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Ladestecker-Hülle mit 3D-Drucker und Blender herstellen

Peter König

Wo man früher Fragmente zusammenklebte und dann das Ganze in Epoxy versenkte, baue ich heute lieber mit 3D-Software und -Drucker individuelle Ersatzteile.

Als 3D-Software nehme ich meistens Blender – damit kenne ich mich inzwischen gut aus, weil ich gerne auch mal was realistisch rendere oder kleine Animationsfilme mache. Das eine oder andere Rendering hat es in den vergangenen Jahren sogar auf das Make-Cover gebracht. Durch eine gewisse Routine mit Blender brauche ich inzwischen selten mehr als eine knappe Stunde für die Konstruktion eines maßgeschneiderten Ersatzteils (Download via GitHub) [1].

Beim Ladegerät eines betagten, aber immer noch von ihrer Besitzerin geliebten Klapphandys aus der Prä-Smartphone-Ära hatte sich das filigrane proprietäre Ladesteckerchen in seine Bestandteile aufgelöst. Eines der Hüllenteile war zwar noch vorhanden (es hing mit etwas Klebefilm am Kabel), aber eine Kopie davon wäre aufgrund vieler Rundungen aufwändig zu konstruieren und nur mit vielen Stützen druckbar. Zudem ist mir schleierhaft, wie die beiden Kabel im Inneren der Schalen ihren Platz finden sollten – sie waren dafür offenbar viel zu lang.

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Da Kabel und Lötstellen noch intakt waren, wollte ich daran nicht viel rumbiegen und entschied mich, lieber eine neue Steckerhülle drumherum zu entwerfen. Eleganz war kein Kriterium, das ganze sollte leicht zu drucken, solide zu kleben und gut zu greifen sein. Also kam als Grundform ein Quader mit einem abgerundeten Ende heraus. Die war in Blender schnell angelegt [20].

Jetzt galt es "nur" noch, das vorhandene Innenleben zu geometrischen Grundformen reduziert in Blender (Download) [21] nachzubauen und die dann von der Grundform mittels Bool-Modifier abzuziehen. Weil in diesem Fall alles in Bezug auf oben und unten sowie rechts und links als symmetrisch erwies, konnte ich mich darauf beschränken, nur eine halbe Schale zu konstruieren, die später zweimal gedruckt wurde. Außerdem nutzte ich, wo es ging, Mirror-Modifier.

Ich kenne das: Messschieber und Werkstück nehmen, messen, beides hinlegen, zu Tastatur und Maus greifen, auf den Bildschirm schauen – wie war das Maß nochmal genau? Deshalb messe ich lieber erst alles aus und mache mir eine Skizze. Die muss nur für die nächste Stunde und nur für mich verständlich sein und so sieht sie meistens auch aus. Macht nichts, die wandert danach in die Tonne.

Bild 1: Nicht schön, aber hilfreich: Die Skizze mit den wichtigsten Maßen. ,

Nicht schön, aber hilfreich: Die Skizze mit den wichtigsten Maßen.

Nach der Skizze waren dann der Zylinder für das ummantelte Kabel vom Steckernetzteil sowie der zwischengeschaltete Quader für die Zugentlastung schnell platziert und auf Maß gebracht. Den Kabelzylinder habe ich der Einfachheit halber weiter ins Innere des Steckers durchgezogen, das kam von den Maßen hin.

Bild 2: Es ist sehr nützlich, Objekte in Blender als Drahtgitter anzeigen zu lassen, die mittels Bool-Modifikator von der Grundform subtrahiert werden: Die Aussparungen sind sofort sichtbar. ,

Es ist sehr nützlich, Objekte in Blender als Drahtgitter anzeigen zu lassen, die mittels Bool-Modifikator von der Grundform subtrahiert werden: Die Aussparungen sind sofort sichtbar.

Klare Formen und Maße gab es auch auf der anderen Seite, bei der Kunststoffmanschette mit herausstehenden Nasen, in der auf der einen Seite die winzige Platine und auf der anderen der eigentliche Steckkontakt sitzt. Die Manschette baute ich in Blender durch einen weiteren Quader mit einer draufgesetzten Querleiste für die Nasen nach (Unterteilen im Edit Mode mit dem Loop-Cut-Werkzeug, dann extrudieren). Blieb noch der vage Bereich dazwischen, der Platz für die Platine und die Kabel bieten musste. Dafür zog ich kurzerhand den Quader für die Manschette rüber zur anderen Seite (als Distanz stand in meiner Skizze was von 14 mm) und extrudierte noch etwas nach oben und unten. Das sollte passen.

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Ich exportiere meine STLs für den 3D-Drucker aus Blender über das Add-on "3D-Print Toolbox" [23]. Das hat den Vorteil, dass nur die aktuell ausgewählten Teile in die STL-Datei wandern und nicht auch noch meine Booleschen Hilfsobjekte für die Aussparungen [24]. Dadurch muss ich in Blender die Modifier nicht anwenden, was nachträgliche Änderungen deutlich erleichtert.

Bild 3: Dreimal gedruckt und endlich kurz genug. Glücklicherweise betrug die Druckzeit jeweils nur eine Viertelstunde. ,

Dreimal gedruckt und endlich kurz genug. Glücklicherweise betrug die Druckzeit jeweils nur eine Viertelstunde.

Das erwies sich in diesem Fall als Segen – denn der Stecker war zu lang geraten. Die 14 mm Distanz waren zwar nicht falsch, aber meine Skizze war in Sachen Bezugspunkt dann doch zu wirr (bei der nächsten Skizze wird alles anders, ich schwörs!). Wenige Klicks in Blender später passte (im dritten Versuch) endlich alles. Nach einem letzten Funktionstest – hat der neue Stecker genügend Platz, oder kommt ihm das Abdeckkläppchen am Handy in die Quere? – konnte ich die beiden neuen Halbschalen des Steckers zusammenkleben. Hier erwies sich die relativ klobige Form meiner Konstruktion als nützlich, denn sie bietet Klebeflächen, die man zumindest nicht mit dem Mikroskop suchen muss.

Bild 4: Das Innenleben passt so präzise in die Aussparungen, dass sich beim Zusammenkleben beide Gehäuseteile automatisch korrekt zueinander ausrichten.,

Das Innenleben passt so präzise in die Aussparungen, dass sich beim Zusammenkleben beide Gehäuseteile automatisch korrekt zueinander ausrichten.

Blender eignet sich allerdings nicht nur für solche konstruktiv lösbaren Operationen, man kann damit auch gut organische Formen modellieren und anpassen, wie sie etwa ein 3D-Scanner liefert. Sie können nachlesen, wie ich mit Hilfe des Scanners Revopoint Mini und Blender ein beschädigtes Hirschgeweih restaurieren konnte [25] – keines in Lebensgröße, sondern das einer wenigen Zentimeter großen Trophäe in Form eines Kühlschrankmagneten. Das Ersatzteil misst nur rund acht Millimeter, passt aber wie angegossen.

Ersatzteile zum Selberdrucken in 3D​

Eine zentrale Stelle im Netz, an der man alle irgendwo herunterladbaren 3D-Vorlagen für Ersatzteile findet, gibt es leider nicht. Oft reicht es aber schon, in den Suchschlitz der bevorzugten einschlägigen 3D-Plattform die möglichst genaue Bezeichnung dessen einzugeben, was man sucht (etwa „pimpel dual turntable [26]“), in der Hoffnung, dass der Konstrukteur der Ersatzteilvorlage seinem Werk einen sinnvollen Namen oder eine aussagekräftige Beschreibung beigefügt hat.

Ansonsten kann man seine Suche vorab schon etwas eingrenzen: Auf der Plattform Cults3d.com beispielsweise gibt es eine Kollektion mit den „besten Ersatzteil-STL-Dateien für die Reparatur dank 3D-Druck [27]“; am beliebtesten ist hier eine Sammlung von Teilen für GoPro-Actionkameras. Auf Printables.com ist am 12. Oktober dieses Jahres ein Wettbewerb für Ersatzteile zu Ende gegangen und alle 3586 Einreichungen stehen zum kostenlosen Download [28] bereit. Die meisten Likes hat hierbei ein universelles und in Fusion 360 detailliert anpassbares Grundmodell für Drehknöpfe eingeheimst. Bei MyMiniFactory.com gibt es sogar eine eigene Kategorie für „Spare Parts [29]“ mit weiteren Unterabteilungen etwa für Kameras, Staubsauger oder fehlende Batteriefachdeckel.

Eine deutlich kleinere Teilesammlung steht auf 3d-reparieren.de [30] zum Download zur Verfügung. Die Webseite entstand als Projekt zweier Industriedesignerinnen und hatte das Ziel, hilfsbereite Leute mit CAD-Erfahrung mit anderen zusammenzubringen, die ein Ersatzteil für eine Reparatur benötigen. Das ursprüngliche Projekt „3D-Druck und Reparatur“ ist inzwischen leider abgeschlossen und die geplante Verstetigung der Initiative über den Verbund Offener Werkstätten scheint nicht so richtig in Gang gekommen zu sein. Schade eigentlich – gute Ersatzteilvorlagen kann es nie zu viele geben.

(pek [31])


URL dieses Artikels:
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Links in diesem Artikel:
[1] https://github.com/MakeMagazinDE/ErsatzteilSamsungLadegeraetStecker
[2] https://www.heise.de/ratgeber/Repair-Week-bei-heise-online-Alte-Geraete-die-Ersparnisse-und-die-Welt-retten-9350828.html
[3] https://www.heise.de/ratgeber/Repair-Cafe-Wenn-das-Wegwerfen-von-kaputter-Technik-keine-Option-ist-9336729.html
[4] https://www.heise.de/ratgeber/Kondensatoren-und-Co-Haeufig-defekte-Bauteile-in-elektronischen-Geraeten-9337815.html
[5] https://www.heise.de/ratgeber/Schaltnetzteile-von-Haushaltsgeraeten-selbst-reparieren-9336547.html
[6] https://www.heise.de/hintergrund/Speicherupgrade-fuers-iPhone-per-Loetkolben-9297220.html
[7] https://www.heise.de/ratgeber/Bastel-Projekt-Alte-Joysticks-mit-USB-aufruesten-9337849.html
[8] https://www.heise.de/tests/Reparieren-statt-Neukauf-Wann-sich-eine-Notebook-Reparatur-lohnt-6322482.html
[9] https://www.heise.de/ratgeber/iPhone-Akku-selbst-tauschen-Apples-Self-Service-Reparatur-ausprobiert-7463899.html
[10] https://www.heise.de/ratgeber/So-geht-s-Hifi-Geraete-Radios-und-Boxen-reparieren-bauen-und-verbessern-9354484.html
[11] https://www.heise.de/ratgeber/Statt-teurer-Messtechnik-Signalverfolger-selber-bauen-9336086.html
[12] https://www.heise.de/ratgeber/Alten-Plattenspieler-und-Receiver-reparieren-9336542.html
[13] https://www.heise.de/ratgeber/Praxisbeispiel-Wie-man-eigene-Ideen-mit-dem-3D-Drucker-druckt-9338300.html
[14] https://www.heise.de/ratgeber/Blumenkastenabdeckung-mit-Blender-nachbauen-und-ersetzen-9336340.html
[15] https://www.heise.de/ratgeber/Ladestecker-Huelle-mit-3D-Drucker-und-Blender-herstellen-9336111.html
[16] https://www.heise.de/hintergrund/So-werden-iPhones-refurbished-Blick-hinter-die-Kulissen-eines-Aufbereiters-9354846.html
[17] https://www.heise.de/hintergrund/Das-europaeische-Recht-auf-Reparatur-unter-der-Lupe-9179009.html
[18] https://www.heise.de/hintergrund/Wie-die-Kreislaufwirtschaft-mehr-Nachhaltigkeit-bringen-kann-6510749.html
[19] https://www.heise.de/hintergrund/Nachhaltigkeit-und-Reparierbarkeit-Interview-mit-Framework-Gruender-Nirav-Patel-7492314.html
[20] https://www.heise.de/ratgeber/Blumenkastenabdeckung-mit-Blender-nachbauen-und-ersetzen-9336340.html
[21] https://www.heise.de/download/product/blender-13137/download
[22] https://www.heise.de/make/
[23] https://docs.blender.org/manual/en/latest/addons/mesh/3d_print_toolbox.html
[24] https://www.heise.de/ratgeber/Blumenkastenabdeckung-mit-Blender-nachbauen-und-ersetzen-9336340.html
[25] https://www.heise.de/ratgeber/Freiform-Ersatzteil-selber-machen-mit-3D-Scanner-Blender-und-3D-Drucker-9335581.html
[26] https://www.heise.de/ratgeber/Alten-Plattenspieler-und-Receiver-reparieren-9336542.html
[27] https://cults3d.com/de/kollectionen/beste-stl-datein-ersatzteile-reparatur-3d-drucken?page=1
[28] https://www.printables.com/de/contest/402-replacementparts
[29] https://www.myminifactory.com/category/brands-spare-parts
[30] https://3d-reparieren.de/
[31] mailto:pek@ct.de