WorldCom im Skandalstrudel

Die US-amerikanische Börsenaufsicht hat wegen der Bilanzfälschungen beim Telecom-Riesen eine zivilrechtliche Betrugsklage eingereicht.

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Selten äußert sich ein US-Präsident über Ereignisse an der Börse. Gestern konnte George W. Bush aber nicht mehr an sich halten: Am Rande des G-8-Gipfels in Kanada zeigte er sich empört über die Bilanzmanipulationen beim Telecom-Koloss WorldCom. Die "Übeltäter" sollen zur Rechenschaft gezogen werden. Nun will ein Kongressausschuss den Fall WorldCom untersuchen.

Der Skandal zieht also schnell immer weitere Kreise. Außerdem scheint ein Konkurs des Unternehmens nicht mehr ausgeschlossen. Sollte WorldCom früher oder später Gläubigerschutz bei einem Konkursrichter suchen, wäre dies der größte Konkurs der US-Geschichte. Zum Jahresende 2001 hatte das Unternehmen Vermögenswerte von rund 104 Milliarden US-Dollar (106 Milliarden Euro).

WorldCom hat mehr als 30 Milliarden US-Dollar Schulden. Deshalb hatte das Unternehmen mit Banken über eine neue Milliarden-Kreditlinie verhandelt. Nach der jüngsten Entwicklung scheinen neue Gelder außer Frage zu stehen. Wie die New York Times schreibt, hat WorldCom noch 2,5 Milliarden US-Dollar in bar, die wahrscheinlich in drei Monaten aufgebraucht sein könnten. Am Freitag beginnt das Unternehmen mit der Entlassung von 17.000 Beschäftigten, rund 20 Prozent der Belegschaft.

Die Gesellschaft hatte durch die Manipulationen für das Jahr 2001 und das erste Quartal 2002 Verluste in fiktive Gewinne verwandelt. WorldCom hatte dafür Falschbuchungen in Gesamthöhe von 3,85 Milliarden Dollar vorgenommen. Die amerikanische Wertpapier- und Börsenkommission SEC reagierte schnell und reichte eine zivilrechtliche Betrugsklage gegen WorldCom ein. Ein ungewöhnlicher Schritt für die Behörde, der aber notwendig wurde, um die Zerstörung von Dokumenten zu verhindern, berichtet die New York Times. Zuvor hatte die SEC bereits eine eigene Untersuchung gegen WorldCom laufen.

In der Klageschrift heißt es, WoldCom habe die Antibetrugs- und die Berichterstattungsvorschriften der Wertpapiergesetze verletzt. Die Gewinne seien so manipuliert worden, dass sie die Erwartungen der Börsianer erfüllen und den Aktienkurs des Unternehmens stützen. Gebühren, die das Unternehmen an andere Kommunikationsfirmen zur Nutzung ihrer Netze zahlte, seien als Investitionen verbucht worden. Hierdurch seien Verluste verschleiert worden. Das Unternehmen habe die Buchführungsstrategie Anfang 2001 eingeführt, als die konjunkturelle Abschwächung zu einem WorldCom-Gewinnrückgang geführt hatte.

Der Bilanzskandal erschüttert das Vertrauen der Anleger oder er ließ, wie die Financial Times Deutschland schreibt, die "Weltbörsen beben". Zuletzt sackten die Indizes nach den Attentaten vom 11. September 2001 derart ein. Am Mittwoch setzte die New Yorker Börse den Handel in WorldCom-Aktien beim Kurs von 83 US-Cents aus, doch gab es an anderen elektronischen Märkten Notierungen zwischen 9 und 23 Cents. Die WorldCom-Aktien hatten 1999 noch bei 62 Dollar gelegen. Auch heute wurde das Papier an der Wall Street nicht gehandelt. (anw)