ScanTailor in der Praxis – Schritt für Schritt

Die kostenlose Softwaren ScanTailor bügelt Freihandfotos von Buchseiten für die digitale Bibliothek glatt. Wir zeigen, wie der Einstieg in die Bedienung der Freeware klappt.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Burkhard Fleischer
Inhaltsverzeichnis

In jüngster Zeit bin ich bei meinen Recherchen zu einem technikgeschichtlichen Thema in der lokalen Bücherei immer häufiger auf über hundert Jahre alte Bücher gestoßen, die mit dem Sperrvermerk "Nur in den Räumen der Bibliothek einsehbar" versehen waren. Als Student vor mehr als 40 Jahren habe ich in der Bibliothek einzelne Seiten und mitunter Bücher vollständig fotokopiert. Aber im digitalen Zeitalter? Ich beobachtete, dass Mitbesucher der Bibliothek Buchseiten mit ihrem Handy abfotografierten. Mit meiner Digitalkamera Canon A560 versuchte ich, es ihnen gleichzutun.

Doch das abzufotografierende Buch sperrte sich. Die einzelnen Seiten versuchten sich selbstständig vor- oder zurückzublättern, sobald ich sie losließ. Beim nächsten Bibliotheksbesuch nahm ich eine Glasplatte eines rahmenlosen Bildträgers mit, die es im Handel für weniger als 5 Euro gibt. Damit das Buch einigermaßen plan liegt, habe ich es auf eine Unterlage aus zwei Broschüren gelegt, zwischen denen ein Spalt für den Buchrücken blieb.

Vorbereitung des zu kopierenden Buches: Als Unterlage werden zwei Broschüren flach auf den Arbeitstisch gelegt. Zwischen ihnen wird ein Spalt für den Buchrücken gelassen. Um die Buchseiten flach zu drücken, ist auf das aufgeschlagene Buch eine Glasplatte eines rahmenlosen Bildträger gelegt worden. Im unteren Drittel der linken Buchseite ist deutlich ein Lichtreflex zu sehen. Dieser lässt sich durch Abschirmung zur Deckenbeleuchtung (ich setze hierfür einen Hut auf) und durch bedachte Wahl des Arbeitsplatzes vermeiden.

Der Autor mit Kamera und Hut: Burkhard Fleischer

Das alte Problem war gelöst, doch es stellte sich ein neues ein: Auf der Glasplatte spiegelten sich die Sonne von draußen und die Neonröhren von oben. Der Wechsel des Arbeitsplatzes nutzte nichts. Entweder waren die Sonnenstrahlen verschwunden oder die Neonröhren. Durch Zufall konnte ich die Neonbeleuchtung als störende Lichtquelle ausschließen. Ich behielt meinen Hut auf und war forthin von der störenden Neonleuchte durch die breite Hutkrempe abgeschirmt. Dem Außenlicht konnte ich durch Wahl des Arbeitsplatzes begegnen. Später versuchte ich es mit entspiegeltem Glas, mit dem ich ein ähnliches Problem bei meinem Selbstbau-Buchscanner entschärft hatte. Aber reflexfreies Glas funktioniert nur, wenn es plan auf der Vorlage liegt. Bei den Freihandaufnahmen kann das nicht sichergestellt werden. Also blieb ich bei der Normalglasscheibe.

In weniger als einer halben Stunde lichtete ich so Doppelseite für Doppelseite eines 160-seitigen Buches ab. Um den Aufwand für spätere Nachbearbeitungen zu minimieren, sollten die Kameraeinstellungen für die jeweilige Situation optimal sein. Ich habe allerdings keine großen fotografischen Erfahrungen, mache eher nur schnelle Schnappschüsse. Dennoch war mir klar: Es kommt auf die optimale Beleuchtung und Belichtung an. Da ich nicht mit einer riesigen Ausrüstung in der Bibliothek auftauchen wollte, suchte ich einen hellen Arbeitsplatz mit natürlichem Licht aus und wählte an der Kamera eine etwas größere Blende. Ich erhielt ein Ergebnis, das sich mit der kostenlosen Software ScanTailor in eine gut lesbare Kopie umwandeln ließ.

Buchseiten vor ...

... und nach der Bearbeitung.

Ohne Zweifel, ScanTailor ist zwar in die Jahre gekommen. Dennoch bin ich damit sehr zufrieden. Ich benutze das kostenlose Programm in der deutschen Version 0.9.11.1 seit mehreren Jahren. Über verschiedene Zwischenschritte hilft ScanTailor, die einzelnen Fotos zu drehen, zu schneiden, zu schärfen, zwischen Bildern und Textanteilen auf einem Foto zu unterscheiden, sodass zum Schluss eine (fast) druckreife Seite herauskommt. Zu schaffen ist das jedoch nur, indem einige weniger bekannte Funktionen des Programms ausgereizt werden – hier kommt die Anleitung dafür.