Widerstand von FDP & Co.: EU-Lieferkettengesetz steht vor dem Aus​

Das Vorhaben, wonach Konzerne keine Gewinne mehr mit Kinder- oder Zwangsarbeit sowie Umweltzerstörung machen dürften, fand im EU-Rat wieder keine Mehrheit.​

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(Bild: cybrain/Shutterstock.com)

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Das geplante EU-Lieferkettengesetz, auf das sich Verhandlungsführer der Gesetzgebungsgremien im Dezember grundsätzlich verständigt hatten, fand im Ministerrat zum zweiten Mal nicht die erforderliche Mehrheit. Trotz Bemühungen der Präsidentschaft rund um den "finalen Kompromiss" habe man die nötige Unterstützung nicht erreicht, teilte der belgische Vorsitz des Gremiums der Regierungsvertreter der Mitgliedsstaaten am Mittwoch mit. "Wir müssen nun den Stand der Dinge prüfen." Dabei gelte es auszuloten, ob es möglich sei, die von einzelnen Ländern vorgebrachten Bedenken in Absprache mit dem EU-Parlament auszuräumen.

Die Lieferkettenrichtlinie "wird in dieser Form nicht kommen", erklärte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) in Folge auf X. "Mehr als die Hälfte der Mitgliedsstaaten hat dem Entwurf nicht zugestimmt, auch etwa Frankreich und Italien." Sie teilten "unsere Bedenken, wegen derer wir als deutsche Bundesregierung letztlich nicht zugestimmt haben". Vor allem bei der italienischen Regierung hatte Belgien vorher auf ein Einlenken gehofft. Die Zugeständnisse bei einem anderen umstrittenen Gesetzesvorhaben, der EU-Verpackungsverordnung, hätten den Südeuropäern aber offenbar nicht gereicht, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nur die Niederlande, Dänemark, Irland, Spanien, Portugal und Lettland standen laut Diplomaten klar hinter der Richtlinie für mehr Sorgfaltspflichten in der Lieferkette.

Mit dem Vorhaben für mehr Nachhaltigkeit sollen große Unternehmen verpflichtet werden, ihre negativen Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt wie Kinderarbeit, Sklaverei, Arbeitsausbeutung, Umweltverschmutzung, Entwaldung, übermäßiges Wasserverbrauch oder die Schädigung von Ökosystemen abzumildern. Das bezieht sich auf ihre eigene wirtschaftliche Tätigkeit – aber auch auf die ihrer Tochtergesellschaften und Geschäftspartner. Sie müssen Prüfprozesse aufsetzen und diese sowie ihren Verhaltenskodex dokumentieren. Zuvor wurden bei Apple, Samsung & Co. mehrfach Missstände in den Lieferketten aufgedeckt. Große Hersteller von Smartphones und anderer vernetzter Geräte sicherten daher bereits mehrfach zu, höhere Standards etwa beim Abbau von Zinn in Afrika und Südostasien einzuführen.

Wirtschaftsvereinigungen laufen seit Langem Sturm gegen die Auflagen, die teils über das deutsche Lieferkettengesetz hinausgehen. "Die geplanten Vorgaben überfordern europäische Unternehmen, schaffen große Rechtsunsicherheit und überbordende Bürokratie", warnte etwa der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) im Juni. Der Anwendungsbereich über die gesamte Wertschöpfungskette sei realitätsfern. Letztlich könnte die Initiative nach hinten losgehen, da der Aufbau alternativer und resilienterer Importwege und "damit die Versorgungssicherheit von Wirtschaft und Gesellschaft" gefährdet seien. Die FDP begründet ihre Absage etwa damit, dass das Gesetz Betriebe ohne sicheren Fortschritt für Menschenrechte und Umwelt stark belasten würde. Die Bundesregierung konnte sich so erneut nur enthalten, was als Nein zählt.

Die EU-Abgeordnete Anna Cvazzini (Grüne) bezeichnete das Gezerre und Gefeilsche der Mitgliedstaaten als Trauerspiel. Die Ratspräsidentschaft werde dennoch weiter Gespräche führen. Das EU-Parlament erwarte, "dass jetzt endlich eine Lösung gefunden wird" und das Gesetz nicht weiter in der Schwebe bleibe. Im Juni stehen aber schon die Europa-Wahlen an. Die Liberale Svenja Hahn betonte, die Kritik zeige, dass die Richtlinie nicht praxistauglich und nicht mehrheitsfähig sei. Sie schütze Menschenrechte und Umwelt gar nicht effektiv. Kosmetische Änderungen reichten nicht. Besser wäre ein neuer Anlauf in der nächsten Legislaturperiode. Mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen untermauerten dagegen Anfang Februar ihre Unterstützung für den auf EU-Ebene zunächst gefundenen Kompromiss: "Die Anforderungen im endgültigen Text sind klar, verhältnismäßig und überschaubar."

(mki)