"Manifest für ein neues Arbeiten": Microsoft will die neue Arbeitswelt beflügeln

"Alles, was wir zum Arbeiten brauchen, tragen wir in der Hosen- oder Aktentasche mit uns rum": Microsoft fordert mit einem Manifest für Wissensarbeiter flexiblere und mobilere Verhältnisse und stellt "33 Regeln für digitale Pioniere" auf.

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Neues Arbeiten? Da möchte Microsoft mit seinen Cloud-Lösungen und Mobilgeräten sicher mitmischen

"Sie nannten es Arbeit ­ für uns ist es unter Leben." Unter diesem Aufhänger hat Microsoft Deutschland am Dienstagabend in Berlin ein "Manifest für ein neues Arbeiten" vorgestellt, das eine neue Kultur für Wissensarbeiter in Unternehmen einfordert – allerdings bislang bei Microsoft nicht online zu finden ist [Update: Mittlerweile hat Microsoft die Dokumente per OneDrive bereitgestellt]. Dafür heißt es in der programmatischen Erklärung: "Wir wollen nicht länger am Schreibtisch festgehalten werden." "Alles, was wir zum Arbeiten brauchen, tragen wir in der Hosen- oder Aktentasche mit uns rum."

Die Deklaration spricht sich für ein projektbezogenes Schaffen in virtuellen Teams unabhängig von Orten und Zeitzonen aus. Feste Chefs werden genauso abgelehnt wie "künstliche Hierarchien". An deren Stelle sollen Strukturen treten, "in denen wir vertrauensvoll, frei und produktiv kommunizieren können". Vom "Recht auf selbstbestimmte Freizeit" in einer auf Selbstverantwortung setzenden Umgebung ist die Rede. "Wir freuen uns auf das, was uns erwartet, wenn wir Grenzen überschreiten, neue Räume schaffen und der Angst vor Unbekanntem mit Mut und Vertrauen in unsere eigenen Fähigkeiten begegnen."

Als Voraussetzung für das neue kreative Arbeiten, für das auch die Grundsatzbeschreibung keinen eingängigen Begriff findet, nennen die Verfasser die Revolutionierung der Arbeitswelt durch IT. Sie versprechen, durch den gepredigten Ansatz "produktiver zu sein als unsere Eltern und Großeltern". Dazu trügen etwa eine selbstbestimmte Kommunikation mit Kollegen und ständige Anregungen von außen bei. Dazu komme die Fähigkeit, abschalten zu können, "wenn wir es brauchen", und zur Mitarbeit, "wenn andere schon abgeschaltet haben".

Die modernen Wissensarbeiter wollen auch "keine 9to5-Jobs machen, aber auch nicht solche, bei denen wir unsere Lebenspartner und Kinder nicht zu Gesicht bekommen". Es spreche "alles dafür", Schaffensphasen mit Freizeit zu mischen und so kreativ und rekreativ zugleich zu sein.

Autor Markus Albers, Moderator Richard Gutjahr und Thorsten Hübschen von Microsoft (v.l.n.r.) präsentieren das "Manifest für ein neues Arbeiten"

(Bild: heise online / Stefan Krempl)

Abgerundet hat Microsoft das Manifest mit "33 Regeln erfolgreicher digitaler Pioniere", die die Software-Experten gemeinsam mit dem Autor Markus Albers ("Morgen komm ich später rein ") aufgestellt haben. "Früher wollten Kunden Produkte besitzen. Heute geht es ihnen um Erlebnisse und Zugang", ist darin etwa zu lesen. Es komme weniger darauf an, als erster mit einem Angebot auf den Markt zu kommen, als vielmehr auf das "beste Design" und leichte Bedienbarkeit. Mitarbeiter zögen ihren Selbstwert nicht mehr so sehr aus ihrem Status, sondern es zählten "Leidenschaft und Reputation". Qualität setzte sich "dank Empfehlungen aus dem individuellen sozialen Netzwerk durch".

Über den Terror der ständigen Erreichbarkeit oder andere Schattenseiten der mobilen digitalen Boheme ist in der Erklärung oder dem Zusatzstatut nichts zu lesen. Die Rede ist in den mit Anglizismen gespickten Regeln allein von einer angemessenen "Work-Life-Balance", die ein "wichtiges Incentive" darstelle.

Die Präsenzkultur sei hierzulande noch immer stark ausgeprägt, erläuterte Albers die Thesen: "Der Chef will seine Schäfchen sehen." Nach dem neuen Paradigma müssten Manager dagegen "mal richtig managen", also die Selbstorganisation der Mitarbeiter unterstützen. Arbeitserfolg sei nicht mehr an der im Büro abgesessenen Zeit zu messen, sondern an der Ergebnisqualität in den Augen der Kunden.

IT-Abteilungen hätten den Wandel lange verhindert, meinte der früher auch teils festangestellte Redakteur Albers. Sie hätten behauptet, dass Telearbeit und der Zugriff auf sämtliche Unternehmensdaten aus der Ferne "zu teuer und nicht sicher" seien. Er freute sich daher, dass Microsoft jetzt sage: "Es geht doch." Damit stünden IT-Chefs, die sich dem frischen Arbeitswind widersetzten, ohne gute Argumente da. Dass Yahoo-Chefin Marissa Mayer die Angestellten wieder ins Büro zurückgepfiffen hat, erklärte er damit, dass zu viele der Mitarbeiter dem gebeutelten Unternehmen den Rücken hätten kehren wollen und im "Home Office" eigene Firmen gegründet hätten.

Microsoft fahre Infrastrukturen, auf denen das virtuelle Büro mit den Anforderungen an den Datenschutz in Einklang gebracht werde, erklärte Thorsten Hübschen, Leiter der Office-Abteilung der Unterschleißheimer und Herausgeber des Manifests. Es sei an der Zeit, von "Buzzword-IT-Diskussionen" wegzukommen. Prinzipiell gehe es mit dem Vorstoß darum, dank Strategien für die mobile, auf Cloud-Computing setzende Welt ein "Startup-Modell für einen 150.000-Mann-Konzern hinzukriegen". Die Technologie sei dafür zwar der Träger, es komme aber auch auf eine Geisteshaltung, Organisationsfragen und ein Führungsverständnis drauf an. Von der Einschätzung des Schreibtisches als Statussymbol müssten sich Firmen jedenfalls verabschieden.

Die Form eines Grundsatzdokuments habe Microsoft bewusst "augenzwinkernd" gewählt, erläuterte Hübschen. Es gehe darum, die Debatte über das Thema öffentlichkeitswirksam voranzutreiben, unter anderem mit einem Panel auf der Konferenz re:publica. Der Konzern, der selbst vor drei Jahren in einem unstrukturierten Prozess soziale Medien eingeführt und einen Kulturwandel bei der Heimarbeit durchgeführt habe, sehe sich aber nicht als eine Art gewerkschaftliche Vertretung der Wissensarbeiter in Deutschland.

(jk)