Streit um Erstattungszinsen geht weiter

Die Frage, ob Zinsen auf Einkommenssteuererstattungen zu versteuern sind oder nicht, beschäftigt die Gerichte weiter. Das Finanzgericht Münster stellt sich auf die Seite der Steuerzahler.

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Von
  • Marzena Sicking

Muss ein Steuerzahler, der vom Finanzamt Geld zurück bekommt, die sich daraus ergebenden Nachzahlungszinsen versteuern oder nicht? Die Frage um die Versteuerung von Erstattungszinsen beschäftigt seit Jahren die Gerichte und die Ergebnisse sind für den Steuerzahler ein echtes Wechselbad der Gefühle. So hatte nach jahrelangem Streit, der durch alle Instanzen führte, der Bundesfinanzhof vor rund eineinhalb Jahren entschieden, dass die Erstattungszinsen nicht der Einkommenssteuer unterliegen. Kurz darauf hat der Gesetzgeber das Urteil mit einer neuen gesetzlichen Regelung wieder ausgehebelt. Die soll rückwirkend für alle noch nicht rechtskräftigen Steuerbescheide gelten. Gegen den entsprechenden Erlass wehrte sich eine Steuerzahlerin und bekam Recht.

So äußerte der 2. Senat des Finanzgerichts Münster in seinem Urteil ernsthafte Zweifel daran, dass die rückwirkend angeordneten Besteuerung von Erstattungszinsen rechtens ist (Urteil vom 27. Oktober 2011, Az.: 2 V 913/11 E).

Geklagt hatte eine Steuerzahlerin, die 2008 vom Finanzamt Geld zurück und Erstattungszinsen für den Zeitraum 2001 bis 2003 erhalten hatte. Das Finanzamt besteuerte diese nachträglich als Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG) und berief sich dabei auf das Jahressteuergesetz 2010 vom 8. Dezember 2010. Kurz gefasst: Da die Steuer für die genannten Zeiträume noch nicht rechtskräftig festgesetzt war, nutzte das Finanzamt die Gelegenheit und erhob nachträglich auf die längst gezahlten Erstattungszinsen eine Steuer – das neue Gesetz machte es möglich.

Die Steuerzahlerin wehrte sich dagegen und stellte sich vor Gericht auf den Standpunkt, dass die Rückwirkung des Jahressteuergesetzes 2010 nicht im Einklang mit dem Grundgesetz stehe. Das sah der 2. Senat des Finanzgerichts Münster genauso. Und stellte nicht nur in Frage, ob die Regelung gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Rückwirkungsverbot verstoße, sondern monierte auch deren Form. So sei der Gesetzgeber zwar befugt, grundlegende Systemwechsel herbeizuführen, doch bedürfe es dafür eines "wirklich neuen Regelwerkes" mit einem Mindestmaß von Ansätzen neuer Prinzipien- oder Systemorientierung. Hebe der Gesetzgeber also die bis dahin gebotene Gleichbehandlung von Erstattungs- und Nachzahlungszinsen auf, bedürfe es dazu auch einer systematischen Klarstellung sowie der Ergänzung oder Änderung weiterer Vorschriften. Unklar sei insbesondere, welche Bedeutung dem § 12 Nr. 3 EStG im Hinblick auf das Leistungsfähigkeits-, das Netto- und das Veranlassungsprinzip zukomme. Die Regelung schreibt weiterhin die Nichtabzugsfähigkeit von Nachzahlungszinsen fest. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das Gericht die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Interessant für alle, die das Gerangel um die Frage nach der Besteuerung der Erstattungszinsen verfolgen: Das gleiche Gericht (allerdings der 5. und nicht – wie im aktuellen Fall – der 2. Senat) hat diese Zinsen in einem Urteil vom 16. Dezember 2010 (Az.: 5 K 3626/03 E) für verfassungsgemäß erklärt. Auch hier wurde eine Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Zweifel an der rückwirkend angeordneten Besteuerung hatte zuvor auch schon das Finanzgericht Düsseldorf ausgesprochen: Hier vertraten die Richter die Meinung, es würden sowohl gewichtige Gründe für als auch gegen die Rechtmäßigkeit sprechen. Und eine solch unsichere Rechtslage rechtfertige die Aussetzung des Vollzugs durch das Finanzamt (Urteil vom 5.9.2011, Az.:1 V 2325/11). (Marzena Sicking) / (map)
(masi)