Zuckerbremse gelöst: Süße Tomaten dank Gentechnik ganz groß
Beim Anbau der Nachtschattengewächse gilt stets: Soll die Tomate geschmackvoller sein, kostet das Ernte. Chinesische Forscher wollen das Problem nun lösen.
Tomaten in einem Wasserbad: Entweder groß oder süß.
(Bild: Generiert mit Midjourney durch heise online)
Wer kennt sie nicht, die klassische, nahezu geschmacklose Tomate. Sie kommt oft aus dem Gewächshaus, hat eine (große) Normgröße und ist reichlich wässrig. Schön anzusehen ist sie, doch Würze sieht anders aus. Was fehlt, ist die Süße, wie sie in Wildformen der Tomate deutlich häufiger anzutreffen ist. Doch wie lässt es sich schaffen, reiche, supermarkttaugliche Ernte mit gutem Geschmack zu kombinieren? Wie sich zeigt, hilft dabei die Genschere CRISPR, die bereits bei der Herstellung neuartiger Therapieformen zum Einsatz kommt.
Beim Zuckergehalt aufs Gas steigen – für mehr Geschmack
Mit CRISPR ist es möglich, Teile des Genoms auszuschneiden und durch ein anderes DNA-Stück zu ersetzen. Schon zuvor gab es hier Versuche mit Kulturpflanzen, die dann beispielsweise weniger Anbaufläche oder weniger Sonne benötigten. Auch möglich ist es, den Gehalt an Nährstoffen zu erhöhen oder den Wasserbedarf beim Anpflanzen zu reduzieren. Ein Team um den chinesischen Forscher Sanwen Huang an der Chinese Academy of Agricultural Sciences in Peking verglich nun klassische Gewächshaustomaten mit verschiedenen wilden Spezies. Dabei wurden insgesamt zwei Gene entdeckt, die spezifisch mit der Zuckerbildung in Tomaten zu tun zu haben scheinen. Die davon kodierten Proteine interagieren mit Enzymen, die für die Produktion von Saccharose verantwortlich sind.
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Die im letzten Monat in Nature publizierte Studie zeigt, wie die "Zuckerbremsen" gelöst werden könnten. "Der Zuckergehalt von Handelssorten ist [bei Tomaten] im Allgemeinen niedrig, da er umgekehrt mit der Fruchtgröße korreliert und die Erzeuger dem Ertrag Vorrang vor der Geschmacksqualität geben. Wir haben zwei Gene identifiziert, die Calcium-abhängige Proteinkinase 27 (SlCDPK27; auch bekannt als SlCPK27) und ihr Paralog SlCDPK26, die den Zuckergehalt der Früchte steuern. Sie wirken als Zuckerbremsen, indem sie eine Saccharose-Synthase phosphorylieren, was den Abbau der Saccharose-Synthase fördert", heißt es darin. Durch die CRISPR-Verwendung konnten die beiden Gene ausgeschaltet werden. Im Versuch war das Resultat ein Glucose- und Fructose-Anstieg um 30 Prozent. Beim Geschmackstest wurde dies deutlich – gleichzeitig gab es keine Einschränkungen bei Größe und Ernte.
Zu wenig Wissen darüber, was in Pflanzen tatsächlich passiert
Interessanterweise scheinen SlCDPK27 und SlCDPK26 nicht nur bei Tomaten die Zuckerakkumulation zu beeinflussen, sondern auch bei anderen Nutzpflanzen. In weiteren Untersuchungen soll es künftig um süßere Äpfel und Birnen gehen. In einem die Studie begleitenden "News & Views"-Artikel meinen die Forscher Amy Lanctot und Patrick Shih, dass die Arbeit einen "spannenden Schritt nach vorne" beim Verständnis der Ressourceneinteilung in der Frucht darstellt. Das könne "Auswirkungen auf die Verbesserung von Nutzpflanzen weltweit" haben. Shih zufolge fehlt es derzeit noch generell an einem Verständnis dafür, "wie Pflanzen grundsätzlich arbeiten". Das Thema Zuckergehalt in Tomaten beschäftigt Pflanzenbiologen jedenfalls bereits seit vielen Jahren, ohne dass es eine Lösung dafür gab. "Die genetische, molekulare und biochemische Charakterisierung von Wildtomatenarten mit hohem Zuckergehalt der Früchte hat unser Verständnis des Kohlenhydratstoffwechsels in der Tomate erheblich verbessert und könnte für neue Züchtungsprogramme genutzt werden", schreiben Huang und Co. weiter.
Wie üblich bei Gentechnik gilt, dass die Sicherheit der Pflanzen zunächst überprüft werden muss. Daran ändert auch CRISPR nichts, selbst wenn es sich bei der Studie um einen Knockout-Versuch handelt, bei dem keine neuen Gene hinzugefügt werden und nur die beiden Zuckerbremsen ausgeschaltet wurden. Doch auch das könnte negative Konsequenzen haben, die erforscht werden müssen. Auch die Arbeit am Tomatenanbau an sich geht unverdrossen weiter. Ebenfalls im November zeigten britische Forscher, wie sie durch ein Spray, das Farbwellenlängen ändern kann, die Beleuchtung von Gewächshäusern verbessern können, die so mit weniger künstlichem Licht auskommen. Das würde den Stromverbrauch beim Anbau im Winter deutlich reduzieren. Sprüht man das Spray auf Gewächshausscheiben, wird blaues Licht von draußen zu rotem umgewandelt, was wiederum den Pflanzen beim Wachstum hilft.
(bsc)