Sonne aus dem Tank

Mit Wärmespeichern können Sonnenkraftwerke auch nachts Strom liefern. Doch die Auswahl des richtigen Speichermaterials ist eine Wissenschaft für sich. Forscher experimentieren mit Beton, Salz - und Sand.

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Mit Wärmespeichern können Sonnenkraftwerke auch nachts Strom liefern. Doch die Auswahl des richtigen Speichermaterials ist eine Wissenschaft für sich. Forscher experimentieren mit Beton, Salz – und Sand.

Erneuerbare Energien, sagen Kritiker, seien unzuverlässige Gesellen: Sonne und Wind lieferten nur dann Strom, wenn es ihnen beliebt – und wenn die Natur unpässlich ist, müssten fossile Brennstoffe in die Bresche springen. Bei den je 50 Megawatt leistenden Solarthermie-Kraftwerken Andasol 1 und 2 nahe der südspanischen Stadt Granada ist das anders: Sie können auch dann Strom liefern, wenn die Sonne nicht scheint. Tagsüber erhitzen dazu verspiegelte Parabolrinnen ein Thermo-Öl, das wiederum Tanks mit 28500 Tonnen flüssigem Salz auf knapp 400 Grad aufheizt. Nachts gibt das Salz die Wärme wieder ab, um eine Dampfturbine zu betreiben.

Rund sieben Stunden lang kann das Kraftwerk auf diese Weise auch nach Sonnenuntergang noch Strom liefern. Mit der geplanten 17-Megawatt-Anlage "Solar Tres" bei Sevilla soll – dank Salzspeicher – künftig erstmals ein Sonnenkraftwerk sogar rund um die Uhr Strom liefern können.

Damit haben sich Salzschmelzen als kommerzielle Referenz für die Wärmespeicherung etabliert. Ihr Vorteil: Durch die Wahl der richtigen Salzmischung (bei Andasol: 60 Prozent Natriumnitrat/NaNO3 und 40 Prozent Kalium-nitrat/KNO3) kann die Schmelztemperatur genau auf den gewünschten Bereich eingestellt werden. Wasserspeicher würden bei den geforderten Temperaturen längst zu Dampfkochtöpfen mutieren, die durch dicke, druckfeste Wände gebändigt werden müssten. Doch das flüssige Salz hat auch seine Nachteile: Es ist relativ teuer, und es darf niemals auskühlen und erstarren, denn das würde den Speicher zerstören.

Deshalb muss es notfalls per Gasfeuerung warm gehalten werden. Zudem kommt Flüssigsalz nicht für jedes Solarthermie-Kraftwerk infrage. "Die Art des Wärmeüberträgermediums – ob flüssig oder gasförmig – bestimmt die Art des Speichers", sagt Stefan Zunft vom Institut für Technische Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Deshalb arbeiten Forscher an Speichertechniken, die genau auf die jeweiligen Kraftwerkstypen ausgelegt sind.

Das Solarinstitut der Fachhochschule in Jülich hat ein 1,5 Megawatt starkes Solarkraftwerk gebaut, bei dem im Halbkreis angeordnete Spiegel das Sonnenlicht auf die Spitze eines Turms fokussieren. Dort sitzt ein Absorber aus porösem keramischen Material, das durchströmende Luft auf knapp 700 Grad erhitzt. Wärmeüberträger ist also keine Flüssigkeit, wie bei Parabolrinnenkraftwerken, sondern ein Gas. Damit scheidet Salzschmelze als Speicher aus, denn Wärme lässt sich nur schwer von Gasen auf Flüssigkeiten übertragen. Stattdessen verwenden die Jülicher Forscher einen Speicher aus Keramik, die von ein bis zwei Quadratmillimeter großen Kapillaren durchzogen ist. Die heiße Luft strömt durch diese Poren und kann dank der großen Oberfläche ihre Wärme gut an den Speicher übertragen.

Doch auch dieses Konzept hat einen Schönheitsfehler: Die Keramik ist recht teuer. Deshalb suchten die Jülicher Forscher nach einer Alternative und stießen dabei auf ein anderes Speichermedium, das reichlich vorhanden, harmlos und praktisch kostenlos ist: Sand. Gerade haben sie ein erstes Pilotprojekt mit einem Luft-Sand-Wärmetauscher mit 15 Kilowatt Leistung abgeschlossen. Derzeit bereiten sie einen Nachfolger mit 150 Kilowatt vor, der ab 2011 gebaut wird und 2012 erste Ergebnisse liefern soll. Der Jülicher Wärmetauscher arbeitet nach dem Prinzip der Sanduhr: Von oben rieselt kühler Sand nach unten in einen Auffangbehälter. Quer dazu wird die heiße Luft eingeblasen und gibt dabei ihre Wärme an die Sandkörner ab. Ein solcher Wärmespeicher soll insgesamt etwa 30 Prozent preiswerter sein als die Keramikvariante.

Allerdings ist das Verfahren nicht ganz trivial, wie die Jülicher Forscher erfahren mussten: Sand ist ein inhomogenes Gemenge unterschiedlich großer Körner und lässt sich nicht so einfach wie eine Flüssigkeit hin und her pumpen – stattdessen neigt er dazu, die Leitungen zu verstopfen. Auch die Trennsiebe zwischen Luft- und Sandkanälen werden durch die aggressiven Sandstrahlen angegriffen. Die prinzipielle Machbarkeit des Wärmetauschers sei aber erwiesen, sagen die Jülicher Forscher.

Für Parabolrinnenkraftwerke mit Direktverdampfung, bei der Dampf ohne Umweg über ein Thermo-Öl direkt im Kollektor erzeugt wird, hat das DLR einen Salzspeicher entwickelt, der genau das ausnutzt, was andere Betreiber fürchten: den Phasenwechsel von Salz zwischen fest und flüssig. Der Charme dieses Prinzips: Beim Erstarren und Schmelzen behält das Material immer eine konstante Temperatur bei. Mit der Wahl der Salzmischung kann diese Temperatur genau auf das gewünschte Maß eingestellt werden.

Das Problem dabei: Ist das Salz erst einmal erstarrt, sinkt seine Wärmetransportfähigkeit rapide – es lässt sich also nur noch sehr schwer schmelzen. In verschiedenen Forschungsprojekten haben die DLR-Forscher deshalb untersucht, wie sich diese fehlende Leitfähigkeit durch technische Maßnahmen ausgleichen lässt – etwa durch Grafit- oder Metallscheiben im Speicher oder durch beigemengte Grafitpartikel im Salz. Gemeinsam mit Industrie-partnern hat das DLR nun ein System entwickelt, bei dem ein Phasenwechselspeicher mit einem Speicher aus Beton kombiniert wird. Der Phasenwechselspeicher nutzt 14 Tonnen Nitratsalz mit 700 Kilowattstunden Kapazität bei einer Temperatur von 306 Grad. Der Beton übernimmt die Vorwärmung und die Überhitzung des Dampfes. Damit kann Wasserdampf mit einem Druck von bis zu hundert Bar erzeugt werden. Der erste Praxistest in Spanien soll noch in dieser Jahreshälfte stattfinden.

Noch weit von Tests in solchen Dimensionen entfernt ist die chemische Wärmespeicherung, an der DLR-Forscher ebenfalls arbeiten – bisher allerdings nur im Labormaßstab. Dabei spaltet die Primärwärme beispielsweise Calciumhydroxid (Ca(OH)2) in Calcium und Wasser auf. Bei der Wiederver-einigung wird die eingesetzte Wärme wieder frei. So ließe sich Wärmeenergie verlustfrei mit einer hohen Energiedichte über eine längere Zeit lagern und mit einer genau definierten Temperatur wieder freisetzen. Die Prozesstechnik ist dafür aber noch um einiges komplexer, denn dazu muss ein geeigneter Chemie-Reaktor gebaut und in den Prozess integriert werden. (bsc)