SPD-Innensenator plädiert für heimliche Online-Durchsuchungen
Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat sich hinter die umstrittenen Pläne von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) für Online-Razzien gestellt, während der rheinland-pfälzische Innenminister Bruch weiter dagegen ist.
Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat sich hinter die umstrittenen Pläne des Bundesinnenministeriums für Online-Razzien gestellt. "Ich halte den Gesetzentwurf von Bundesinnenminister Schäuble zur Online-Durchsuchung für richtig", sagte Körting am heutigen Donnerstag im ZDF. Befürchtungen, der Staat werde die Bürger bespitzeln, wies Körting im Vorfeld des im Zeichen der Terrorismusbekämpfung stehenden Herbsttreffens der Innenminister von Bund und Ländern zurück: "Online-Durchsuchungen werden nur dann in Frage kommen, wenn eine immense Gefahr droht." Ängste, wonach der Staat seine Kompetenzen überschreiten könnte, seien unbegründet.
Bei der zweitätigen Herbstkonferenz der Innenminister unter dem Vorsitz des Berliner Senats zeichnete sich derweil heute erwartungsgemäß keine Einigung über eine gemeinsame Position zur geplanten Ausforschung von IT-Systemen ab. Der hessische Innenminister Volker Bouffier forderte, mit dem Verfahren zur Novelle des Gesetzes für das Bundeskriminalamt (BKA) einschließlich der darin momentan enthaltenen Lizenz zum Einsatz des sogenannten Bundestrojaners rasch zu beginnen. Andernfalls sieht der CDU-Politiker das Zustandekommen der Reform in dieser Legislaturperiode gefährdet. Bouffier unterstrich, die Union sei sich einig, dass die Länder bei Anschlagsplänen im Grundsatz zuständig bleiben würden und das BKA allein Zusatzkompetenzen erhalte.
Mehrere SPD-Innenminister wollen aber weiterhin zunächst die für März erwartete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu verdeckten Online-Durchsuchungen abwarten. "Das Problem ist immer noch das Beharren Schäubles auf Online-Durchsuchungen", erklärte der rheinland-pfälzische Innenminister Karl Peter Bruch von den Sozialdemokraten. Körting unterstrich dagegen, dass nur Kommunikationsdaten durchsucht werden sollten, nicht aber "rein private Daten" auf den Computern. Er forderte jedoch ähnlich wie zuvor Unions-regierte Länder eine klarere Abgrenzung der geplanten BKA-Ermittlungsbefugnisse zu denen der Landeskriminalämter. Es dürfe nicht alles doppelt gemacht werden. Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner lehnte eine Ausweitung operativer Zuständigkeiten des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu Lasten der Länder ab. Den Computer will der SPD-Politiker dagegen "nicht sakrosankt" stellen.
Die Rechtsanwaltschaft hat unterdessen verfassungsrechtliche Bedenken gegen Online-Durchsuchungen vorgebracht. Die umkämpfte Ermittlungsmaßnahme wäre eine Verletzung gleich mehrerer Grundrechte, bekräftigten der Sprecher der schleswig-holsteinischen Rechtsanwaltskammer, Jürgen Doege, und der Kieler Strafrechtsexperte Gerald Goecke. Sollte das Bundesverfassungsgericht die Online-Durchsuchungen dennoch zulassen, "zeichnet sich in Deutschland eine Rundum-Überwachung ab", betonte Doege. Der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki, teilt die Auffassung der Anwälte. Die geplanten Online-Razzien seien neben der beschlossenen Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsverbindungen, der geplanten Vorhaltung und Weitergabe von Fluggastdaten in der EU ein weiterer Baustein zur "Rund-Um-Überwachungsbetreuung des Staates".
Im Vorfeld der Innenministerkonferenz appellierte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) an die Politik, sich eingehend mit einer internen Auswertung der Ermittlungen zu beschäftigen, die im September zu den Festnahmen dreier mutmaßlicher Terroristen im Sauerland führten. Darin würden die Fahnder eindringlich beschreiben, dass sie an die Grenzen der personellen, technischen und rechtlichen Möglichkeiten in der Terrorismusbekämpfung gelangt seien. Dieser "Hilferuf" dürfe nicht ungehört bleiben. Noch immer würden die Sicherheitskräfte fieberhaft nach rund 30 hochgefährlichen Mitgliedern der "Islamistischen Jihad-Union" (IJU) fahnden. Der GdP-Bundeschef Konrad Freiberg warnte: "Ohne spürbare Personalverstärkungen in den Spezialdienststellen zur Terrorismusbekämpfung, bessere technische Ausstattung und eindeutige Rechtsgrundlagen zur Kommunikationsüberwachung sind die Chancen gering, künftige Anschlagspläne zu durchkreuzen."
Die FDP hat derweil von den Innenministern gefordert, die Ausgabe der elektronischen Reisepässe mit Fingerabdrücken zu stoppen. "Die Innenministerkonferenz sollte sich auf ein Moratorium einigen", sagte der FDP-Innenpolitiker Max Stadler der Berliner Zeitung. Zunächst müssten die bekannt gewordenen Mängel geprüft und behoben werden. Hintergrund sind Beanstandungen am ePass zweiter Generation, der seit November mit Fingerabdrücken auf einem Chip versehen ist. Stadler rief die Minister auch dazu auf, sich auf der Konferenz klar zur Trennung von Geheimdiensten und Polizei bei der Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität zu bekennen.
Zu Details der neuen Telekommunikationsüberwachung und der auf Vorrat gespeicherten Verbindungsdaten siehe:
Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe:
(Stefan Krempl) / (pmz)