Streit um Regulierungsmacht bei der Telekommunikation voll entbrannt
Die Interessen von Vertretern der EU-Kommission und nationaler Regulierungsbehörden stießen auf dem Forum Kommunikations- und Medienpolitik der Branchenvereinigung Bitkom frontal aufeinander.
Die Interessen von Vertretern der EU-Kommission und nationaler Aufsichtsbehörden im Streit um den Brüsseler Vorschlag für ein neues Paket zur Regulierung der Telecom-Märkte stießen auf dem Forum Kommunikations- und Medienpolitik (PDF-Datei) der Branchenvereinigung Bitkom am heutigen Donnerstag in Berlin frontal aufeinander. Bernd Langeheine, Chef der Generaldirektion Informationsgesellschaft und Medien der Kommission, verteidigte vor allem die geplante übergeordnete Regulierungsagentur auf EU-Ebene, die den größten Stein des Anstoßes der Vorschläge darstellt. Diese führe "nicht zu mehr Bürokratie und längeren Verfahren". Vielmehr würde etwa die Auswahl der Betreiber mobiler Satellitendienste genauso vereinfacht wie die Beilegung grenzüberschreitender Frequenzstreitigkeiten. Der Präsident der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, erklärte die "Superbehörde" dagegen für schlicht "nicht erforderlich".
Kurth verwies auf die "große Erfolgsgeschichte" nationaler Regulierungsansätze etwa in Deutschland. In den Zielen seien sich auch "alle einig". Es gehe darum, bessere Dienstleistungen anzubieten, die Breitbandverbindung voranzubringen und günstigere Preise zu erreichen. "Wir arbeiten sogar mit den gleichen Folien", scherzte Kurth unter Verweis auf eine Übersicht zur Verbreitung schneller Internetanschlüsse in Europa. "Aber wir interpretieren sie etwas anders."
Die Gruppe der europäischen natioinalen Regulierer (ERG) habe zudem in bestimmten Telecom-Märkten bereits "Best Practice"-Anleitungen erstellt, die wichtige Orientierungsfunktionen erfüllten. Beispielsweise habe man den Zugang zu den auf dem Internetprotokoll und Glasfasernetzen basierenden Next Generation Networks aufgegriffen oder eine gemeinsame Position zu Voice over IP (VoIP) erarbeitet. Bei der Internet-Telefonie würden die Anschlüsse daher nun "ohne Ende wachsen", Unterschiede gebe es nur noch bei der Vergabe regionaler Nummern. Die von der Kommission ausgemachten "grenzüberschreitenden Probleme" seien ihm somit nicht ersichtlich.
Am schwersten im Magen liegt Kurth aber, dass sich die Kommission künftig auch ein Veto-Recht bei den konkreten Abhilfemaßnahmen für ausgemachte Regulierungsfälle vorbehalten will. Dies habe nichts mit der angekündigten "Stärkung der Unabhängigkeit der Regulierer" zu tun. Vielmehr würde die Flexibilität des Eingreifens auf nationaler Ebene behindert. Kein Problem habe er dagegen mit der vorgeschlagenen Rückführung der Vorabregulierung in vielen Bereichen. Dies würde der Praxis nationaler Regulierer nur entsprechen. Die Bundesnetzagentur etwa habe in den Endkundenmärkten eh oft keine beträchtliche Marktmacht und damit keinen Grund zum vorzeitigen Eingreifen festgestellt. Wichtiger sei hier die Missbrauchsaufsicht im Nachhinein, die teils auch über das normale Wettbewerbsrecht und das Kartellamt erfolgen könne.
Bärbel Vogel-Middeldorf, Unterabeteilungsleiterin Kommunikationspolitik im Bundeswirtschaftsministerium, betonte im gleichen Tenor, dass die Wettbewerbsintensität im TK-Markt allgemein hoch, die Preise niedrig seien und dies für "Kontinuität" spreche. Von erfolgreichen Wegen sollte daher nicht unnötig abgewichen werden. Statt institutionelle Vorschläge zu machen, sollte der Ordnungsrahmen daher besser inhaltlich neu ausgerichtet werden. Die geplante Kompetenzausweitung sei aus Sicht der Bundesregierung jedenfalls nicht gerechtfertigt.
Laut Langeheine "müssen wir uns darüber klar sein, dass wir mit der jetzigen Struktur der 27 [nationalen] Telecom-Märkte nicht weiter kommen". Wenn Frequenzen, Nummern und Lizenzen etwa weiter national vergeben würden, "haben wir keinen einheitlichen Binnenmarkt". Auch für Bürger und Verbraucher habe das Reformpaket daher "große Vorteile". Bisher gebe es eine Vielzahl zersplitterter Märkte, und daher beispielsweise "nicht einmal ein Frequenzregister". Derlei Aufgaben sollten der vorgeschlagenen Zentralbehörde übertragen werden. Deren Vorschläge hätten zudem auch "großen Einfluss auf die Kommission". Ferner gebe es Berichtspflichten gegenüber dem EU-Parlament, das auch über die Behördenführung mitbestimmen könnte.
Die EU-Abgeordente Erika Mann konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich die Kommission mit ihrer Marktbewertung zu einfach mache und die Vielfalt des europäischen TK-Marktes und der Strategien wichtiger Unternehmensakteure nicht richtig eingeschätzt habe. Der zentrale Regulierungsansatz hätte in der Frühzeit der Marktliberalisierung ihrer Ansicht nach mehr Sinn gemacht als jetzt, "wo die Märkte konsolidiert sind". Nur dem Trend zu folgen, Agenturen zu gründen, sei wenig hilfreich. Dies habe die Einrichtung der Sicherheitsbehörde ENISA gezeigt, die man zwar nicht direkt als "Missgeburt" bezeichnen könne, die aber zumindest die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt habe.
Die Konstruktion "nationale Regulierer plus Behörde plus Veto-Recht der Kommission" erschien der SPD-Politiker jedenfalls als zu umständlich. Hier sei noch nicht erkennbar, wie sich das Parlament positionieren werde. Größere Unterstützung dürfte die Kommission beim Vorschlag zur Neuausrichtung der Frequenzpolitik erfahren. Zudem dürfte die Abgeordneten sicher darauf drängen, dass auch ein "gewisser Breitbandumfang" zu den Universaldiensten gerechnet werden solle. Den Zeitplan der Kommission, das Vorhaben vor den Neuwahlen zum EU-Parlament im Frühsommer 2009 abzuschließen, bezeichnete sie allerdings als "ehrgeizig". Zu dessen Einhaltung müssten sich Mehrheiten bereits im kommenden halben Jahr herauskristallisieren, während bislang aber noch nicht einmal die Zahl der beteiligten Ausschüsse geklärt sei.
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(Stefan Krempl) / (jk)