Neuronale Netze analysieren Fußballprofis

Das digitale Aufzeichnen und akribische Auswerten von Spielerdaten hat sich zum Standard im Profi-Fußball entwickelt. Doch die Daten müssen – in einem fehleranfälligen Verfahren – von Hand validiert werden. Sportwissenschaftler arbeiten deshalb an automatisierten Spielanalysen, berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe.

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Das Sammeln und akribische Auswerten von Spielerdaten aus Pflichtbegegnungen, Turnieren, dem Training und sogar den Ernährungsgewohnheiten hat sich in den letzten Jahren im Fußball zu einem professionellen Standard entwickelt. Doch die Daten müssen – in einem fehleranfälligen Verfahren – von Hand validiert werden. Sportwissenschaftler arbeiten deshalb an automatisierten Spielanalysen, berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe (ab heute am Kiosk oder portokostenfrei online zu bestellen).

Zahlreiche Analyse-Werkzeuge mit teilweise etwas kryptischen Namen wie „Amisco“, „IsoLynx“, „SportsCode“, „SportVAS“ „SportsAnalytics“ oder „Vis.track“ konkurrieren miteinander. Die deutsche Nationalmannschaft etwa gibt – ebenso wie die österreichische und viele europäische Topvereine – dem Analysesystem „Amisco“ den Vorzug. Dieser Dienst erfasst sämtliche Bewegungen aller 22 Spieler, des Balls und des Schiedsrichters unter anderem mit Hilfe von Kameras unter dem Stadiondach. Danach werden sämtliche Positionen der Spieler, des Balls und der Schiedsrichter von einer patentierten Tracking-Software anhand mehrerer Perspektiven der kalibrierten Kameras zusammengerechnet. Um an genaue Daten zu kommen, bedarf es allerdings einer manuellen Nachkontrolle: Besonders nach Zweikämpfen haben die Software-Systeme noch Mühe, die beteiligten Spieler in den Videoaufnahmen auseinanderzuhalten. Deshalb werden die Daten nach Spielschluss zu Produktionszentren nach Frankreich und Spanien gesendet. Dort verfolgen einige Dutzend, in Stoßzeiten bis zu 100 freie Mitarbeiter alle Wege aller Spieler am Bildschirm, ordnen die Ereignisse bestimmten Kategorien zu (Ballannahme, Pass, Freistoß, Tor) und schicken diese Daten dann in eine Qualitätskontrolle.

An der Kleidung oder den Schuhen der Spieler angebrachte Chips würden diese Arbeit natürlich enorm erleichtern – nur sind die im Wettkampf nicht erlaubt. Also setzen die Anbieter entweder auf halbwegs genaue Auswertungen von Videobildern und sind damit sehr schnell – oder auf verlässliche Angaben, die durch die menschliche Nachkontrolle aber ihre Zeit brauchen.

Die technische Professionalisierung des Fußballs wird sich aber auch von der FIFA nicht aufhalten lassen: Neuronale Netze sollen die Positionsdaten aus einem Fußballspiel in eine überschaubare Zahl von Situationen überführen. „Wenn die Tracking-Daten exakt genug sind, können wir das heute schon“, sagt Prof. Dr. Daniel Memmert vom Institut für Kognitions- und Sportspielforschung der Deutschen Sporthochschule Köln. „Mit den Netzen machen wir in zwei Minuten das, wofür man heute noch mit manueller Arbeit acht Stunden braucht.“ Alle Spielsituationen, die sich definieren lassen, würden von seinen neuronalen Netzen sicher erkannt und kategorisiert. Sie seien sogar in der Lage, Situationen zu simulieren: „Wenn eine Mannschaft zum Beispiel mit einer Raute im 4-4-2-System spielt, dann können wir ausprobieren, wie man gegen andere Systeme am meisten Bälle in den Strafraum bekommt“, verspricht der Sportwissenschaftler.

(wst)