Sexuelle Gewalt gegen Kinder: Live-Streaming soll EU-weit strafbar werden

Die EU-Staaten haben ihre Linie zu einem Vorschlag zur Novelle der strafrechtlichen Vorschriften im Bereich des sexuellen Kindesmissbrauchs festgezurrt.

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Glasfasse des Paul-Henri-Spaak-Gebäudes des Europäischen Parlamentsgebäudes in Brüssel mit 5 konzentrischen Ringen und dem Bild einer EU-Flagge

(Bild: PP Photos/Shutterstock.com)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Der EU-Ministerrat hat am Freitag seinen Standpunkt zu einem Entwurf zur Reform der strafrechtlichen Vorschriften der Gemeinschaft im Bereich des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern festgelegt. Mit den überarbeiteten Vorschriften soll die Definition der einschlägigen Straftatbestände in der gesamten EU ausgeweitet werden. Damit wollen die Regierungsvertreter gewährleisten, dass alle einschlägigen Formen solcher Vergehen kriminalisiert werden. Das gilt ausdrücklich auch für Taten, die durch neue Online-Werkzeuge ermöglicht oder erleichtert werden.

Mit der Ratsposition sollen die Mitgliedstaaten etwa verpflichtet werden, einen Straftatbestand für das Live-Streaming von sexuellem Kindesmissbrauch einzuführen. Strafverfolger müssten dann entsprechend ermitteln. Das Ministergremium begründet das auch damit, dass für den Zugang zu Übertragungen solcher Taten in Echtzeit "in den letzten Jahren immer häufiger Geld gezahlt" werde. Die G7-Innenminister waren sich schon 2022 einig, dass beim Live-Streaming "sexuelle Ausbeutung und Missbrauch von Kindern und der Menschenhandel" ineinandergriffen. Sie hielten es für entscheidend, gemeinsam mit dem Tech- und Finanzsektor Lösungen und Maßnahmen zur Bekämpfung solcher Straftaten voranzubringen und Zahlungen so zu stoppen.

Zudem will der Rat mit der Novelle der einschlägigen Richtlinie gewährleisten, dass künstlich erzeugte, aber realistisch wirkende Darstellungen von sexuellem Kindesmissbrauch in die Definition des Straftatbestands aufgenommen werden. Dies soll eine bessere Reaktion auf das zunehmende Aufkommen von Deepfakes und KI-generierten Missbrauchsdarstellungen ermöglichen.

In Deutschland sind grundsätzlich auch bereits fiktive Missbrauchsdarstellungen und Posen sowie einschlägige Texte strafrechtlich relevant. Neben realitätsnahen Zeichnungen zählen dazu etwa abgewandelte Darstellungen von Comic-Formaten, Mangas und Hentais. Bislang gebe es aber kaum Rechtsprechung zu KI-generierten Missbrauchsdarstellungen, sorgten sich jüngst Rechtspolitiker. Das bloße Herstellen solchen Materials könnte straflos bleiben.

Die EU-Regierungen haben ferner einen Straftatbestand des Erteilens von Anweisungen zum sexuellen Kindesmissbrauch oder zur Kontaktaufnahme zum Nachwuchs für sexuelle Zwecke (Grooming) auf den Weg gebracht. Wer etwa eine Anleitung zu solchen Taten – ob Faltblatt, Buch oder Online-Leitfaden – vertreibt und erstellt sowie damit Beihilfe leistet, würde sich strafbar machen.

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Für viele der einschlägigen Tatbestände soll der Strafrahmen erhöht werden. Wer etwa eine besonders schwache Position eines Kindes – insbesondere aufgrund einer Behinderung – missbraucht, wird dem Entwurf nach mit einer Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren belegt. Bisher sind es acht Jahre. Die Mitgliedstaaten dürften in ihren nationalen Rechtsvorschriften noch strengere Strafen vorsehen. Einschlägige Verbrechen sollen zudem leichter online gemeldet sowie während eines hinlänglich langen Zeitraums, nachdem das Opfer die Volljährigkeit erreicht hat, strafrechtlich verfolgt werden können. Vorgesehen sind mindestens zehn beziehungsweise 20 Jahre bei besonders schweren Vergehen.

Mit der Ratsposition können die Regierungsvertreter nun prinzipiell Verhandlungen mit dem EU-Parlament aufnehmen, um eine Einigung auf eine endgültige Richtlinie zu erzielen. Die Abgeordneten müssen ihren Kurs aber noch abstecken. Nicht verständigen konnte sich der Rat dagegen auf eine Linie zur heftig umstrittenen Chatkontrolle. Diese Überwachungsinitiative läuft ebenfalls unter dem Aufhänger des Kampfes gegen sexuelle Missbrauchsdarstellungen. Mit Widerstand etwa aus Deutschland, Belgien, Polen, Tschechien, Finnland und Österreich gab es weiterhin eine Sperrminorität auch gegen den jüngsten Entwurf der ungarischen Ratspräsidentschaft, wonach etwa Audionachrichten nicht gescannt werden sollten.

(nen)