3GSM: Microsofts Kampfansage an die Mobilfunk-Provider

Die Redmonder kündigen providerunabhängige Messaging- und Push-Mail-Dienste an und wollen die Verbreitung von Windows-basierten Smartphones forcieren. Erst gestern hatten die Mobilfunker eine Allianz gegen freie Messaging-Dienste geschmiedet.

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Von
  • Sven-Olaf Suhl

In seiner Rede auf dem 3GSM World Congress in Barcelona stellte Microsoft-Chef Steve Ballmer Mobil-Konzepte für Push-E-Mail, Instant Messaging und Location Based Services (LBS) vor, die den Mobilfunk-Anbietern gar nicht gefallen dürften. Kurz zuvor hatten auf dem Kongress namhafte Mobilfunkanbieter ihre Absicht bekundet, den freien Instant-Messaging-Systemen einen Riegel vorzuschieben und einen Pakt gegen Skype, ICQ & Co. geschmiedet. Hintergrund der Initiative der Mobilfunkanbieter ist, mit diesen modernen Kommunikationsformen eine Einnahmequelle analog zum SMS-Geschäft zu erschließen.

In seiner 3GSM-Ansprache demonstrierte Microsoft-Chef Steve Ballmer hingegen verschiedene Messaging-Tools, die providerunabhängig sowohl Push-E-Mail als auch Instant Messaging ermöglichen und schon bald zur Standard-Ausrüstung eines jeden Windows-Mobile-Gerätes gehören sollen. Aber auch mit Mobilgeräten mit anderen Betriebssystemen soll man die neuen Dienste der Redmonder nutzen können: Am Beispiel eines iMode-Handys ohne Windows Mobile demonstrierte Steve Balmer die Funktionen seiner Windows Live benannten Internet-Services für E-Mail (Live E-Mail) und den LBS-Dienst "Live Search".

Push-E-Mail wurde durch das BlackBerry-Konzept des Herstellers RIM populär. Microsoft betont jedoch, dass Handys mit seinem Betriebssystem besonders leicht in die bestehende Outlook- und Exchange-Infrastruktur eingebunden werden können. In Deutschland, Frankreich und Großbritannien werde zunächst Vodafone von März an neue Modelle mit Windows Mobile 5 auf den Markt bringen: "Wir freuen uns, mit Vodafone zusammen eine mobile Messaging-Lösung für eine Reihe von Geschäftskunden zu entwickeln", erklärte Microsoft-Manager Pieter Knook gegenüber dpa in Barcelona.

Insgesamt 47 Hersteller wollen nach Angaben von Microsoft Handys und Smartphones mit Microsofts Betriebssystem auf den Markt bringen, darunter Hewlett-Packard, Fujitsu Siemens und Asus, die ihre aktuellen Produkte auf der Mobilfunkmesse präsentieren. Windows Mobile 5 umfasst unter anderem einen Media Player zum Abspielen von Musik und Videos, eine mobile Version der Präsentations-Software Powerpoint und eine Textverarbeitung.

Die wichtigen Geschäftskunden will Microsoft auch mit dem Kostenfaktor für sein Betriebssystem gewinnen. Da die Software-Infrastruktur von Microsoft wie Windows, Outlook und Exchange in den Betrieben in der Regel bereits vorhanden ist, sei die Integration neuer Geräte etwa für Geschäftsreisende oder Außendienstmitarbeiter besonders einfach, sagt Microsoft-Manager Hardy Poppinga. Insgesamt gebe es weltweit bereits 130 Millionen Exchange-Server im Einsatz, die den E-Mail-Verkehr ohne zusätzlichen Aufwand erledigen könnten. Die Einbindung weiterer mobiler Geräte in ein Firmennetzwerk sei auf dieser Basis so einfach wie der Anschluss eines PCs, betonen die Redmonder. Für Windows Mobile 5 werde Microsoft darüber hinaus kostenlose Upgrades anbieten.

Microsoft setzt große Hoffnungen in den Mobilfunkmarkt. Zur Vorstellung von Windows Mobile 5 im Frühsommer vergangenen Jahres sagte Firmengründer Bill Gates unter anderem, er glaube, dass sich auf Dauer hoch entwickelte Mobiltelefone mit ihrer Funktionsvielfalt zum Beispiel gegen MP3-Player wie den iPod von Apple durchsetzen werden. Smartphones machten zuletzt zwar erst etwa sechs Prozent des Mobilfunkmarktes aus, sind jedoch rasant auf dem Vormarsch. Schätzungen zufolge könnten 2008 bereits 200 Millionen solcher Geräte verkauft werden. Dies wäre etwa ein Fünftel des gesamten Handy-Absatzes.

Die Zahlen zu aktuellen Anteilen bei mobilen Betriebssystemen unterscheiden sich teilweise deutlich, zum Beispiel weil die Experten uneins sind, ob Taschen-PCs mit Telefon-Funktion berücksichtigt werden sollten. Auch die Prognosen driften weit auseinander. Nach jüngsten Schätzungen des Marktforschers TDG könnte Windows Mobile bis 2010 die Führung bei Smartphone-Betriebssystemen mit einem Anteil von 29 Prozent übernehmen. Derzeit wird das unter anderem von Nokia benutzte Betriebssystem Symbian mit 51 Prozent Marktanteil als klarer Spitzenreiter gesehen, gefolgt von Linux mit 23 Prozent. Auf Windows Mobile entfallen demnach 17 Prozent. Der Marktforscher IDC dagegen sieht Symbian auch in absehbarer Zukunft dominierend mit bis zu 60 Prozent Marktanteil im Jahr 2009. Die BlackBerry OS von RIM und Palm liegen beim Marktanteil im einstelligen Prozentbereich.

Zum 3GSM World Congress 2006 siehe auch: