4W

Was war. Was wird.

Hier geht es um IT, um EDV, und um echte Probleme. Hier ist die Frage: 0 oder 1? Hier gibt es kein Unentschieden, darauf besteht Hal Faber. Und stellt doch lieber Fragen als die Antworten schon zu wissen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 119 Kommentare lesen
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Werte Leserin, werter Leser, zur geflissentlichen Beachtung: In diesem Text kommt kein Rudi Völler vor. Hier wird nicht gespuckt. Und wenn Herr Theweleit in der Zeitung von den neuen flachen Hierarchien des Fußballs schwärmt, die dieser von den Playstations und Doom-Ballereien abgeguckt hat, dann wird hier gelächelt. Hier geht es um IT, um EDV, und um Betriebssysteme: Da geht es niemals unentschieden aus. 0 oder 1, das ist die Frage.

*** Die Antwort auf diese Frage? Sie ist wie die Antwort auf alle Fragen, sie ist nicht immer 42. Die Antwort auf die schlichte Frage, ob es Hal Faber gibt, ist beispielsweise ein schlichtes Nein. Denn mir ist in dieser Woche aufgegangen, dass ich kein Mensch bin und auch kein Computer von Kubrick Devices Ltd. Nach gründlicher Analyse bin ich der Überzeugung, dass ich ein Ganzkörperkiosk bin, ein virtueller Portier am vornehmen Eingang des repräsentativen Gebäudekomplexes von heise online. Bei Bedarf bin ich auch gerne ein vertrauenserweckender "Experte für Kapitalanlagen in entlegenen Bankfilialen", ich bin da sehr flexibel. Wer wirklich eine Geldanlage ab 20.000 Euronen aufwärts mit einem Ganzkörperkiosk bereden will, braucht sein Geld nicht. Als Ganzkörperkiosk bin ich übrigens kein Blog, denn diese Gebilde verschwinden genauso schnell und unkompliziert, wie sie gekommen sind. Ich aber bleibe standhaft als Kiosk für den verkaterten Sonntagmorgen an heise online getackert mit einer Wochenschau, über die mit schöner Regelmäßigkeit ein Troll sein "was soll das Gelabere" kippt. Ich bleibe allein schon deshalb, weil Leser gewettet haben, dass es in diesem Jahr kein Jahresrückblick-WWWW mehr geben wird, weil WWWW eingestellt sein wird. Preis dieser Wette ist, dass der Verlierer die auf Papier ausgedruckte Linkliste des letzten WWWW verspeisen muss. Damit habe ich als eleganter Ganzkörperkiosk natürlich keine Probleme: Wie alle wirklich guten EDV-Systeme verfüge ich über einen Drucker, der Papier frisst und nicht wie Totti ausspuckt.

*** Aber: Sind wir nicht alle frei nach Nietzsche hübsch lastbare Ganzkörperkioske und Ganzkörperkioskinnen? Oder, weniger verrätselt: Was geht in Menschen vor, die selbst beim Wellenreiten nicht mehr auf ihren Internet-Zugriff verzichten können? Sind sie nicht ähnlich durchgeknallt wie jene, die ein Flugzeug nur mit ihrem Mile High Kit besteigen? Oder jene, die bei einem schönen Wesen nur Angst haben, assimliert zu werden?

*** Zu den Randnotizen dieser Woche zählt die Bemerkung eines Microsoft-Mitarbeiters, nach der die indirekt mitfinanzierte Samisdat-Studie nicht eben hilfreich in der Argumentation um die Vorzüge und Nachteile von Windows gewesen sei. Inzwischen werden schon die Repliken auf die Repliken zu dieser Studie kritisch seziert, mit dem immergleichen Ergebnis, dass der Autor oder die Autoren keine Ahnung haben. Die Frage ist natürlich, ob es Microsoft besser macht, wenn es auf die jüngste Linux-Kampagne von IBM gereizt reagiert und mit Sérgio Amadeu einen der prominentesten brasilianischen Linux-Befürworter vor Gericht zerrt. Die Klage erfolgt, weil Amadeu das "Drogendealer"-Argument vom Anfixen der Anwender gebracht habe, was Bill Gates selbst 1998 in einer Ansprache vor Studenten zum Besten gegeben haben soll.

*** Nun hat Microsoft in dieser Woche mit einigem PR-Gedonner und -Getöse die GPTF gegründet, die Group Policy Task Force, die vom Kürzel her an die IETF angelehnt ist, die im Internet Standards setzt. Die neue Gruppe will freilich nur den Microsoft-Standard namens Active Directory im Internet mandatorisch machen. Das gilt auch für den Linux-Bereich: Mitglied des neuen Standardisierungs-Gremiums ist Vintela, eine Firma, die zur Canopy Group gehört und exklusiv über SCO ausliefert. Ein geschickter Schachzug, oder ist am Ende alles nur eine große Kreidefresserei?

*** Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten, rezitierte Eben Moglen deutsch-französisches Liedgut in Berlin auf dem dritten Zauberertreffen, von dem der Heiseticker ausführlichst berichtete. Prompt gibt es Reaktionen, die freie Software und Gedankenfreiheit verwechseln. Das ist insofern etwas dumm, weil freie Software es sich durchaus erlauben kann, die Gedanken etwas laaaaangsaaamer zu transportieren, bis man gelöhnt hat. Die Gedanken sind frei, aber nur mit einer kleinen Werbeeinblendung.

*** Ob das mit den freien Gedanken so seine Richtigkeit hat, das beschäftige auch den Herrn, der heutzutage gerne als "Staatsphilosoph der Bundesrepublik" bezeichnet wird, vor nicht allzulanger Zeit aber aus der rechten Ecke noch als Sympathisant linksterroristischer Aktivitäten, aus der linken Ecke dagegen als Verteidiger der spätkapitalistischen Repression denunziert wurde. Ob kommunikatives Handeln schon die 42 ist oder erst die richtigen Fragen stellt? Nun ist Philosphie, wie man auch im Internet weiß, nicht die Kunst des Antwortens, sondern die des Fragens. Und die Frage nach dem Leben, dem Universum und überhaupt allem, die ist eben einfach beantwortet, die nach dem, was uns umtreibt und wie wir es mit den Anderen, die die Hölle sind, aushalten, dagegen weniger. So bleibt mir nur, Jürgen Habermas zum 75. Geburtstag zu gratulieren, den er gestern feierte.

*** Wahrscheinlich aber bin ich viel zu hart. Ganzkörperkioske haben halt ihre Kanten. Wahrscheinlich ist die deutsche Version der Creative Commons Licence ein wichtiger Schritt aus der ständig zunehmenden Entmündigung. Mit sonnentäglichen Texten mit einer Halbwertzeit von zwei Tagen mag ich das nicht beurteilen. Wichtiger ist womöglich der mit diesen offenen Lizenzen einhergehende Widerstand gegen das Management meiner Rechte durch andere, genannt DRM. Damit bin ich bei der Musik der Woche und natürlich bei den tollen Beastie Boys, deren neue CD offensichtlich Probleme macht, wenn man sie auf einem Computer abspielt. So rappt man also für eine bessere Welt. Und wir haben eine Hölle mehr.

*** Heute feiern die USA ihren speziellen kaufgeilen Vatertag, kreiert auf Vorschlag von Sonora Smart Dodd aus Arkansas. Außerdem ist heute der Weltflüchtlingstag. Ich nehme mir die Freiheit und fliehe in die Geschichte, um an einen wichtigeren Tag zu erinnern, der heute vor 215 Jahren in ein einem Ballhaus oder einer Turnhalle stattfand. Damals verpflichteten sich die Versammelten, erst wieder auseinander zu gehen, wenn eine Verfassung verabschiedet worden ist. Heute geht man auseinander, wenn man einen effizienten Kompromiss für eine Verfassung gefunden hat. Als Vertreter aller Ganzkörperkioske muss ich natürlich noch an den 20. Juni vor 30 Jahren erinnern, an dem hüben wie drüben ein Kiosk eröffnet wurde, mit dem das Zusammenwachsen von diesem unseren Land begann.

Was wird.

Jeder Wochenstart ist ein schwerer Start, nur nicht für Spaceship One, das am Montag abheben soll, mit Geld von Microsoft-Gründer Paul Allen. Jeff Bezos mit seiner Blue Origin und John "Doom" Carmack mit seiner Armadillo Aerospace schauen in die Raketenröhre. Sollte das von Allen finanzierte Projekt erfolgreich verlaufen, kann es mehr als eine X-Box gewinnen, nämlich den gut dotierten X-Price.

Bleibt der achte Linuxtag übrig, der nächste Woche unter anderem im Freibad von Wolfartsweier stattfindet, was bei den heute so herrschenden "sommerlichen" Temperaturen eine sportliche Sache ist. Doch den Pinguinen kann es niemals kalt genug sein, und wenn sie sich aufregen wollen, dann tun sie das am Stand von Microsoft. Neben der Ausstellung gibt es Vorträge wie diesen: "Die Geschichte der SCO -- Scheitern als Chance?", ein vieldeutiger Titel. Das Scheitern von Linux ist die Chance von SCO, doch das Scheitern von SCO wird kaum jemanden interessieren, wenn nicht die GPL vor Gericht ihre Bewährungsprobe bestanden hat. Der Rest ist, ähem, Fischfutter. (Hal Faber) / (jk)