T-Aktie: Größter Wirtschaftsprozess beginnt am Dienstag

14.000 enttäuschte Anleger werden von mehr als 750 Anwälten vertreten, die Schriftsätze werden mitunter von Lastwagen zum Gericht gefahren. Der addierte Streitwert der Schadensersatzklagen liegt bei geschätzten 100 Millionen Euro.

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Von
  • Christian Ebner
  • dpa

Es ist ein Prozess der Superlative, der am Dienstag vor dem Frankfurter Landgericht beginnt. Mehr als 14.000 enttäuschte Anleger haben die Deutsche Telekom AG am Börsenplatz auf Schadensersatz verklagt, weil sie sich von den Versprechungen beim zweiten und dritten Börsengang des Telekommunikationskonzerns getäuscht fühlen. Sie werden von mehr als 750 Anwälten vertreten, die Schriftsätze werden mitunter von Lastwagen zum Gericht gefahren. Der addierte Streitwert der Schadensersatzklagen liegt bei geschätzten 100 Millionen Euro.

Im Zentrum des Klage-Hurrikans steht der Handelsrichter Meinrad Wösthoff, Vorsitzender Richter der 7. Kammer für Handelssachen. Der 46-Jährige hat sich dafür entschieden, zunächst zehn Pilotverfahren eingehender zu behandeln. In ihnen, so sagt Gerichtssprecher Stefan Möller, sind alle rechtlich relevanten Fragen enthalten. Zentrale Punkte in den meisten Klagen sind die angeblich weit überhöhte Bewertung der Telekom-Immobilien und die zum dritten Börsengang schon weit vorangeschrittene Milliarden-Akquisition des US-Mobilfunk-Unternehmens Voicestream.

Außerdem sind in den Musterverfahren alle denkbaren Beklagten vertreten: Neben der Telekom sind das die Bundesrepublik Deutschland, deren KfW-Bankengruppe, die Deutsche Bank als Konsortialbank und in einigen wenigen Fällen auch der frühere Telekom-Vorstandsvorsitzende Ron Sommer persönlich. Wegen des großen Medieninteresses findet die Verhandlung im Saal 165 C statt, dem größten, den Hessens Justiz zu bieten hat.

Die Haltung der Telekom war bislang kompromisslos: Die Bewertung der Immobilien sei fehlerlos gewesen, der Kursrutsch der T-Aktie an der Börse von externen Faktoren bestimmt. Mit einem Vergleich rechnet daher niemand. "Wir richten uns auf eine knallharte Auseinandersetzung mit allen Möglichkeiten der Zivilprozessordnung ein", sagt der Kläger-Anwalt Peter Gundermann von der Kanzlei Tilp.

Von Richter Wösthoff erwartet sich das Anwaltsheer beider Seiten am Dienstag klare Hinweise, wie der weitere Prozess laufen soll. Heißester Punkt ist die Beweisaufnahme zum Wert der Immobilien, die ohne ein kostspieliges Gutachten kaum möglich scheint. Nach Meinung des Anwalts Klaus Rotter könnte dafür aber auch auf Erkenntnisse der Bonner Staatsanwaltschaft zurückgegriffen werden, die seit Jahren strafrechtlich gegen die Telekom ermittelt. Für die Muster-Kläger ist zudem die Frage wichtig, ob die anfallenden Kosten auf sämtliche Kläger verteilt werden können oder sie das Risiko alleine tragen.

Das deutsche Prozessrecht ist nach Ansicht von Experten auf derartige Verfahren nicht eingerichtet. Sammelklagen wie in den USA sind nicht möglich, jeder einzelne Anleger muss daher seine Ansprüche alleine oder in kleinen Gruppen durchfechten. Die sich daraus ergebende Bürokratie hat die Verwaltung des Landgerichts Frankfurt an den Rand des Kollaps gebracht. Zwei Justizangestellte sind seit Jahren mit nichts anderem beschäftigt, als die immer noch einlaufenden Telekom-Klagen zu verwalten: Aktenzeichen müssen vergeben werden, Fristen gesetzt, Eingänge bestätigt.

Dass die Klageflut nach Frankfurt immer noch anhält, liegt an einem rechtlichen Zwischenschritt, mit dem sich noch einmal gut 15.000 T-Aktionäre im Mai 2003 vor einer Verjährung ihrer Ansprüche gerettet haben. Sie stellten einen Güteantrag bei der Öffentlichen Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle (ÖRA) Hamburg. Da die Telekom die Güteverhandlungen mit ihrer harten Haltung stets platzen lässt, kommen immer wieder neue Klagen zum Landgericht, wenn auch längst nicht so viele wie ursprünglich angenommen. "Es tröpfelt etwas", sagt Gerichtssprecher Möller ohne größeres Bedauern. (Christian Ebner, dpa) / (anw)