Bundesregierung befürwortet Handy-Störsender bei Großveranstaltungen
Mit der Novelle des Telekommunikationsgesetzes will das Bundeskabinett eine rechtliche Grundlage für die Unterbindung des Mobilfunkverkehrs nicht nur in Gefängnissen, sondern auch an Orten wie Fußballstadien schaffen.
Die Bundesregierung will in ihrem – wegen einer möglichen Regulierungspause für die Deutschen Telekom beim VDSL-Netz ohnehin umstrittenen – Gesetzentwurf für die Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) auch eine rechtliche Grundlage für den Einsatz von Handy-Störsendern bei Großveranstaltungen schaffen.
Das Bundeskabinett greift damit einen Gesetzesentwurf des Bundesrats zur Unterbindung des Mobilfunkverkehrs in Justizvollzugsanstalten auf und weitet diesen noch deutlich aus. "Die durch den Bundesratsbeschluss vorgeschlagene gesetzliche Regelung deckt lediglich den Einsatz von Geräten in einer spezifischen Situation ab", schreibt die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme auf die Gesetzesinitiative der Länder (PDF-Datei) und weist darauf hin, dass im Bundesratsentwurf die "Frage nach dem Einsatz solcher Geräte durch Behörden beispielsweise in Stadien oder bei anderen Großveranstaltungen" unbeantwortet bleibt. Nach Auffassung der Bundesregierung ist es wichtig, die Verwendung der Mobilfunkblocker auch an solchen Orten zu ermöglichen.
Das Bundeskabinett verweist dabei auf ihre vergangene Woche verabschiedeten Pläne zur TKG-Novelle. Darin werde durch eine "Öffnungsklausel" des Paragraphen 55 der grundsätzliche Einsatz von Handy-Störsendern geregelt. Dieser zufolge ist für den Einsatz der Mobilfunkblockierer künftig keine Frequenzzuteilung erforderlich, "sofern der Einsatz durch Behörden zur Ausübung gesetzlicher Befugnisse unter Einhaltung der von der Bundesnetzagentur festgelegten Frequenznutzungsbedingungen erfolgt". Die Regeln für die Inanspruchnahme der Funkwellen legt die Bundesnetzagentur für jeweils typische Einsatzszenarien im Einvernehmen mit den jeweiligen "Bedarfsträgern" wie der Polizei fest.
Sollte die Änderung vom Bundestag abgesegnet werden, ist es nach Ansicht der Bundesregierung lediglich eine Frage der Ermächtigung der jeweiligen Bedarfsträger, welcher Zweck durch den Einsatz der "Jammer" (Störsender) verfolgt werden darf. Insoweit müssten die Länder noch prüfen, ob ihre jeweiligen rechtlichen Vorschriften das Anliegen erlauben, konkret etwa in Gefängnissen derartige Geräte einzusetzen. Gegebenenfalls seien rechtliche Anpassungen im Bereich des Strafvollzugs notwendig. Der Bundesrat hält die Verwendung der Störsender vor allem für erforderlich, da "unerlaubte Mobilfunkgespräche Gefangener eine ganz erhebliche Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in Justizvollzugsanstalten darstellen". So würden Inhaftierte mit Hilfe eingeschmuggelter Handys beispielsweise versuchen, den Drogenhandel aus der Zelle heraus zu organisieren. Darüber hinaus würden sich auf diesem Weg Fluchthelfer anleiten lassen. Ein vollständiges Aufspüren eingeschleuster Mobiltelefone sei bei Versuchen in Baden-Württemberg auch mit so genannten "Mobi-Findern" nicht möglich gewesen, die aktuelle Telefonverbindungen erkennen können. Daher sei die Frequenzstörung unabdinglich.
Der Branchenverband Bitkom hatte im März die Pläne des Bundesrats scharf kritisiert. Der Einsatz von Handy-Störsendern in Gefängnissen sei "rechtlich und technisch nicht realisierbar". Generell warnt der Bitkom davor, dass ein Mobilfunkblocker zur Abdeckung einer kompletten Justizvollzugsanstalt und folglich auch etwa bei einem Stadion eine vergleichsweise hohe Sendeleistung erfordern würde. Die Auswirkungen könnten folglich nicht auf ein spezielles Gelände begrenzt werden. Vielmehr sei die Beeinträchtigung der Funkversorgung auch in der Umgebung zu befürchten. Völlig ungeklärt sei auch, welche Effekte Störsender auf die gesamte Netzstabilität und -qualität – selbst in weiter entfernten Funkzellen – hätten.
Während Straftäter per Handy Kommunikationsnetzwerke stricken und die Politik mit weit gehenden Mitteln dagegen vorgehen will, steht die Einführung eines abhörsicheren digitalen Funknetzes für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) weiter in den Sternen. Das Großprojekt verzögerte sich bereits um Jahre wegen Auseinandersetzungen um den technischen Standard, um die Kompetenzverteilung im föderalen System und Finanzierungsfragen, bevor überhaupt ein Vergabeverfahren in Gang kam. Nunmehr drohen unterlegene Anbieter damit, die Vergabeabsichten des Bundes gerichtlich anzufechten. (Stefan Krempl) / (ssu)