammen Haushaltslage schon bald davon trennen. (Peter Lessmann, dpa) / (anw)