Strom erzeugen: Mit eigenem Solar-Balkonkraftwerk die Stromrechnung senken

Seite 2: Kosten und Nutzen

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Die Beispiele machen deutlich: Ein Balkonkraftwerk lohnt sich vor allem dann, wenn man den Eigenverbrauch in den Phasen der größten Eigenproduktion maximiert. Wer um 12 Uhr in der Mittagssonne Waschmaschine oder Spülmaschine abfährt, muss nicht zusehen, wie selbst produzierte Energie ohne Bezahlung im Netz versickert. Home-Office-Arbeiter sind klar im Vorteil, in die Zielgruppe für Balkonkraftwerke fallen aber auch all jene, die gern automatisieren, vernetzen, auswerten und optimieren.

Eine präzise Aussage, wann sich die Investition in ein Balkonkraftwerk rentiert, ist angesichts der vielen Variablen (Wetter, Verbrauch, Strompreisänderungen etc.) nicht möglich. Einstellen kann man sich bei einer 600-Watt-Anlage grob auf Kosten um 700 Euro und eine Amortisationszeit von sechs bis neun Jahren. 90 bis 100 Euro Stromkosten kann man im Jahr unter guten Bedingungen vermeiden.

Typische Kosten
Produkt realistischer Preis
Komplettpaket 600 W (Wechselrichter und Module) 750 €
Komplettpaket 300 Watt (Wechselrichter und Modul) 350 €
Wechselrichter 300 W 210 €
Wechselrichter 600 W 280 €
Modul 300 W, neu 250 €
Modul 300 W, gebraucht 150 €
Befestigungsmaterial 80 €

PV-Anlagen sind aber für deutlich längere Zeiträume konstruiert als Heimelektronik: Die Module halten problemlos 30 Jahre, Wechselrichter gerne mal 15. In ihrer Lebenszeit spielen die Geräte also sicher die Ausgaben wieder ein und sparen nebenbei auch mehr CO2 als für die Herstellung freigesetzt wurde.

Wer die Wirtschaftlichkeit genau ausrechnen will, sollte den sehr umfangreichen Stecker-Solar-Simulator der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) ausprobieren. Einziger Kritikpunkt an diesem Rechner: Aktuell kann man lediglich eine jährliche Strompreissteigerung von bis zu drei Prozent in die Berechnung einbeziehen. Angesichts der Entwicklungen in der ersten Jahreshälfte 2022 erscheint das zu wenig.

Nicht vergessen darf man bei all der Wirtschaftlichkeitsberechnung den Spaß beim Betreiben – Hobbys und Urlaube sind schließlich auch nicht wirtschaftlich und müssen keinen Amortisationsrechnungen standhalten. Aus eigener Erfahrung und Gesprächen mit anderen Balkonkraftwerksbetreibern können wir festhalten: Es bereitet einfach Freude, den eigenen Modulen beim Produzieren zuzuschauen. Maximieren kann man die Freude, wenn der Wechselrichter eine Schnittstelle zum Auswerten hat, oder man zwischen Wechselrichter und Steckdose eine Energiemesssteckdose steckt.

Seit ein paar Monaten bewegen sich Balkonkraftwerke heraus aus der Nische für technikbegeisterte Energiesparer und hinein in den Massenmarkt, Anfang 2022 wurden Balkonkraftwerke bereits in den ersten Baumärkten gesichtet. Um die Entwicklung dieses Trends mit Zahlen zu belegen, haben wir einen für das Thema unschlagbaren Datenschatz angezapft: Die Bundesnetzagentur betreibt das Marktstammdatenregister. Wer eine Energieerzeugungsanlage (also auch ein Balkonkraftwerk) betreibt, muss sie dort online melden. Die Daten des Portals haben wir nach Balkonkraftwerken (aktive PV-Anlagen zwischen 150 und 600 Watt) gefiltert und die installierte Leistung über die Zeit kumuliert. Im Diagramm auf Seite 23 sehen Sie, wie sich die installierte Leistung seit 2018 entwickelt hat. Deutlich zu erkennen ist der Knick im März 2022 – vieles spricht dafür, dass der Krieg gegen die Ukraine und die Diskussion über steigende Energiepreise das Interesse noch einmal angefacht haben. Auch die absoluten Zahlen können sich sehen lassen. Anfang Juni waren 20.000 Anlagen mit zusammen 10.000 Kilowatt installierter Spitzenleistung gemeldet.

Die Daten aus dem Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur zeigen unter anderem die Auswirkungen der Energiepreissteigerungen: Seit Anfang 2022 wächst die installierte Leistung durch kleine Photovoltaikanlagen (bis 600 Watt Peak) rasant.

Doch die hohe Nachfrage hat auch Schattenseiten. Wenn Sie jetzt selbst über ein Balkonkraftwerk nachdenken, haben wir schlechte Nachrichten für Sie: Seit März 2022 sind die deutschen Webshops mit der Hardware (zahlreich zu finden unter dem Suchbegriff "Balkonkraftwerk") größtenteils leergefegt. Auf der Fachmesse Intersolar in München kamen wir mit dem Wechselrichterhersteller AEconversion ins Gespräch. Er entwickelt seine Geräte in Deutschland und lässt in Asien fertigen – und bestätigte uns, was wir nach der Recherche in den Webshops schon erahnt hatten: Bereits im März war der gesamte Vorrat des Herstellers für das Jahr 2022 verkauft, obwohl er sich nach den Erfahrungen in der Pandemie großzügig bevorratet hatte. Nachschub ist laut AEconversion bestellt, doch stockende Lieferketten machen sich auch hier bemerkbar. Anderen Wechselrichterherstellern ergeht es ähnlich und statt Bestellknöpfen haben viele Shops heute Wartelisten.

Die rasant gestiegene Popularität der Anlagen hat eine Forschergruppe der HTW Berlin veranlasst, sich mit den Beweggründen der Betreiber zu beschäftigen. Ihre Studienergebnisse mit den Auswertungen einer Onlineumfrage mit über 2000 Teilnehmern erschien im Mai 2022. Ein Ergebnis rüttelt auch am Klischee des allzeit korrekten Deutschen: Nur 45 Prozent der befragten Betreiber gaben an, das Gerät wie vorgeschrieben dem Netzbetreiber gemeldet zu haben, 42 Prozent haben es im Marktstammdatenregister eingetragen. Die häufigsten Gründe: "Es ist zu kompliziert" (33 Prozent der Nicht-Anmelder) und "Ich habe nichts davon" (28 Prozent). Mit diesen Ergebnissen muss man auch unser Diagramm neu einordnen: Rechnet man die Werte hoch, könnten schon über 20.000 Kilowatt Spitzenleistung und über 40.000 Anlagen installiert sein – bei etwa 40 Millionen Haushalten in Deutschland. Demnach hinge immerhin in jedem tausendsten Haushalt ein Balkonkraftwerk.