Toshiba stellt Börsenhandel ein

Nach fast 75 Jahren sind Toshiba-Aktien vom Börsenparkett verschwunden. Damit scheiden auch ausländische Aktionäre aus.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 107 Kommentare lesen
Toshiba-Schriftzug auf Gebäudedach im Gegenlicht
Lesezeit: 4 Min.

Toshiba ist nicht länger börsennotiert. Am Mittwoch wurden die Aktien von der Tokioter Börse genommen, ab Freitag hat Toshiba auch formell einen neuen Eigentümer: TBJH, eine Tochter des Tokioter Finanzinvestors Japan Investment Partners (JIP). Hintergrund ist eine jahrelange Krise des einst dominanten Technik-Konzerns.

Bereits im April 2021 hat Toshibas Management öffentlich ventiliert, ein Delisting von der Börse in Erwägung zu ziehen. Im Juni 2022 lagen acht Übernahmeangebote für Toshiba vor, JIP erhielt den Zuschlag. Zur Umsetzung war eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Aktien erforderlich. Tatsächlich wurden fast 79 Prozent der Anteile eingereicht. Damit war das Ende Toshibas als öffentlich gehandelter Konzern besiegelt. Die Zahl der Aktien sinkt von über 432 Millionen auf vier Stück. Die Managementstruktur wird reformiert, doch CEO Taro Shimada soll weiterdienen. Wer seine Aktien noch nicht an JIP verkauft hat, wird in japanischen Yen abgegolten, ob er möchte oder nicht ("squeeze out").

Die heutige Toshiba ist 1939 durch die Fusion der Firmen Tokyo Denki und Shibaura Seisakusho zu Tokyo Shibaura Denki entstanden. Daraus entstand bald die Kurzbezeichnung Toshiba, ab 1978 auch offizieller Firmenname. Über die Gründungsfirmen kann Toshiba seine Geschichte auf das Jahr 1875 zurückverfolgen. Ab Mai 1949 war Toshiba an der Börse in Tokio gelistet.

Die Übernahme ist unter anderem eine Reaktion auf eine Aktionärs-Revolte bei Toshiba. Im Juni 2021 wurde Toshiba-Verwaltungsratsvorsitzender Osamu Nagayama überraschend abgesetzt. So etwas ist in Japan ungebührlich. Doch ausländische Aktionäre fügten sich nicht so, wie man das in Japan gewohnt ist. Die Absetzung erfolgte nicht von ungefähr, Toshiba saß schon länger auf einem absteigenden Ast.

2015 kam heraus, dass das japanische Unternehmen sieben Jahre lang seine Gewinne geschönt hatte, was eine empfindliche Strafe zur Folge hatte. 2016 folgten Milliardenabschreibungen, weil Toshiba feststellen musste, dass die damalige US-Tochter Westinghouse Electric so hohe Verbindlichkeiten hatte, dass die Beteiligung womöglich negativen Werts sei. Westinghouse errichtet Atomkraftwerke. 2017 ging Westinghouse pleite, was Toshiba weitere Milliarden kostete.

Toshiba brauchte Geld und fand auch mehr als fünf Milliarden US-Dollar – bei ausländischen Investoren. Diese sollten in der Folge auf ihre Rechte als Miteigentümer pochen. Doch das Unternehmen brauchte noch mehr Geld und musste Konzernteile verkaufen. Das Notebook-Geschäft Toshibas ging an Sharp, die Medizingeräte-Sparte an Canon Medical Systems, die Weißgeräte an die chinesische Midea Group, und die Abteilung für VoIP-Telefone musste zusperren. Ein kanadischer Finanzinvestor kaufte Westinghouse um einen Dollar. Besonders schmerzhaft dürfte die Abspaltung von Toshiba Memory gewesen sein, die als Erfinder von Flash-Speicher gilt und heute SSD-Speicher baut. Diese Firma heißt inzwischen Kioxia Memory und gehört mehrheitlich dem US-Finanzinvestor Bain Capital.

2020 kamen bei Toshiba weitere Buchhaltungsprobleme ans Licht.Ausländische Aktionäre forderten Veränderungen an der Konzernspitze – in Japan ein Affront. Das Management suchte Hilfe; doch nicht bei Beratern, sondern beim japanischen Handelsministerium. Gemeinsam wollte man die renitenten Ausländer "verprügeln". Zunächst gelang den Japanern, die Abwahl von Toshiba-CEO Nobuaki Kurumatani zu verhindern. Er wurde 2020 im Amt bestätigt, allerdings mit weniger als 60 Prozent der Stimmen. Selbst bei der Stimmenauszählung unterliefen Fehler, die zwar am Wahlausgang nicht rüttelten, aber peinlich waren.

Die unzufriedenen Aktionäre konnten immerhin eine unabhängige Untersuchung durchsetzen, die die unlauteren Machenschaften des Managements und der Regierung aufdeckten. Kurumatani trat noch vor Abschluss des Berichts zurück. Nach Veröffentlichung des Berichts kam es endgültig zu der erwähnten Revolte der Aktionäre: Sie entthronten Verwaltungsratsvorsitzenden Nagayama. Solche Kalamitäten wollen japanische Manager und die Regierung tunlichst vermeiden. Fortan ist Toshiba nicht mehr börsennotiert und unter rein japanischer Kontrolle.

(ds)