Was NFT-Tokens sind und was man damit auch jenseits des Hypes anfangen kann

Seite 4: Mehr als l‘art pour l‘art

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Diese zusätzlichen Metadaten eines NFTs können einen Mehrwert schaffen, indem sie beispielsweise die Herkunft der Vermögenswerte zweifelsfrei dokumentieren. Die Möglichkeit, die Herkunft von Vermögenswerten zu verfolgen, kann bei Kunstwerken und anderen Sammelobjekten, aber auch entlang der Lieferkette von Waren und Dienstleistungen sehr wertvoll sein. In den vergangenen Jahren wurde eine Vielzahl von Token-Standards entwickelt, die das Programmieren einzigartiger Attribute und anderen komplexen Token-Arten vereinfacht haben – das nicht nur im Ethereum-Netzwerk, sondern auch in anderen Systemen

Die aktuellen Tokenstandards bieten also zahlreiche Möglichkeiten. Nicht-fungible Tokens können nicht nur für Sammelobjekte in der Kunstwelt oder Kryptokatzenspiele eingesetzt werden. Sie können auch Führerscheine, Ausweise, Identitäten, Testamente, Versicherungen und vieles mehr darstellen. Schauen wir uns mal einige Beispiele an, die mehr als das l‘art pour l‘art von Memetokens bieten.

Krypto-Sammlerstücke und Kryptospiele erlauben den Besitz einzigartiger digitaler Objekte, die auch für Computerspiele relevant sein können, um digitale Werte, sogenannte In-game-Objekte, zu verwalten. Aber auch Urheberrechte an digitalen Inhalten wie Texten, Musik oder Videos sind über NFTs verwaltbar. Ein Beispiel hierfür ist die Plattform Pictosis. Aber auch die Urheberrechte beziehungsweise Provenienz von wissenschaftlichen Arbeiten könnte über NFTs verwaltet werden, was unter anderem das Zitieren aus solchen Arbeiten und das Rechtemanagement bei Co-Autorenschaft vereinfachen könnte.

NFTs bieten einen digitalen Repräsentanten für analoge Anlagewerte wie zum Beispiel Immobilien oder Wertpapiere. Sie ermöglichen ein leichteres Management von Miteigentumsrechten an Sachwerte, die nicht teilbar sind, ohne an Wert zu verlieren. Um ein Grundstück beispielsweise zu tokenisieren, kann mittels Smart Contracts ein nicht-fungibles Token erzeugt und diesem Grundstück zugewiesen werden.

Das Eigentumsrecht an diesem Grundstück und der dazugehörige digitale Repräsentant (Token) kann aufgesplittet und an mehrere Miteigentümer verkauft werden. Die tokenisierten Miteigentumsrechte können liquidiert werden, ohne die Kontrolle am Objekt abzugeben. Der Eigentümer eines Gemäldes könnte Anteile am Kunstwerk mittels anteiliger Tokens am Kunstwerk verkaufen, die physische Kontrolle über das Kunstwerk aber weiterhin behalten.

NFTs könnten so programmiert sein, dass sie unterschiedlichen Token-Inhabern unterschiedliche Rechte und Kontrolloptionen über das Objekt gewähren. Ein Museum könnte es der Öffentlichkeit ermöglichen, Anteile an seiner Kunstsammlung zu erwerben, um Geld für den Kauf eines neuen Stücks zu erhalten. In diesem Fall würde ein Museum die Kontrolle über die einzelnen Kunstwerke nicht abgeben, den Token-Inhabern aber etwa privilegierte Zugangsrechte zu dem betreffenden Kunstwerk anbieten.

Nicht-fungible Tokens können auch alles darstellen, was eine Person, Organisation oder Objekt in einem Internet der Dinge eindeutig repräsentiert. Beispiele hierfür sind Schulzeugnisse, Universitätsabschlüsse, Softwarelizenzen, sowie Mitgliedschaften, die an die Existenz einer einzelnen Person gebunden sind – oder auch zertifizierte Daten, die von einem IoT-Gerät kommen.

Ein Diplom könnte – wenn auf einer Blockchain attestiert – von Behörden auf der ganzen Welt anerkannt werden, ohne dass es übersetzt, beglaubigt oder abermals verifiziert werden müsste. Zertifizierte Daten aus einem IoT-Gerät, das mit einem "Crypto Accelerator" ausgestattet ist (einer Blockchain-Wallet) können auch auf ihre Authentizität zertifiziert werden.

Mit NFTs können auch Schlüssel und andere Zugangsberechtigungen programmiert werden. Diese Zugangsrechte können an eine bestimmte Person oder ein bestimmtes Ereignis gebunden sein. Digitale Schlüssel, die den Zugang zu physischen Objekten ermöglichen, können jetzt auch mit nicht-fungiblen Blockchain-Tokens verwaltet werden. Web3-basierte, nutzerzentrierte Identitätsstandards wie DIDs oder KERI sind hier eine wichtige Komponente.

Wenn heute jemand stirbt, wird das Erbe des Verstorbenen, das sich oftmals auf mehrere im Testament genannte Personen aufteilt, von einem bürokratischen und zeitaufwendigen und papierbasierten Erbschaftsprozess begleitet. Tokens, die Teil-Eigentumsrechte auf ein physisches Gut repräsentieren, könnten in Kombination mit mehreren Smart Contracts, die die Funktionen von Testamenten widerspiegeln, im Erbfall bei der Rechteverwaltung viele Prozesse vereinfachen.

Klingt alles wie Zukunftsmusik? Ist es ja auch noch. Wir befinden uns in einer sehr frühen Phase, in der erst langsam die Potenziale einer Token-Ökonomie entdeckt werden. Token sind für das Web3 wie Webseiten im Web1. Blockchain-Netzwerke wie Ethereum haben es technisch einfach gemacht, Tokens mit wenigen Programmzeiten auszugeben, ohne ein eigenes Backend und Security-System aufbauen zu müssen.

Aber es gibt noch viele Hürden zu bewältigen, bis viele dieser oben genannten Anwendungsfälle umsetzbar werden oder skalieren können. Und selbst wenn sie technisch bereits umsetzbar sind, so hängt ihre Machbarkeit natürlich von einem entsprechenden Rechtsrahmen ab. Ein digitales Eigentumsrecht etwa, das nicht amtlich anerkannt ist, hat wenig Wert.

Zu erwähnen ist auch die Herausforderung bei der Skalierungsfähigkeit öffentlicher Blockchain-Netzwerke wie Ethereum. Derzeit wird das Netzwerk von hohen Transaktionsgebühren geplagt und sorgt für einen wenig nachhaltigen CO2-Fußabdruck pro Transaktion. Hier ist aber zu bedenken, dass NFTs auch auf anderen, effektiveren Systemen herausgegeben und verwaltet werden können. Auch fehlen uns noch Multi-Token-fähige Wallet-Anwendungen und die Einführung von nutzerzentrierten Identitätssystemen und anderen Komponenten im Web3, um notwendige Netzwerkeffekte in den Markt zu bringen.

Und vor allem gibt es auch noch viel zu wenige Best Practices für komplexere Token-Anwendungsfälle. Es wird noch einige Zeit dauern, bis wir herausfinden, was wir mit Tokens generell und mit NFTs im Speziellen sinnvollerweise machen können. Die Kunstwelt ist da vielleicht die Avantgarde für spätere Anwendungen mit breiter anerkanntem Nutzen. Die Zukunft, sie bleibt in jedem Fall spannend.

(axk)