LindowsOS: Der umstrittene Zwitter für den PC

Die Vorteile von Linux und Windows in einem neuen Betriebssystem zu vereinen, ist kein leichtes Unterfangen; entsprechend geteilte Reaktionen löst LindowsOS aus.

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Von
  • Björn Brodersen
  • dpa

Die Vorteile von Linux und Windows in einem neuen Betriebssystem zu vereinen, ist kein leichtes Unterfangen. Das US-amerikanische Unternehmen Lindows.com mit Sitz im kalifornischen San Diego versucht es dennoch: Das vor kurzem vorgestellte LindowsOS 2.0 soll die Stabilität und Flexibilität von Linux bieten und das System gleichzeitig so leicht bedienbar machen, wie es die meisten PC-Besitzer von Windows kennen.

Entwickelt wurde LindowsOS vom MP3.com-Gründer Michael Robertson und seinen 20 Mitarbeitern. "Für mich liegt die größte Herausforderung darin, den Status quo in Frage zu stellen", sagt Robertson. Ziel sei es, eine benutzerfreundliche Linux-Version für Desktop-Computer auf den Markt zu bringen und damit eine günstige Alternative zu Windows zu bieten. Zwar dürfte die schwierige Handhabung, die Robertson damit Linux unterstellt, wohl nicht zuletzt mit dem Erscheinen der Linux-Distributionen Red Hat 8.0, Suse 8.1 und Mandrake 9.0 der Vergangenheit angehören. Doch eine gewisse Zeit der Umgewöhnung müssen Windows-Kenner bei einem Umstieg auf Linux immer einplanen.

Lindows.com setzt deshalb auf eine Benutzeroberfläche, die noch stärker an die Betriebssysteme von Microsoft angelehnt ist. Wer das Arbeiten mit Windows gewohnt ist, wird auch bei LindowsOS wenig Schwierigkeiten haben, meint Russel Pavlicek vom Open-Source-Magazin Newsforge. "Der Desktop mit seinen Icons und Menüs lässt Windows-User sich wie zu Hause fühlen", heißt es in dem Testbericht von Pavlicek. "Die Icons werden zum Beispiel durch einen Doppelklick aktiviert".

Wer LindowsOS haben will, muss es sich von der Lindows-Website besorgen oder dort eine CD mit dem Betriebssystem bestellen. Auf diese Weise bekommt man zunächst eine abgespeckte Linux-Variante von rund 300 Megabyte Umfang. Die nötigen Anwendungen bekommt der LindowsOS-Nutzer nur aus einer so genannten Click-N-Run-Datenbank. Dafür wird ein jährlicher Beitrag von umgerechnet rund 100 Euro fällig. Nach Angaben von Lindows.com enthält das ständig aktualisierte Online-Archiv mehr als 1.000 Programme.

Von der ursprünglichen Idee, mit LindowsOS Windows-Applikationen auf Linux leichter zum Laufen zu bringen, ist der Hersteller inzwischen abgerückt. "Windows-Kompatibilität gekoppelt mit einem günstigen Preis hätte ein Vorteil sein können", zieht die c't-Redaktion ein vorläufiges Fazit. Dafür müssten die Fähigkeiten der Windowsemulation Wine aber noch erheblich gesteigert werden. Wine gestattet Linux-Nutzern bisher nur die Ausführung einer eingeschränkten Zahl von Windows-Programmen. Laut Lindows.com laufen drei Microsoft-Office-2000-Anwendungen mit Sicherheit auf dem System: Word, Excel und Powerpoint.

Allerdings bieten Linux-Pakete wie die von Suse, Mandrake oder Red Hat ohnehin eine große Zahl von Anwendungen, für die keine zusätzlichen Gebühren gezahlt werden müssen. Da stellt sich die Frage, warum man sich überhaupt als "Lindows Insider" einschreiben soll. Hinzu kommt, dass auch das Gros der Software aus dem Click-N-Run-Archiv kostenlos im Internet zu haben ist. "Die Installations-Methode von Lindows ist weniger traumatisch für Anfänger", nennt Patrick Norton vom Online-Netzwerk TechTV.com in New York einen Grund. Bei Click-N-Run starte der User durch einen einfachen Mausklick auf den Link den Download und die Installation der gewünschten Anwendung. Gegenüber Microsoft-Produkten sei der Kostenfaktor ein weiterer Vorteil von Lindows, so die Entwickler. Anstatt für jede einzelne Anwendung zu zahlen, befriedige Lindows für 99 US-Dollar im Jahr sämtliche Bedürfnisse nach Software.

Allerdings sieht Newsforge-Mitarbeiter Pavlicek die Downloads auch als größtes Problem von Lindows an, vor allem für Anwender ohne Breitband-Anschluss: "Ich hätte keine Lust, ein Paket wie das 60 MByte große OpenOffice mit Modem-Geschwindigkeit herunterzuladen."

Lindows.com bietet den Nutzern seines System eine so genannte Family-Use-Lizenz an. Damit wird es dem Kunden gestattet, zu Hause auch andere Computer kostenfrei mit dem Betriebssystem und der Software bestücken. Ob das ein großer Vorteil gegenüber anderen Betriebssystemen ist, darf bezweifelt werden: Für Linux zum Beispiel wird eine solche Lizenz nicht gebraucht -- die Distributionen dürfen uneingeschränkt auf beliebig vielen System installiert werden.

Dennoch scheint das System vor allem in den USA zumindest schon einen Achtungserfolg verbuchen zu können: Dort werden inzwischen PCs mit vorinstalliertem LindowsOS unter anderem von WalMart.com angeboten. Auch einige Firmen in Deutschland wie RCA Computer in Ober-Ramstadt (Hessen) werben mit dem neuen System. RCA-Marketingchef Ramon Toptaner zufolge liegt ein Vorteil von Lindows in der Sicherheit des Systems gegenüber unbefugten Zugriffen.

Thomas Baumgärtner, Sprecher von Microsoft in Unterschleißheim bei München, sieht in LindowsOS keine echte Konkurrenz: "Als Betriebssystem wird es vielen Anforderungen nicht gerecht." Auch die Einschätzung der c't-Redaktion ist von Skepsis geprägt: LindowsOS ist eine Art geschlossene Linux-Distribution. Das wird nicht nur von den Verfechtern freier Software sehr kritisch beäugt, sondern führt die eigentliche Idee von Linux, dass der Quellcode des Systems frei und von jedem veränderbar ist, tatsächlich ad absurdum. "Wer Linux will, nimmt eine der bekannten Distributionen, wer Windows will, wendet sich an Microsoft", so die Ansicht in der c't-Redaktion. (Björn Brodersen, dpa) ) / (jk)