Nero verklagt MPEG LA wegen Kartellrechtsverletzung

Der Karlsbader Hersteller von Multimedia- und Brennsoftware hat in den USA Kartellrechtsklage gegen das Konsortium eingereicht, das Patentlizenzen für diverse Videoformate erteilt, und dem Verbund "absoluten Machtmissbrauch" vorgeworfen.

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Die Nero AG hat in den USA Kartellrechtsklage gegen die MPEG LA (Licensing Authority) eingereicht. Dies geht aus der jetzt veröffentlichen Beschwerdeschrift (PDF-Datei) an ein Bundesgericht in Kalifornien von Mitte Mai hervor. Der Karlsbader Hersteller von Multimedia- und Brennsoftware wirft dem Konsortium, das Patentlizenzen für gängige Videoformate wie MPEG-2, MPEG-4 Visual oder MPEG-4 AVC (H.264) erteilt, "absoluten Machtmissbrauch" vor. Die Lizenzierungsstelle habe ein "räuberisches und missbräuchliches Verhalten" an den Tag gelegt und damit "der Innovation, dem Wettbewerb und den Verbrauchern in den relevanten Technologiemärkten kartellrechtlichen Schaden zugefügt".

Konkret monieren die Nero-Anwälte, dass sich die MPEG LA nicht an Vereinbarungen mit dem US-Justizministerium aus den späten 1990ern gehalten habe. Die Regierungsbehörde hatte damals eine Kartellrechtsuntersuchung der Vereinigung zur Verwaltung von Patentpools durchgeführt. Um Regulierungsschritte abzuwenden, versicherte die MPEG LA schließlich, dass man in den MPEG-2-Topf nur "essenzielle" gewerbliche Schutzrechte aufnehmen würde. Dabei handelte es sich um 53 Patentansprüche, deren Erfordernis zum Schutz des Standards man aber noch einmal mithilfe eines unabhängigen Experten überprüfen wollte. Darüber sollten die Lizenzen auf der sogenannten FRAND-Basis (Fair, Reasonable And Non-Discriminatory) vergeben werden, also die Nutzung der Norm gegen Zahlung eines Entgelts möglichst allen Interessenten ohne Unterschied ermöglichen.

Laut der Klageschrift hat der Patentverwalter gegen alle gemachten Zusagen verstoßen. Der herbeigerufene "unabhängige Experte" habe nicht nur die ersten Lizenzvereinbarungen der Institution aufgestellt, sondern werde mittlerweile als ihr offizieller Patentanwalt ausgegeben, konstatiert die Gerichtseingabe. Allein der MPEG-2-Patentpool sei auf 800 Schutzrechte ausgebaut, die ursprünglichen 53 Patente seien nach ihrem Auslaufen großflächig durch Alternativen ersetzt worden. Parallel habe die MPEG LA ihre Monopolmacht rund um die MPEG-4-Pools ausgeweitet. So umfasse der für den herkömmlichen MPEG-4-Videocodec inzwischen 1000, der unter anderem für HDTV, Blu-ray Disc und Internetvideo verwendete H.264 sogar schon 1300 Schutzrechte.

Die Lizenzierungsbedingungen seien zudem "unfair, unvernünftig und diskriminierend", wettern die von Nero mit der Klageführung beauftragten Rechtsexperten weiter. So würden von unterschiedlichen Lizenznehmern verschiedene Gebühren verlangt, die zudem angesichts des "dramatischen" Verfalls der Kosten zur Implementierung des MPEG-2-Standards generell deutlich zu hoch lägen. Zudem halte die Lizenzierungsstelle für ein und dieselben Geräte mehrfach die Hand auf, da für Gerätschaften wie Hardware, Software oder Monitore extra zu zahlen sei. Insgesamt habe die MPEG LA einen Marktanteil von über 100 Prozent, da man für den Vertrieb jeden Geräts oder jedes Programms, das auch nur entfernt mit Videoverarbeitung zu tun habe, Lizenzen erwerben müsse. Die Einrichtung habe den Wert allein für MPEG-2-Produkte 2006 auf über eine halbe Billiarde US-Dollar geschätzt. Dazu komme eine "Kultur der Gier", die sich in teuren Apartments und Luxusautos für Vertriebsmitarbeiter niederschlage.

Im Detail dreht sich die Klage auch um die veränderte Einschätzung von Demo-Versionen von Multimedia-Software durch die MPEG LA. So habe diese anfangs auf Anfrage Neros wiederholt erklärt, dass es sich beim Angebot entsprechender Programme nicht um einen Verkauf handle. 2008 habe die Einrichtung dann plötzlich eine Kehrtwende vollzogen und auch für Demos die Zahlung von Vergütungen verlangt und Beweise für die vorherigen Absprachen vor Gericht zu verschleiern versucht.

Die MPEG LA hatte Nero Anfang des Jahres ihrerseits im Streit um Lizenzzahlungen verklagt. Garrard Beeney, ein für die Institution tätiger Anwalt der Kanzlei Sullivan & Cromwell, hat die Kartellrechtsbeschwerde der Karlsbader daher als "typische Antwort" auf eine solche gerichtliche Auseinandersetzung bezeichnet. Es handle sich dabei um eine oft bemühte Taktik zum Drücken oder Aussetzen von Vergütungen. Vergleichbare Anschuldigungen seien aber bereits von verschiedenen Gerichten einschließlich von Berufungsinstanzen zurückgewiesen worden. Beobachter gehen trotzdem davon aus, dass der Fall auch Konsequenzen für das Aufstellen von Konditionen von Patentpools für die kostenlose Verbreitung freier Software haben könnte. (vza)