Volle Fahrt voraus für Linux in München
Die bayerische Landeshauptstadt will die begonnene Umstellung von über 80 Prozent der Desktop-Systeme bis 2008 abschließen und verweist auf positive Erfahrungsberichte erster Anwender der freien Software in der Verwaltung.
Die Stadt München will die begonnene Umstellung von über 80 Prozent der Desktop-Systeme auf Linux bis 2008 abschließen und verweist auf positive Erfahrungsberichte erster Anwender der freien Software in der Verwaltung. "Wir sind bislang sehr froh über die Ergebnisse" der angelaufenen Migration, betonte die Bürgermeisterin der bayerischen Landeshauptstadt, Christine Strobl, am gestrigen Dienstag auf der Systems. "Ich bin zwar kein Computerfreak, muss aber zugeben, dass die Umstellung auf die neue Software einfach war", berichtete sie. Bis Ende des Jahres sollen rund 200 Arbeitsplätze zunächst im direkten Umfeld des Oberbürgermeisters Christian Ude sowie einiger zugehöriger Organisationseinheiten mit dem speziellen LiMux-Client laufen. Nach und nach wird dann dem aktuellen Plan zufolge in den beiden folgenden Jahren der Löwenanteil der rund 14.000 PCs auf Open Source umgerüstet.
"Für den normalen Anwender ändert sich wenig", hat Ude seine ersten Kontakte mit dem neuen Softwarepaket zusammengefasst. Die Frankfurter Rundschau zitiert eine enge Mitarbeiterin des SPD-Politikers, demzufolge sie seit dem Start der inzwischen abgeschlossenen Pilotphase im Juli "den OB nicht über seinen Rechner fluchen hören" habe. Die Verwaltungsrätin selbst vermisst aufgrund eigener Erweiterungen die Tabellenkalkulation Excel aus Microsoft Office, mit dem sie die Termine ihres Chefs verwaltet habe. Andererseits biete das neue System "nette zusätzliche Funktionen" wie gelbe Notizzettel. Insgesamt könne sie weder eine Verbesserung noch eine Verschlechterung feststellen. Oft in Anspruch genommen habe sie anfangs die extra eingerichtete, zu Bürozeiten ständig besetzte Hotline. Die Nummer zur Verhinderung von Fehlstarts in die leicht veränderte Computerwelt klebt auf einem Aufkleber an ihrem Schreibtisch, der das Pinguin-Maskottchen "Mux" in einem Flieger zeigt. Inzwischen habe sie sich aber mit den Neuerungen angefreundet.
"Obwohl einige Standardprogramme sehr ähnlich sind, kann es in den ersten Tagen Anlaufprobleme geben, weil die Menschen eine ganz bestimmte Erwartungshaltung gegenüber dem Arbeitsgerät Computer entwickelt haben", erklärte Jens Barth, Leiter des Client-Projekts, jüngst gegenüber dem Münchner Wochenanzeiger. "Aber das wird sich schnell legen und sie werden merken, dass die Computer ihre Aufgaben genauso – oder in manchen Belangen sogar besser – erledigen und auch einfach zu bedienen sind." Der Basisclient setzt vor allem auf der Linux-Distribution Debian GNU/Linux 3.1 auf und nutzt den Desktop KDE 3.5 und OpenOffice 2.
Mit der Software Wollmux für Textbausteine werden sich laut Barth zudem künftig komfortabler Dokumente erstellen und Formulare ausfüllen lassen als bisher. Auch eigene Anpassungsarbeiten durch die Entwickler seien endlich einfach zu bewerkstelligen. Darüber hinaus gebe es natürlich noch das politische, vom Stadtrat ausgegebene Ziel, dank Linux "unabhängig zu sein von Monopolisten wie etwa Microsoft".
Der EDV-Chef der Stadt München, Wilhelm Hoegner, geht derweil davon aus, dass die Migrationskosten unterhalb der veranschlagten 35 Millionen Euro bleiben. Der Löwenanteil von 38 Prozent davon ist für Schulungen der Mitarbeiter vorgesehen, die sich nun aber anscheinend als weniger aufwendig gestalten als befürchtet. Trotzdem ist Hoegner skeptisch, ob München vielen anderen Städten bei der Umrüstung auf Linux als Vorbild dienen wird. Zwar gibt es enge Kontakte etwa mit Wien und Paris, die ihre Computer teilweise auch umstellen. Auch Delegationen aus aller Welt von Südkorea bis Afrika haben bereits beim LiMux-Projektbüro vorbeigeschaut. Doch "Politiker wissen noch nicht genug über Open Source und haben Angst, einen Fehler zu machen", beklagt Hoegner. Ihn selbst hätte ein Platzen des Projekts mit Sicherheit den Kopf gekostet. Trotzdem planen die Münchner Pioniere, ihre eigenen Open-Source-Entwicklungen aktiv an die weltweite Community weiterzugeben und so auch anderen Gemeinden den Umstieg zu erleichtern.
Die 2003 beschlossene Migration hatte in den vergangenen drei Jahren mit einigen Widrigkeiten zu kämpfen, die zu monatelangen Verzögerungen führten. Vor zwei Jahren legte die Verwaltung ihr Projekt zeitweise wegen rechtlicher Unklarheiten in Bezug auf Softwarepatente auf Eis, die aber mehr oder weniger ausgeräumt werden konnten. Im Juni wehrte sich LiMux-Projektleiter Peter Hofmann gegen Vorwürfe der Berliner Senatsverwaltung, dass die Migration hin zu freier Software in einem Anfangsstadium stecken geblieben sei. Er verwies dabei auch auf Verhandlungen mit Projektpartnern, die sich komplexer als erwartet gestaltet hätten.
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(Stefan Krempl) / (jk)