WAZ lässt Afghanistan-Papiere trotz Urheberrechtsabmahnung im Netz
Das Verteidigungsministerium will die von der WAZ-Mediengruppe veröffentlichten "Geheimakten" zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr aus dem Internet haben, doch das Verlagshaus will sich dagegen wehren.
Um die im November von der WAZ-Mediengruppe im Internet veröffentlichten "Geheimakten" rund um den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr hat sich ein Rechtsstreit entsponnen. Der Leiter der Abteilung Medienrecht im Bundesverteidigungsministerium hat das Verlagshaus Mitte März mit einer heise online vorliegenden Abmahnung auf Basis des Urheberrechtsgesetzes aufgefordert, die "Afghanistan-Papiere" bis zum 27. März aus dem Netz zu entfernen und künftig nicht mehr publik zu machen. Die WAZ-Gruppe hat die Frist aber verstreichen lassen, ohne der Aufforderung der Bonner Hardthöhe nachzukommen.
Bei dem Leak handelt es um rund 5000 Seiten aus Einsatzberichten der Bundeswehr, die als Unterrichtungen der Bundesregierung an den Bundestag gingen. Sie sind als "nur für den Dienstgebrauch" gekennzeichnet, also mit der niedrigsten von vier Geheimhaltungsstufen der Bundesrepublik versehen. Das Verteidigungsressort sieht sich damit in seinem Recht verletzt, "selbst zu bestimmen, ob und wie" die Berichte zu veröffentlichten sind. Es geht davon aus, dass deren Publikation illegal ist, da "Rechtsfertigungsgründe nicht vorliegen". Die Hardthöhe hat angedroht, gerichtliche Schritte gegen die WAZ einzuleiten, sollten die Anforderungen nicht fristgerecht erfüllt werden.
Das in Essener Verlagshaus will der Abmahnung trotzdem nicht nachkommen und sich "gegen den juristischen Angriff des Verteidigungsministeriums" wehren. "Aus den Originaldokumenten der Bundeswehr wird sichtbar, dass schon seit Jahren keine Rede von einer Friedensmission mehr sein konnte, obwohl dies von Politikern immer wieder behauptet wurde", heißt es zur Begründung. Die Papiere zeigten, wie sich Anschläge, Kämpfe und Operationen in der Krisenregion über die Jahre ausweiten.
Nur indem alle vorliegenden Dokumente veröffentlicht werden, könne die jahrelange "Verharmlosung des Afghanistan-Krieges" dokumentiert werden, meint die WAZ. Es gehe nicht mehr nur darum, zu verknappen und aus den Unterlagen – wie bislang in der Presse üblich – zu zitieren. Stattdessen habe sich sie WAZ das Ziel gesetzt, "möglichst oft Originaldokumente zu veröffentlichen", wenn Informanten nicht gefährdet würden. Jeder Bürger solle sich selbst ein Bild von der Lage vor Ort machen können.
WAZ-Recherchechef David Schraven geht zudem in diesem Fall von einem "Missbrauch" des Urheberrechts aus. Dieses dürfe nicht genutzt werden, "um die Menschen in Deutschland im Unwissen darüber zu halten, was in ihrem Namen weltweit militärisch geschieht". Jeder in Deutschland habe ein Recht darauf, "in die Papiere der Regierung zu schauen". Die Unterlagen gehörten den Bürgern. Das Verteidigungsministerium habe dagegen den Antrag der WAZ, Einsicht in die Dokumente auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) zu bekommen, abgelehnt. Es befürchtet, Landesfeinde könnten Erkenntnisse aus den Unterrichtungen ziehen, die deutsche Soldaten gefährden. Diese Begründung hält Schraven für falsch, da sich nichts in den Leaks befinde, "was als Geheimnis geschützt werden müsste".
Die Blogger von Netzpolitik.org haben derweil über die Plattform Frag den Staat selbst eine IFG-Anfrage gestellt, um von der Hardthöhe mehr Informationen zu dem Vorgang zu erhalten. Sie verweisen zudem darauf, dass die WAZ auch einen Torrent mit den geleakten Daten sowie weitere Downloadmöglichkeiten bereit gestellt hat. Es sei daher zu erwarten, dass sich die Papiere längst im Netz verbreitet hätten.
Ein Sprecher des Verteidigungsressorts hatte die ganze Sache in einer Regierungspressekonferenz Ende November noch "zum Schmunzeln" gefunden. Die Hardthöhe stelle die parlamentarischen Unterrichtungen nämlich "ganz knapp versetzt und nahezu inhaltsgleich" auf den Webseiten des Ministeriums ins Internet. Der Unterschied bestehe darin, dass Informationen, deren Urheber verbündete Staaten seien, pauschal den "ISAF-Kräften" zugeordnet würden. Man könne also nicht mehr sehen, ob die Angaben etwa von den USA oder den Mongolen kämen. Der Sprecher weiter: "Wir leaken jede Woche selbst." (anw)