Twitter v. Musk: Eiliges Gerichtsverfahren schon im Oktober

Erster Erfolg für Twitter: Das Gericht in Delaware tritt Elon Musks Wunsch, erst 2023 über den Kauf Twitters zu verhandeln, nicht näher. Denn die Zeit drängt.

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Elon Musks Konterfei auf einem Handybildschirm, im Hintergrund das Twitter-Logo

(Bild: Shutterstock)

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Elon Musk und Twitter sehen einander bereits im Oktober vor Gericht, dem Delaware Court of Chancery. Dann soll entschieden werden, ob Musk seinen Vertrag zum Kauf Twitters für 46,5 Milliarden Dollar einhalten muss. Diese Entscheidung der zuständigen Richterin, Chancellor Kathaleen St. Jude McCormick, vom Dienstag ist ein erster Teilerfolg für Twitter und ein Rückschlag für Musk. "(Sie) unterschätzen die Fähigkeit dieses Gerichts, (…) komplexe Verfahren schnell abzuwickeln", sagte McCormick zu Musks Anwälten.

Musk hatte sich gegen ein beschleunigtes Gerichtsverfahren gewehrt und versucht, den Prozess in die zweite Februarhälfte 2023 zu schieben – weit nach dem vertraglich vereinbarten Kaufdatum, spätestens zum 24. Oktober. Twitter bezeichnete das als bewusste Hinhaltetaktik, eine so späte Entscheidung schade dem Unternehmen.

Es drängte auf einen viertägigen Prozess im September und verwies unter anderem darauf, dass Musk öffentlich Pläne ventiliert hat, einen Twitter-Konkurrenten zu gründen. Die internen Daten Twitters, die im Rahmen des Kaufvertrages erhalten habe, könnten einem Konkurrenten helfen. Daher sei es besonders wichtig, Musk zur raschen Einhaltung seines Kaufvertrages zu verpflichten.

Der von Musk vorgeschlagene Zeitplan sei dazu gedacht, die Sache bis Ende April hinauszuzögern. Musks Financiers stehen ihm nur bis 25. April 2023 im Wort. Danach könnte er unter Verweis auf fehlendes Geld den Kaufvertrag tatsächlich loswerden. Die Zeit läuft also für Musk und gegen Twitter.

Musk hat sich Ende April überraschend zum Kauf Twitters verpflichtet, ohne die im Vorfeld üblichen Prüfungen der Firma ("due diligence") durchzuführen. Der Kaufpreis von 54,20 US-Dollar je Twitter-Aktie bedeutet Gesamtkosten von zirka 46,5 Milliarden Dollar. Doch nach hastigem Abschluss des Vertrags hat der Multimilliardär die Lust an dem Kauf verloren. Zunächst versuchte Musk, den Kaufpreis für Twitter zu drücken. In erster Linie beschuldigte er Twitter, inkorrekte Statistiken über unechte Profile und Spam zu verbreiten.

Am 8. Juli hat Musk schließlich versucht, vom Twitter-Kaufvertrag zurückzutreten. Doch Twitter meint, das sei Vertragsbruch, da es alle Forderungen Musks vertragsgemäß erfüllt habe. Am 12. Juli hat Twitter Musk in Delaware verklagt und fordert dabei den gesamten Kaufpreis. Die Möglichkeit, die tatsächliche Übernahme zu erzwingen, anstatt nur Schadenersatz zu erlangen, haben die Parteien ausdrücklich im Kaufvertrag vereinbart.

Die von Musk vorgebrachten Argumente, insbesondere zur Berechnung des Anteils des Spammer unter der mDAU-Statistik (mit Werbung adressierbare tägliche Nutzer unter Ausklammerung bereits als Spammer und Bots erkannter Konten, Anmerkung), sind aus Twitters Sicht vorgeschoben: Selbst wenn Twitters Statistik wie vom Beklagten behauptet falsch wäre, rüttele das nicht am Kaufvertrag. Das Unternehmen habe keinen bestimmten Spam-Anteil zugesichert; Musk hätte sich vor Vertragsabschluss im Rahmen einer Due Diligence schlaumachen können, worauf er aber bewusst verzichtet hat.

Jede weitere Stunde Ungewissheit über Twitters Zukunft schade dem Unternehmen, meinen die Anwälte. Das sieht auch die Richterin so: "Diese Bedenken sind offen sichtbar im vorliegenden Fall", sagte sie in der Terminverhandlung, "Je länger eine Übernahme in Schwebe bleibt, umso größer ist typischerweise die Wolke der Ungewissheit, die über der Firma schwebt, und umso größer ist das Risiko nicht wiedergutzumachender Schäden für die Verkäufer." Der exakte Termin für die Gerichtssaalphase im Oktober hängt noch von im Vorfeld zu erledigenden Verfahrensschritten ab und wird in den nächsten Tagen vom Büro der Richterin und den Anwälten beider Streitparteien ermittelt.

Das Verfahren heißt Twitter v. Elon Musk und ist am Delaware Court of Chancery unter dem Az. 22-0613 anhängig. Die Terminverhandlung vom Dienstag wurde online abgehalten, da Richterin McCormick an Covid19 erkrankt ist. Sie ist die erste weibliche Chancellor des Delaware Court of Chancery. Das Gericht weist mehrere Besonderheiten auf, die es für Konzerne besonders beliebt macht: Es entscheidet in aller Regel ohne Geschworene, was Verfahren enorm beschleunigt. Außerdem orientiert es sich ausdrücklich stärker an Gerechtigkeitserwägungen und weniger an geschriebenem Recht, als die meisten anderen US-Gerichte.

(ds)