Was war. Was wird.
Glaubwürdigkeit ist nicht nur in höchsten Staatsämtern wichtig, auch unsere Lieblingsspielzeugfabrikanten bemühen sich darum, beobachtet Hal Faber. Wenn da nicht die Sache in Kenia wäre.
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.
Was war.
*** Die Consumer Electronics Show in Las Vegas ist vorüber und die Kristallkugeln sind ausgesoffen. Der Supermegatrend des Jahres sind Ultrabooks, die irgendwie dem MacBook Air Konkurrenz machen sollen und Mitte des Jahres schon veraltet sind. Noch ist nicht klar, ob diese teuren Rechner eine Art Solidaritätsadresse der Industrie mit den verzweifelten chinesischen Arbeitern ist, die nicht nur von Apple in Beschlag genommen werden. Wobei die Firma für ihre neue Transparenz (PDF-Datei) ausnahmsweise I.ob verdient. Für die Geeks dieser Welt sind diese Ultrabooks der Intel-Klasse offenbar nicht gedacht, und ob es so viele marktrelevante Pseudo-Öko-Veganer-Apple-User gibt, ist schwer die Frage. Wenn aus dem Einfall von Intel ein Durchfall wird, ist es gar nicht so übel, wenn selbst die hartgesottenen Gadget-Anbeter sich auf die Damentoiletten zurückziehen und es Aushocken, das Geglitzer. Für nüchternere Gemüter stellt sich die Frage, ob diese Ultrabooks noch echte Computer sind.
*** Den Analysten und Trendforschern ist es egal, denn sie haben endlich wieder einen super Trend, der breit getreten werden kann. Was soll man sonst machen, wenn das Ende der Megatrends ausgerufen ist? Man kann ja nicht ewig nach Trendkonkurrenten wie Naisbitt und Horx treten, die noch an dieses Mega glauben. Halten wir darum fest: In einem vernünftigen Abstand zur Gegenwart beginnt die Zukunft und sie ist auch nicht mehr das, was sie früher einmal war. Früher? Vor 10, 20, 30 Jahren? Schauen wir aufs Datum und zurück: Heute vor drei Jahren landete der Flug Nummer 1549 der US Airways im Hudson und weil jemand dies twitterte, war schnell vom Ende des behäbigen alten Journalismus die Rede, der zu spät kommt und vom Leben bestraft wird. Als ob es bei den Nachrichten um das beliebte Forums-Spielchen ginge, wer denn Erster Elf!1einstrallala wird.
*** Twitter ein Trend, das stimmt, wenn #trendmeiner darüber bloggt, wie Bloggen immer unwichtiger wird, Twitter nur Hintergrundrauschen produziert, und Facebook, ja Facebook zum Gral und Kommunikationsknoten schlechthin geadelt wird. Im Extremfall führt die gesammelte Trenddenke zur völligen Verblödung, wenn Facebook als neue Nervenbahn der Gesellschaft gefeiert wird, nicht ohne den Hinweis, dass Journalisten auf Facebook sein müssen, "da sie ansonsten ihren Beruf, ihre Funktionen und ihre Ämter nicht den Anforderungen gemäß ausfüllen können." Ach, können Sie nicht? Wer stellt denn hier die Anforderungen? Warum gibt es keine Alternativen? Warum nicht Lorea, Diaspora, wo nicht nur die Occupy-Aktivisten ihre Kontakte pflegen, warum nicht mit Crabgrass ein eigenes Netzwerk bauen oder sich in Facebook-freien Zonen aufhalten, wenn gebloggt wird? Die Penetranz, mit der heute eingefordert wird, sich bitte zum Affen von Facebook oder Google+ zu machen, mag trendig sein, doch es gibt ihn noch, den Gegentrend.
*** Es gibt sie noch, die kleinen Anfragen, mit denen die seltsamsten Informationen von der unermüdlichen Arbeit unserer Regierung bei der Sicherung unserer Sicherheit öffentlich werden. In dieser Woche veröffentlicht: eine Antwort (PDF-Datei) auf eine Anfrage der Linken, die eigentlich eine Presseerklärung ist. Doch was heißt schon "Antwort"? Mantraartig zieht sich der Satz "Hierzu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor" durch das gesamte Dokument und legt den Schluss nahe, dass die deutsche Regierung von der europäischen Polizeiarbeit nichts weiß und dieses Nichtwissen mit aller Hingabe auszubauen pflegt. Immerhin erfährt man noch, dass die mobilen Büros der Polizei-Forensiker 23.770 Euro kosten, doch schon bei Detailfragen nach den Cellebrite-Geräten wird es zappenduster. Gäbe es nicht, Facebookseidank, den Vorschlag der mittlerweile abgelaufenen ungarischen Ratspräsidentschaft über Leitlinien für die Nutzung sozialer Netzwerke durch die Strafverfolgungsbehörden, wäre die Antwort noch knapper ausgefallen. So aber lernen wir, dass es Goldene Regeln für die Polizeiarbeit in sozialen Netzwerken gibt und können eine ausgesprochen verschwurbelte Präsentation des ungarischen Europol-Beamten Richárd Leyrer abrufen, die mit der Geschichte der geheimnisumwitterten Robin Sage beginnt. Entsprechend schlicht sind auch die Benimmregeln für offiziell in sozialen Netzen agierende Ermittler: Klappe halten, keine persönlichen Details und wenn du ein schwuler Cop bist, hast du eh nichts bei der Truppe zu suchen. Unter Pseudonym teilnehmen, geht gar nicht, es sei denn, es stehen Ermittlungen wie die Überprüfung von Alibis an. Hier haben sich soziale Netzwerke bestens bewährt, ebenso in der Fahndung.
*** Wie war das noch mit Google und dem Nichtsbösestun? Die ehrenwerte Firma schickt ihren Außenminister ins schöne Hannover zur nächsten Trendmesse mit dem an Orwell erinnernden Motto "Managing Trust". Sie ist drauf und dran, wieder in China Wurzeln zu schlagen, weil Marktpotenzial nunmal nichts Böses ist. Wie sagte es Orwell noch mal? "Men are only as good as their technical development allows them to be." Ja, wenn es eine Frage der Werkzeuge ist, dann ist es völlig unböse, indische Datengräber kenianische Datenbanken ausräubern zu lassen. Natürlich hat Google eine Strategie, wie das mit dem Trust bei den chinesischen Behörden funktionieren soll: Zunächst wird eine große Häkelschwein-Fabrik in China aufgebaut, damit das Land mit Häkelschweinen überschwemmt werden kann. Die Häkelschweine verdrängen die von privat gehäkelten Varianten von Ge-Bi und Ma-Le, jenen Grass Mud Horses, die in der Wüste Malegebi leben und gegen die Flusskrabbe (he xie) kämpfen, alles im Namen der harmonischen (he xie) Gesellschaft Chinas. Indem Google aus dem Protest gegen die Zensur eine Werbekampagne für eine harmlose Albernheit macht, gewinnt es das Vertrauen des Staates. Der nächste Sprung geht dann in das Land, in dem die glühende Sonne der Leidenschaft für den obersten Heerführer brennt, der Schuldige einem stabilisierten Leben zuführt. Wie formulierte es noch der selig gesprochene Steve Jobs vor einem Jahr? "Don’t be evil is a load of crap." Die Rivercrabs grüßen.
Was wird.
In der weißen Bibel der Apple-Jünger gibt es eine rührende Passage über den großen Erlöser. "Jobs hatte viele andere Ideen und Projekte, die er zu entwickeln gehofft hatte. Er wollte die Schulbuchkonzerne zerschlagen und die Rücken der armen Schüler schonen, die sich mit Rucksäcken abschleppen mussten, indem er elektronische Texte und Lernmaterialien für das iPad erstellte." Nun lädt Apple seine Fanboys in der kommenden Woche nach New York ein, um den Worten des Erlösers Taten folgen zu lassen. Die Rücken der armen Schüler werden entlastet, während der Kopf sich von Klein auf an iTunes und den Applestore gewöhnt. Die Gehirnwäsche beginnt nicht in den Ballbecken. Natürlich kann der amerikanische Ansatz nicht auf Deutschland übertragen werden. Die US-Situation aus der Sicht eines Pädagogen in Zahlen: 90 % Auswendiglernen, 10 % kritisches Denken und 0 % Kreativität. Bei uns ist es noch schlimmer.
Wenn diese kleine Wochenschau an den Start geht, ist es draußen dunkel. Wie wäre es mit einem frühmorgendlichen Kerzlein im Fenster, in Erinnerung an Martin Luther King und an die Reste der Occupy-Bewegung, die weltweit weggeräumt werden, weil es "nun gut" gut ist und diese Vorhölle des "nun gut" bis in höchste Ämter reicht. Die Aller mag überschritten sein, doch ratlos stehen wir vor der Grenze der Strafbarkeit. Sie hat einer überschritten. Wird er es schaffen, da draußen? Oder werden wir die Rufe hören: "Ich bin ein Präsident - Holt mich hier raus!" Wir leben in spannenden Zeiten. (vbr)